Kapitel 62

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Ich saß im Streifenwagen von Hauptkommissar Kunz. Auf dem Beifahrersitz Paul. Dieses arrogante, vorlaute Arschloch hatte sich doch tatsächlich vor mich gedrängelt, um dort sitzen zu können. "Jetzt links", wies ich Christian an. Während er einparkte schnallte ich mich ab und klammerte mich an den Sitz vor mir. Ich hatte immernoch dezente Probleme damit bei fremden Leuten mitzufahren. Schnell sprang ich aus dem Auto und ging zur Haustür des Plattenbaus. Ich suchte das Klingelschild von Andy und klingelte Sturm. Er kannte das nur zu gut von mir und öffnete gleich die Tür. Ich lief, gefolgt von Paul und Christian, die Treppen hoch in den fünften Stock. Der Fahrstuhl war schon seid einer Woche kaputt und anscheinend kümmerte es auch keinen, da sowieso niemand überhalb des sechsten Stocks wohnte. Da oben wohnten eh nur junge Leute, denn welche alte Frau oder welcher alter Mann zieht freiwillig in ein Viertel in dem die zum Teil geilsten Clubs der Stadt waren und dann noch in den sechsten Stock? Andy stand oben bereits in der Tür und wartete auf uns. Verdutzt sah er hinter mich, als Paul hinter mir die letzten Stufen ohne Probleme erklomm. "Erzähl ich dir später", flüsterte ich ihm ins Ohr, als ich an ihm vorbei in die Wohnung ging. Im Wohnzimmer wartete ich auf den Rest. "Paul?", hörte ich Andy aus dem Flur. "Andy? Meine Fresse, was ist denn mit dir passiert?", fragte diesmal Paul. Ich räusperte mich, als auch Christian schon neben mir stand. Beide sahen zu uns auf und setzten sich vor uns auf die Couch. "Sollen wir euch einen Moment allein lassen?", fragte Christian mit sarkastischem Unterton. Beide verdrehten genervt die Augen und wandten uns zu. Ich setzte mich zwischen Paul und Andy. "Andy, woher kennst du Vanessa?", fragte ich ihn, bevor mir das letzte mal einfiel als ich hier war. "Naja, ich hab dir doch das letzte Mal von diesem Mädchen erzählt, oder?" "Die wegen der du ne neue Frisur und nen neues Parfum hast? " Er nickte. "Das war wegen dieser Vanessa? Du hast doch gesagt, dass sie bei euch trainiert. Is sie immer noch im Kurs?" Er nickte erneut. Ich sah zu Christian. "Wo müssen wir diesmal hin?", fragte er mit einen Lächeln. "Ich sag dir wo du lang musst." "Kommst du mit Paul?" "Ne, ich glaube ich bleib noch hier." Gott sei Dank, dachte ich und verkniff mir ein Grinsen.
"Andi, is der Kurs drinn?", fragte ich ihn. Ich war erstmal allein hochgegangen, um nicht gleich die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. "Ja, wieso?" "Ich helfe nem Bullen bei dem Fall von Andi. Is diese Vanessa noch hier? Sie hat blau-schwarze Haare, müsste also eigentlich sofort auffallen", drängelte ich. "Ich bin mir nich sicher, aber..." "Schon gut, ich geh einfach mal nach hinten", unterbrach ich ihn und ging in Richtung des Abteils. Als ich um die Ecke ging traute ich meinen Augen nicht. Es spielte sich dort ein nahezu unfassbares Szenario ab: eine junge Frau lag auf den Matten, auf ihr ein junger Mann. Sie blutete aus der Nase und wehrte sich heftig gegen ihren Angreifer. Als sich dieser umdrehte konnte ich es kaum glauben. Es war Steffan, dem anscheinend der Kragen geplatzt ist, als er Vanessa zur Rede stellen wollte. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, doch obwohl ich eigentlich zusehen könnte wie sie weiterhin leidet entschied ich mich aus rein moralischen Gründen dazwischen zu gehen. "Steffan, lass sie los!", versuchte ich es erst auf die freundliche Weise. Er reagierte nicht, auch nicht beim zweite  und dritten Mal. Es reichte mir. Ich wollte ihm nicht weh tun! Ich nahm einen leichten Anlauf und klammerte mich beim Abrollen über seinem Rücken an diesem fest. Dieser Trick klappte eigentlich immer, auch dieses Mal. Wieder auf dem Boden landeten wir in der Mount. Ich oben, Steffan unten. Er wusste natürlich, wie er sich aus dieser Position befreien konnte, doch ich wusste es auch, also wusste ich auch wir ich ihn daran hindern konnte. Irgendwann gab er es auf und lag einfach nur unter mir, was für mich niemals bedeutete, dass ich runterging. "Steffan, hör mir zu! Ich weiß, wie sauer du bist, aber es ist keine Lösung sie zusammenzuschlagen, vor allem weil ich mit nem Cop hier bin." Steffan drehte den Kopf weg. Ich erschrak, als ich sah, dass er am Hals und im Nacken blutete. "Du weißt doch gar nicht was passiert ist", als er mit mir redete, sah ich, dass er auch im Mund blutete, doch konnte ich mir nicht erklären woher das kommen sollte. Ich sah zu Vanessa rüber, die immernoch flach auf dem Boden lag. Ich ließ von Steffen ab und ging rüber zu ihr. "Andi", brüllte ich durchs Studio. "Was ist denn hier los?", geschockt sah er von Vanessa zu Steffan und dann zu mir. "Keine Ahnung, aber kannst du mal kurz aufpassen, dass die beiden hier nicht abhauen?!" So schnell ich konnte rannte ich die Treppen runter und über den Parkplatz bis zu Christians Auto. Ich erzählte ihm alles was ich mitbekommen hatte.
"Steffan, was ist passiert?", fragte ich ihn erneut, als wie im Auto saßen. Vanessa wurde mit einem Streifenwagen abgeholt. Steffan und ich fuhren bei Christian im Auto mit. "Ich sag nichts, solange der Bulle da vorne zuhört!", sagte Steffan mit verächtlichem Tonfall. "Steffan, komm! Wir können nichts gegen sie machen, wenn du nichts sagst", verzweifelt sah ich ihn an. "Woher willst du wissen, dass sie es nur auf Andy abgesehen hatte oder ob sie sich dich als nächstes vornimmt oder Josi?", erhob Christian von vorne auch mal seine Stimme. Steffan verdrehte die Augen und knirschte mit den Zähnen. "Musste das sein?", fragte ich Christian, als wir gemeinsam in seinem Büro standen. "Was meinst du?" "Du weißt was ich meine! Er hasst es auf Verluste hingewiesen zu werden." "Selber Schuld, wenn er gleich so aggressiv mir gegenüber spricht." "Er hat ehrlich gesagt jeden Grund Polizisten zu hassen. Seine Familie wurde vor Jahren umgebracht und die Polizei hatte genug Verdachte den Mörder noch vor der Tat festzusetzen. Er hat das durch Zufall raus gekriegt und ist vollkommen ausgerastet. Seid dem klingeln bei Polizei alle Alarmglocken bei ihm", flüsterte ich schon fast, obwohl wir allein im Raum waren. "Wer genau von seiner Familie war das?" "Naja, seine Eltern und  seine Geschwister. Damals war er ja auch erst 16 und er hat halt mit seiner Schwester und seinen zwei Brüdern bei seinen Eltern gelebt. Er war der älteste der vier und hatte sich fast immer um fast alles gekümmert, denn seine Eltern waren viel unterwegs. Jeder kennt die Story, aber Steffan hat sie nie erzählt. Wir hatten mal nen Polizisten im Team, der ihn mal gecheckt hat und auf diese Geschichte gestoßen ist. Irgendwann hat sie sich verbreitet wie ein Lauffeuer", ich seufzte kurz und sah wieder zu Christian.
"Steffan jetzt bitte erzähl doch endlich, was los war", flehte ich ihn wieder und wieder an, doch er blieb eisern. "Er ist Polizist. Ich hoffe du hast nicht vor mit ihm zusammen zu kommen!", bemerkte er trocken. "Und wenn es so wäre, könntest du auch nichts daran ändern!", konterte ich schnippisch und setzte mich auf den Stuhl ihm gegenüber.

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