Kapitel 19

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Weihnachten kann doch ziemlich anstrengend sein..
Gestern waren wir bei meinen Eltern.
Es war zwar ungewohnt, nach so langer Zeit wieder dort zu sein, aber es war trotzdem richtig toll.
Ich konnte bei einem kleinen Spaziergang Marcel zeigen, wo ich groß geworden bin und an welchen Orten ich die meiste Zeit meiner Jugend verbracht habe.
Es war ein schöner Tag zusammen mit all den Menschen, die mir im Leben am wichtigsten sind.
Erst spät in der Nacht, haben wir uns auf den Rückweg gemacht.
Wären wir heute nicht bei Marcel's Eltern eingeladen, hätten wir über Nacht bleiben können, aber so war das nicht möglich.

"Hör auf dir so viele Gedanken zu machen! Meine Mutter wird dich genauso schnell ins Herz schließen, wie deine mich. Glaub mir."
Marcel greift nach meiner Hand, während er weiterhin auf den Verkehr achtet.
Er kennt mich inzwischen ziemlich gut.

Nach einer etwa einstündigen Fahrt, hält Marcel vor einem ziemlich großen Haus am Rande Berlins.
Es ist in einem zarten gelbton gestrichen und der schöne Vorgarten heißt einen sofort willkommen.
"Komm, sie warten sicher schon auf uns."
Wir steigen aus dem Wagen und erklimmen die wenigen Stufen bis zur Haustür, wo Marcel klingelt.
Keine zwei Sekunden später öffnet uns eine sympathisch aussehende, ältere Frau die Tür und fällt Marcel sofort um den Hals.
"Wie schön, dich endlich mal wieder zu sehen, meine Junge!" begrüßt sie ihn überschwänglich, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf mich richtet.
"Mom, das ist Penelope. Dad hat dir sicher schon von ihr erzählt. Schatz, das ist Johanna, meine Mutter.
"Schön, Sie kennenzulernen und danke für Ihre Einladung!" begrüße ich sie höflich und versuche meine Nervosität zu verstecken.
"Nenn mich bitte Johanna! Die Freude liegt ganz bei mir. Ich bin so froh, dass Marcel endlich die passende Frau an seiner Seite hat! Kommt rein, das Essen ist gleich fertig!"
Johanna tritt einen Schritt zur Seite, damit wir den hellen Flur betreten können.
Sie trägt ein cremefarbenes Etuikleid, dass perfekt zu ihren hellbraunen Haaren passt.
Im Flur hängen überall Familienfotos aus vergangenen Zeiten.
Allerdings sind auf vielen zwei Jungs zu sehen.
Marcel hat mir gar nicht erzählt, dass er noch einen Bruder hat.
Ich werde ihn später darauf ansprechen.
Johanna führt uns durch das Wohnzimmer zum Esszimmer, wo ich wieder auf Herr Dressler treffe, der gerade die letzten Vorbereitungen zu treffen scheint.
Er trägt eine schwarze Anzughose und ein weißes Hemd mit Fliege.
Zum Glück habe ich mich für ein elegantes, dunkelblaues Kleid entschieden!
"Herr Dressler, schön, Sie wiederzusehen! Wie geht es Ihnen?" Ich gehe auf ihn zu und reiche ihm meine Hand, die er aber nicht ergreift.
"Du gehörst jetzt praktisch zur Familie, da wäre es nicht angebracht, wenn wir uns weiterhin Siezen.
Ich bin Hannes."
Um seine Aussage zu unterstreichen, nimmt er mich in eine kurze, aber innige Umarmung, bevor er Marcel mit einem Schlag auf die Schulter begrüßt.
"Setzt euch, das Essen ist fertig." meint Johanna, bevor wir uns alle an die schön gedeckte Tafel setzen.
"Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten und guten Appetit!" prostet Hannes uns freudig zu, bevor wir uns dem köstlichen Essen zuwenden.

Die Männer mit einem Glas Scotch und wir Frauen mit Champagner in der Hand, sitzen wir später am Abend im Wohnzimmer vor den tollen, offenen Kamin und unterhalten uns über alles mögliche.
"Wie ich höre, läuft deine Ausbildung ziemlich gut. Das freut mich für dich." richtet Hannes nun das Wort an mich.
"Ja das stimmt. Meine Zwischenprüfung habe ich gut bestanden. Es macht wirklich sehr viel Spaß!"
Und das scheint das Stichwort für die beiden zu sein, ein angeregtes Gespräch über die Arbeit zu beginnen.

Johanna hat mich auf eine Tour durch das Haus entführt.
Wahrscheinlich möchte sie einfach nur unter zwei Augen mit mir sprechen um herauszufinden, ob ich zu ihrem Sohn passe.
"Ich muss dir wirklich danken, Pen! Seit du mit Marcel zusammen bist, hat er sich sehr verändert. Positiv natürlich!"
Wir haben uns in der Küche an die Theke gesetzt, wo wir weiterhin von unserem Champagner trinken.
"Marcel tut mir auch gut. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich einige Zweifel daran ob ihr mich mögen würdet. Immerhin hat Marcel mehr oder weniger meinetwegen mit Mariella Schluss gemacht."
Jetzt bin ich mal gespannt..!
Bei dem Erwähnung dieses Namens verfinstert sich ihre Miene schlagartig.
"Ich habe Hannes von Anfang an gesagt, dass das eine Schnapsidee ist. Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, da kann man nicht mehr einfach jemanden gegen seinen Willen verheiraten.
Mariella ist ein Biest. Egal was sie tut, ihr geht es immer nur um Geld. Es wundert mich ehrlich gesagt, dass sie sich so leicht geschlagen gegeben hat.. Jedenfalls ist das noch ein Grund mehr, dir zu danken!"
Ich habe Johanna sofort ins Herz geschlossen! Sie ist herzlich, ehrlich und darauf bedacht, dass es ihrer Familie gut geht.
"Komm, lass uns mal nachschauen, was die beiden Männer so treiben.

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Genau wie nach dem Besuch bei meinen Eltern, sind wir auch gestern erst sehr spät nach Hause gekommen.
Nach einem ausgiebigen Frühstück ziehe ich mich ins Schlafzimmer zurück, um mir ein Manuskript durchzulesen, dass mir sehr ans Herz gewachsen ist.
Marcel nutzt diese Zeit ebenfalls, um etwas zu arbeiten.

Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn ich komme erst wieder zu mir als ich spüre, dass Marcel zärtlich meine Wange streichelt.
"Tut mir leid, dass ich dich wecke, aber ich muss kurz weg und ich wollte fragen, ob ich dich auf dem Weg bei deiner Tante absetzen soll."
Irgendwie ist er komisch drauf. Etwas stimmt hier nicht. Nur was?
"Ist alles in Ordnung?" frage ich deshalb und setze mich auf.
"Natürlich, es dauert auch nicht lange."
Er lügt! Das kann ich an seinen Augen sehen, er meidet nämlich meinen Blick!
"Gut. Gib mir zehn Minuten um mich fertig zu machen, dann können wir los."
Ohne ein weiteres Wort verlässt er das Schlafzimmer und schließt hinter sich die Tür.
Ich ziehe mich schnell um und packe alles was ich brauche in meine Tasche und gehe dann in die Küche, wo Marcel schon auf mich wartet.
"Können wir los?"
Ich nicke nur und folge ihm dann nach draußen.

"Ich melde mich später bei dir, wenn ich zurück bin."
Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und beäugt mich eine ganze Weile, als würde er sich jedes kleinste Detail einprägen.
"Ich liebe dich."
"Ich liebe dich auch."
Ein letzter, inniger Kuss, dann steigt er in seinen Wagen und fährt davon.

Warum habe ich das Gefühl, dass das ein Abschied für länger war?!

Tausche altes Leben gegen NeuesWhere stories live. Discover now