XXII

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Es war ein ruhiger Tag für Macan. Keine Probleme, keine Besprechungen, keine Anstrengung. Alles schien so vollkommen in Ordnung zu sein. Abgesehen natürlich davon, dass seine Tochter mit einem von ihm Verurteilten durchgebrannt war. Doch als König, der schon seit so langer Zeit herrschte, hätte er es eigentlich kommen sehen sollen. Er hätte wissen müssen, dass diese trügerische Ruhe nur ein Vorbote des Bösen war. Doch in seiner Sorge um Zarida waren seine Gedanken ganz wo anders gewesen. Und so kam es, dass erst als einer seiner Wächter ohne ein Klopfen in den Thronsaal gestürmt kam, die Falten auf Macans Stirn Gestalt annahmen. Ohne ein Wort seines Untergebenen wusste er, dass etwas passiert war. Etwas, was nicht mit einem kleinen Prozess wieder aus der Welt geschafft werden könnte.

,,Geh mir aus dem Weg!'', schrie jemand, noch bevor Macan den Wächter fragen konnte, was geschehen war.

,,Johnathan'', stellte Macan fest und erhob sich aus seinem Thron. Er wusste, dass er sowieso nicht mehr sitzen können würde, nachdem die Nachricht ihn erreicht hätte.

,,Wir haben es nicht kommen sehen, König. Es war unerwartet. Verdammt unerwartet'', fing John an die Lage zu erklären. Doch zum Punkt schien er einfach nicht kommen zu wollen.

,,Was ist passiert?''

,,Was passiert ist? Hören Sie es nicht?'', fragte John ungläubig und konnte förmlich beobachten, wie Macan nach und nach bewusst wurde, was er verpasst hatte. Die Schreie schienen endlich zu ihm durchzudringen.

,,Jarus?''

,,Es sieht ganz danach aus, mein Herr.''

,,Sind die Truppen schon auf dem Schlachtfeld oder sind wir noch unvorbereiteter, als ich es befürchte?''

John seufzte. ,,Nein, sie sind bereits alle mit einem Schwert draußen und versuchen ihr Bestes das Reich zu verteidigen.'' Unruhig fing Macan an hin und her zu laufen, nach einem kurzen Moment der Starre. Was hatte er nur angerichtet?! Er hätte bereit sein sollen, er hätte es kommen sehen müssen! Doch das hatte er nicht.

,,Ich sollte auch kämpfen'', äußerte er den ersten Gedanken, der ihm in den Sinn kam.

,,Auf gar keinen Fall, mein König. Wir brauchen Sie hier. Denn wenn Sie fallen, fällt Rukalis.''

Macan wusste, dass John die Wahrheit sprach. Er wusste, dass er das Königshaus nicht verlassen und sich in Gefahr bringen durfte. Doch es nagte an ihm sich dort zu verstecken, wie ein erbärmlicher Feigling.

,,Doch ich werde gehen.'' Macan stoppte.

,,Was?''

,,Ich werde den Männern dort draußen helfen.''

Mit einem Mal verspürte Macan eine Angst, die er einfach nicht erklären konnte. Doch eigentlich war es klar: Er hatte Angst John zu verlieren. Der Junge war ihm ans Herz gewachsen. Und trotzdem wusste der König, dass er ihn nicht aufhalten konnte.

,,Geh.'' John sah Macan noch für einen kurzen Moment in die Augen, bevor er sich umdrehte und auf den Ausgang zusteuerte.

,,John!'', hielt die Stimme des Königs ihn dann doch noch für einige Sekunden zurück. Ohne sich umzudrehen, lauschte Johnathan den Worten, die daraufhin folgten.

,,Egal, was sie gesagt hat: Ich weiß, dass sie dich geliebt hat. Auf die eine oder auf die andere Weise.''

Auf die eine oder auf die andere Weise, hallte es in Johns Kopf noch für einige Zeit nach, bevor er den ersten Schwerthieb setzen musste. Und als er den ersten Toten begegnet war, fiel ihm mit einem Mal wieder ein, was er Macan noch hatte fragen wollen. Wusste der König, wieso diese Schlacht hier stattfand? Gab es einen Grund? Einen guten Grund? Oder lüstete es Jarus nur nach Macht?

Auf die Antwort würde John wohl doch noch eine Weile warten müssen. Denn der Nachschub an Kämpfern - und zwar von der gegnerischen Seite - der sich stolz in weiter Ferne präsentierte, gab John das Gefühl, dass sich diese Schlacht nicht in fünf Minuten schlagen lassen würde.

***

(Unbekannt POV)

,,Was zum Teufel geht hier vor?!'', entwich es meinem Mund, als ich in einen Pfeilregen geriet. Hatte dieser Idiot von König tatsächlich einen Krieg angefangen? Hatte ich irgendetwas verpasst?

Ich wusste zwar, dass er einen Groll gegen Macan hegte. Doch ich hätte nicht befürchtet, dass dieser Groll so verdammt groß sein würde. Seine frühere schlechte Laune und die ständigen Stimmungsschwankungen hatte ich auf die Trauer geschoben, doch vielleicht lag ich falsch. Vielleicht hatte Jarus von der erstes Sekunde an nichts als Rachegefühle verspürt.

Ich rannte los, als erneut einer der Pfeile knapp an mir vorbei flog. Warum schossen die denn mitten in den verfluchten Wald?! Als ob sich Macan hier alleine aufhalten würde. Und auch, wenn ganz Rukalis es noch nicht wusste, ich tat es: Der einzige Grund für diesen Angriff war Macan. Ich kannte Jarus besser, als jeden anderen. Und ich wusste, dass ihm Frieden unheimlich viel bedeutete. Doch es gab eine Sache in seinem Leben, die er zwar nicht mehr besaß - ach nein, es waren zwei, ich vergaß - die ihm aber noch viel mehr bedeuteten.

Ich rannte so lange, bis ich das Gefühl bekam einigermaßen in Sicherheit zu sein. Doch war man denn, während eines Krieges zwischen zwei Männern, die der gleichen Frau verfallen waren, überhaupt irgendwo sicher? Ich bezweifelte es. Doch solange noch keine Pfeilspitze in meinem Schädel steckte, konnte ich mich mehr als nur glücklich schätzen, entschied ich.

Die Frage war, was ich nun tun würde. Das alles brachte meinen Plan vollkommen durcheinander. Doch vielleicht half mir dieses Durcheinander auch.

Mit einer Hand fuhr ich mir durch meine dunklen Haare, die mich immer wieder an meine Herkunft erinnerten. Gott sei Dank gab es in Wäldern keine verfluchten Spiegel. Ein Seufzen verließ meinen Mund. 

Ich war schon so weit gekommen, hatte die Aufmerksamkeit des Königshauses auf mich gezogen, hatte ihnen Angst gemacht. Ich hatte Unschuldigen das Leben genommen. Jetzt durfte ich auf gar keinen Fall wegen eines Krieges scheitern.

Und mit diesem Gedanken entschied ich mich, dass ich das einzig mögliche tun würde. Ich würde dorthin gehen, durch das Schlachtfeld - wenn es ging lebend - kommen und dann schließlich und endlich vor ihm stehen, um ihm ein letztes Mal in die Augen sehen zu können, bevor ich mein Messer in seinen Körper versenken würde. Das war der Plan. Nicht gerade einer, den ich wählen würde, gäbe es eine andere Möglichkeit. Doch in meiner, einem Scheißhaufen gleichenden Situation, fand ich den Plan gar nicht so schlecht. Und selbst wenn ich sterben sollte bei dem Versuch, dann hatte ich nichts zu verlieren. Wenn man darüber nachdachte, hörte es sich traurig an. Doch in diesem Moment erschien es mir als der größte Vorteil, den ich hatte.

,,Teufel, steh mir bei'', murmelte ich, bevor ich mich auf den Weg machte. 

ZaridaWhere stories live. Discover now