12. Kapitel

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Feyas Sicht:
Plötzlich verschwanden zwei Arme und auch die anderen zogen sich zurück. Verwirrt sah ich mich um. In einer Ecke des Zimmers drückte Evan sich an die Wand und atmete schwer. Es wirkte als wolle er sich durch die Wand hindurch auf die andere Seite drücken. Er sah aus als würde er gegen irgendetwas ankämpfen. Und dieser Kampf schien kraftraubend zu sein. Denn er stand vielleicht nicht mal eine Minute in dieser Ecke und die Schweißperlen glitzerten bereits auf seiner Stirn. Lilian und Annie standen vor dem Sofa. Ihre Körper waren angespannt. Aiden kam langsam um das Sofa herum und stellte sich ebenfalls vor mich. Was war denn bloß los? Nicht eine Sekunde ließ ich Evan aus den Augen. Er sah mittlerweile so aus als würde er gleich explodieren. Vorsichtig erhob ich mich vom Sofa und wollte auf ihn zu gehen. Doch meine Beine sackten weg und ich erwartete bereits die unsanfte Landung auf dem harten Boden. Allerdings wurde ich im letzten Moment von Aiden aufgefangen. In dem Moment in dem er mich berührte, erklang ein tiefes, drohendes Knurren vom anderen Ende des Raumes. Sofort ließ Aiden mich los, als hätte er sich verbrannt. Was leider zur Folge hatte, dass ich nun doch noch nähere Bekanntschaft mit dem Boden machte. Fluchend versuchte ich mich aufzurappeln, doch mir fehlte sowohl in den Beinen als auch in den Armen die Kraft dazu. Ich atmete einmal tief durch und kam dann auf die Füße. Mit wackligen Schritten ging ich auf Evan zu. Ich kam jedoch nicht weit, da Lilian mir den Weg versperrte. „Lass mich durch!“, herrschte ich sie an und sie zog sich sofort zurück. Während sie ein bis zwei Schritte zurück machte, wirkte sie schon beinahe unterwürfig, was mich innehalten ließ. Warum gehorchte sie mir ohne Widerstand? Ich meine, sie ist ein Werwolf und ich bin bloß ein Mensch. Sie hätte mich ohne Probleme zurückhalten können. Du wirst noch erfahren warum sie gehorcht... Danke für diese aufschlussreiche Information.  Mit bedachten Schritten setzte ich meinen Weg zu Evan fort. Etwa zwei Meter vor ihm blieb ich stehen. Seine Aufmerksamkeit wandte er mir zu. Prüfend musterte ich ihn von oben bis unten. Natürlich nur um herauszufinden, ob er sich immer noch schwitzend und angestrengt gegen die Wand drückte. Schon klar. „Geh weg, Feya.“, murrte er plötzlich. Verständnislos blickte ich zu ihm auf. „Was?“, fragte ich entsetzt. „Geh oder ich kann für nichts mehr garantieren. Meine Beherrschung ist im Moment sehr strapaziert.“, erwiderte er laut knurrend. Langsam wich ich ein paar Schritte zurück.

Evans Sicht:
Ich hatte sie verletzt, als ich sie wegschickte, doch hätte ich es nicht getan, hätte sie eine hübsche Markierung am Hals gehabt. Die hätte ihr sicher gestanden. Du wärst Schuld gewesen, hätte sie uns dann nicht mehr gemocht. Sie hätte uns nicht mehr gemocht, da hast du recht. Sie hätte uns geliebt! Ich will aber, dass sie mich liebt weil sie es will. Nicht weil sie es muss! Jaja. Mein Blick schweifte wieder zu Feya. Sie hatte sich noch weiter zurückgezogen. Leider konnte ich sie nicht komplett sehen, da Aiden und Lilian wieder mal Beschützer spielen mussten und sich vor sie gestellt hatten. Plötzlich klingelte mein Handy und ich wandte den Blick von meiner wunderschönen Mate ab. Es war Nathan, mein Beta. „Hey Nathan. Was ist los?“, fragte ich ein wenig schroff. „Bitte entschuldige die Störung, Alpha. Bei was auch immer ich gerade gestört habe. Aber wir haben deutliche Hinweise, dass das Ostrudel die Grenze überschritten hat und höchstwahrscheinlich immer noch auf unserem Territorium ist.“, erwiderte er hastig. „Ich komme. Wie viele sind es?“, hakte ich nach. „Wir schätzen ungefähr vier oder fünf. Aus unserem Rudel sind noch drei weitere bei mir.“ „Bin unterwegs.“ Ohne mich zu verabschieden legte ich auf und wandte mich an die anwesenden Wölfe im Raum: „Lilian, du bleibst mit Feya und Annie hier. Ich will nicht, dass eine von euch das Haus verlässt. Insbesondere Feya! Aiden du kommst mit mir! Nathan hat ein paar Ostwölfe aufgespürt.“ Sofort trat Aiden an meine Seite, seine Augen leuchteten erwartungsvoll. Lilian durchbohrte mich mit bösen Blicken und Annie und Feya sahen einfach nur ein wenig verängstigt umher. „Irgendwer muss hier die Stellung halten, Lil. Wir wissen nicht wie weit sie schon vorgedrungen sind.“, versuchte ich meine Schwester zu beschwichtigen. Sie hasste es, wenn ich sie nicht mit zu irgendwelchen Aufträgen nahm. Besonders dann, wenn Aiden mit musste. Ich gab Aiden ein Zeichen und drehte mich dann um. Mit Aiden an meiner Seite verließ ich das Haus. Direkt vor der Tür verwandelten wir uns und liefen in Wolfsform schweigend nebeneinander her. Plötzlich wehte mir ein schwacher Windzug einen fremden Geruch in die Nase. Sofort stellte sich mein Fell auf und ich fletschte angriffslustig die Zähne. Wie konnte mir dieser schreckliche Gestank vorhin bei meiner Patroullie entgangen sein? Vielleicht weil du mit deinen Gedanken wo anders warst? Aiden hatte den Geruch nun auch wahrgenommen und kauerte sich ebenfalls auf den Boden, bereit zum Angriff. Hinter mir raschelte es im Gebüsch und ich fuhr knurrend herum.

Des Rudels Luna Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt