N für Nuss

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LIAM 04. - 05. März  2016 London, England

Da es Zoé bereits am ersten März geschafft hatte, eine Wohnung in London samt Aushilfsjob in einem kleinen Blumenladen zu finden, blieb Sophias Pflege an mir hängen. Eine Woche lag sie völlig flach und konnte somit nicht zu Andy. Diese Tatsache fuchste sie mehr, als die Tatsache, dass ihr nur allzu oft Schnodder im Gesicht hing.

Mitten in der Nacht zum zweiten März hatte Andys Mutter weinend vor Freude angerufen. Andy war bei Bewusstsein – sofern man von Bewusstsein sprechen konnte, so wie man ihn mit Morphium versorgte. Er hatte ein paar Silben gewispert und die erste Nahrung, beziehungsweise einen undefinierbaren Brei selbst zu sich genommen. Mit einem riesen Lächeln auf den Lippen war ich in Sophias Zimmer geschlichen, um sie zu wecken. Weinend vor Freude, Erleichterung und Enttäuschung, dass sie nicht sofort zu ihm konnte, war sie mir in die Arme gefallen. Sofort war mir der zarte blumig-fruchtige Duft in die Nase gekrochen und ich fühlte mich sicher und beruhigt. Zwar hatte Sophia mit Andys Mutter sprechen können, doch dass sie nicht selbst mit ihm sprechen konnte, setzte ihr schwer zu. „Ich hätte nicht durch den Regen laufen sollen"- „oder betrunken und barfuß vor dem Haus tanzen." „Arsch." Immerhin hatte sie gelacht.

Am Freitag ging es Sophia erstaunlich gut. Kein leichtes Fieber mehr, kein atemraubender Reizhusten, sondern nur noch ein wenig Schnupfen.

„Gott sei Dank. Dann muss ich nicht alleine einkaufen." Erleichtert schmiss ich Sophia nach dem Mittagessen ihre Jacke, samt Schal, Mütze und Handschuhen entgegen. Dana, welche ihre Physiotherapie schon längst abgeschlossen haben müsste, befand es für wichtiger, sich den Therapeuten genauer anzusehen, als Andy im Krankenhaus zu besuchen. Mein bester Freund war ganz zu meiner Überraschung, überhaupt nicht enttäuscht von ihr. Im Gegenteil. Er freute sich, zumindest kam es mir so vor. Bereits am dritten Tag seines Erwachens schaffte er es zu lächeln und ganze Sätze zu flüstern. Sein erster Satz als er mich, immer noch in Schutzkleidung, damit ich ihn nicht mit irgendetwas anstecken konnte, in sein Zimmer hatte kommen sehen: „Ich hoffe für dich, dass du McDonalds dabei hast. Ich hab Kohldampf." Noch nie hatte ich mich sosehr über seine dummen Sprüche gefreut, wie in diesem Moment. Auch Sophias zarte Lippen zierte ein warmes Lächeln, als ich ihr am Freitag von seinen Fortschritten berichtete.



In flauschige Boots, eine labbrige Jogginghose und ein viel zu großer, warmer Strickpullover eingepackt, nahm ich Sophia mit zum Einkaufen. Ich selbst hatte mich in einen dicken schwarzen Mantel gekuschelt und Schal, sowie Mütze tief ins Gesicht gezogen. Schief hatten wir einen Song nach dem anderen im Radio auf dem Weg zum Supermarkt mitgegrölt. Ich gab es nur ungerne zu, doch das WG-Dasein gefiel mir. Niemals war man alleine, immer waren Ansprechpartner zuhause und egal ob die Mädels in der Uni oder krank im Bett gelegen hatte: Man hatte mich gebraucht.

„Du hast nicht zufällig geschaut, ob wir noch Toilettenpapier haben?" Ihre Stimme klang rau, sie war noch nicht hundertprozentig auf dem Damm.

„Sehr gute Frage. Hast du noch eine?"

„Also nein." Lachend legte sie einfach eine Packung in den Einkaufswagen und schmiss auch gleich noch Küchenrolle und Taschentücher hinterher. Wer wusste schon, wie lange ihre Nase noch laufen würde. Die Wahrscheinlichkeit war außerdem wirklich hoch, dass sie mich mit angesteckt hatte. Die Chancen, dass sich Dana etwas eingefangen haben könnte, standen hingegen sehr gering, so selten, wie Sophias eigentlich beste Freundin zuhause war. Es war mir ohnehin ein Rätsel, wie zwei so von Grund auf verschiedene Personen befreundet sein konnten. Doch für diese Antwort musste ich mir bloß meine Freunde und mich anschauen. Wir waren nicht besser.

Langsam trottete ich hinter Sophia her und sah mich um. Es war faszinierend, wie viele Pärchen an diesem Tag ihren Einkauf erledigten. Pizzen, Kerzen, Duschschäume. Man hätte beinahe annehmen können, alle würden demselben Rezept zum Glücklich Sein folgen. Bei diesem fast schon lächerlichen Anblick kamen mir genau zwei Gedanken in den Sinn.

B for Buddy ⚜️ LPOù les histoires vivent. Découvrez maintenant