II

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Mit großen Schritten lief er unruhig hin und her und erwartete die Ankunft seines Untergebenen. Als er ihn nach Rukalis geschickt hatte, war eine Verbannung definitiv nicht in seinem Plan enthalten gewesen. Das würde die Situation zwischen den beiden Reichen anspannen. Und das war etwas, was sich Jarus auf gar keinen Fall leisten konnte. Rukalis musste sich in Sicherheit wiegen. Musste denken, dass das Nachbarreich ihr Freund war.

,,Jarus, mein Herr. Er ist hier'', informierte ihn einer seiner Diener. Er stoppte in seiner Bewegung und drehte sich zur Tür, gerade noch um zu sehen, wie sie sich wieder schloss und ein Mann, dessen Gesicht er zuletzt vor zwei Monden gesehen hatte, vor ihr stehen blieb. Nichts hatte sich an der emotionslosen Maske und den dunklen Augen geändert, die einen schier zu ersticken schienen.

,,Lysander'', ertönte Jarus' laute Stimme durch den leeren Raum, während er seine Arme leicht ausbreitete. ,,Ich würde gerne sagen, dass es mich freut dich wohl auf zu sehen, aber andere Ereignisse überschatten diese Freude.''

Schwere Schritte durchquerten den Raum und stoppten kurz vor den Treppen, die zum Thron des Königs führten. Seine Hand hatte der Krieger locker auf dem oberen Ende seines Schwertes liegen, so als würde er nur darauf warten nach seiner Waffe zu greifen.

,,Ich vermute du hast nicht vor dich dazu zu äußern. Dennoch wird das Ganze Konsequenzen mit sich tragen.'' Zwar keine direkten Konsequenzen für Lysander, welcher bei einer Bestrafung nicht einen Laut der Beschwerde äußern würde und das Ganze schließlich und endlich völlig nutzlos wäre - nein, es würde Konsequenzen für Jarus Pläne haben.

,,Sage mir wenigstens: War es diese Verbannung wert, was auch immer du getan hast?''

,,Ich tue nie etwas ohne Grund, Jarus.'' Dieser Krieger war der einzige seiner Männer, der ihn mit seinem Namen ansprechen durfte. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass es jemals anders gewesen war.

,,Da du nicht mehr nach Rukalis kannst, wirst du die Wache an der Grenze übernehmen'', entschied der König und nickte kurz, um Lysander verständlich zu machen, dass das Gespräch beendet war und er gehen durfte. Jarus brauchte nun Zeit, um sich zu überlegen, wie er weiter vorgehen würde.

Bevor der kürzlich Verurteilte den Raum jedoch verlassen konnte, blieb er noch einmal stehen und wandte sich an seinen Herren:

,,Was weißt du über Macans Tochter?'' Bei der Erwähnung dieser Person setzte Jarus Herz für einen kurzen Moment aus. Nie hatte ihn jemand auf sie angesprochen. Was also hatte Lysander dazu bewegt ihre Existenz in den Raum zu werfen?

,,Du sprichst nicht viel, mein Freund, wenn du es also tust, steckt viel mehr hinter deinen Worten, als man denken könnte. Sag mir - was ist es?''

Nicht das geringste Zucken war zu sehen auf dem Gesicht des Kriegers. Beherrschung war eine Sache, die er sich bis zur Perfektion angeeignet hatte.

,,Das interessante ist doch eher, wieso du meiner Frage ausweichst?'' Jarus biss seine Zähne fest zusammen, um keinen Fluch loszulassen, dessen Erscheinen er dann nicht erklären können würde. Auch er musste sich in diesem Moment in Zurückhaltung üben, denn niemand durfte erfahren, was seine wahren Gedanken waren. Noch nicht einmal jemand, wie Lysander. Oder vielleicht auch: Erst recht niemand, wie er.

Also setzte er ein falsches, breites Lächeln auf und lachte kurz vor sich hin.

,,Vielleicht aus den selben Gründen, aus denen auch du es tust.'' Natürlich war ihm nicht entgangen, dass auch Lysander kein Interesse daran zeigte ihm Antworten zu geben. Und wenn Jarus ehrlich war, dann nagte die Neugier dadurch nur noch mehr an ihm.

,,Wenn du mich nun entschuldigen würdest - ich habe eine Grenze zu überwachen.'' Mit diesen abschließenden Worten, die durchaus mehr sagten, als man denken könnte, verließ Lysander den Raum und machte sich auf den Weg, die ihm zugeteilte Aufgabe zu erfüllen.

Jarus konnte es sich währrenddessen nicht nehmen über das Gesagte nachzudenken. Er fragte sich, ob sein Krieger Zarida getroffen hatte, ob er sie mit seinen eigenen Augen gesehen hatte. Er zweifelte stark daran, dass die beiden ein Gespräch geführt haben könnten, war Lysander doch kein Mann der vielen Worte. Aber woran er nicht zweifelte, war, dass sein Untergebener aus irgendeinem Grund gewisses Interesse gegenüber der Prinzessin von Rukalis hatte. Selten erlebte er es, dass Lysander eine Frage stellte. Also musste ihn wirklich etwas beschäftigen.

Kurze Zeit später wurde Jarus bereits aus seinen Überlegungen gerissen, als ein unüberhörbares Klopfen an der Tür ertönte.

,,Wir haben eine an Sie gerichtete Nachricht erhalten, mein König'', betrat einer seiner Diener den Raum, einen Umschlag in seinen Händen haltend. ,,Möchten Sie, dass ich es Ihnen vorlese?''

Jarus schüttelte den Kopf. ,,Nein, das mache ich selber, danke'', nahm er den blauen Umschlag entgegen und betrachtete ihn eine Weile, bevor er das edle Papier aufriss und den Brief öffnete.

***

,,Ich werde ihm in einem Mond einen Besuch abstatten. Einen Brief habe ich bereits losgeschickt'', gab mein Vater lautstark bekannt und erhielt sofort die Aufmerksamkeit aller Anwesenden im Versammlungsraum, die alle um einen ovalen, langen Tisch saßen. Einer der Letzteren erhob sich aus seinem Sitz und wandte sich mit höflicher Stimme an seinen König:

,,Bei allem Respekt, mein Herr, aber bedenken Sie bitte all die Gefahren. Es ist nicht sicher für jemanden Ihres Standes eine solche Distanz zu bewältigen. Nehmen Sie zu viele Wachen mit, erregen sie wiederrum zu viel Aufmerksamkeit. Ich denke nicht, dass dies eine weise Entscheidung wäre.''

,,Er hat recht, König Macan. Sie könnten auch jemand anderen losschicken'', beteiligte sich nun auch ein weiterer an der Diskussion und erntete zustimmendes Nicken der anderen. Auch ich fand die Idee gar nicht so schlecht und der Grund dafür würde sich in meinem nächsten Vorschlag offenbaren:

,,Ich könnte doch gehen.'' Ich wusste, dass ich meine Ideen nur sehr selten miteinbrachte, aber die Totenstille, die auf meine Worte folgte, überraschte mich dennoch ein wenig.

,,Auf gar keinen Fall'', sprach mein Vater mit fester Stimme. ,,Du bleibst schön hier. Ich werde meine Tochter nicht in ein Reich schicken, das nicht mein vollstes Vertrauen besitzt.''

Nun war ich es, die aufstand, um ihrer Aussage mehr Nachdruck zu verleihen. ,,Du musst verstehen, dass ich irgendwann dieses Reich anführen werde. Ich werde Verantwortung tragen müssen. Wo liegt das Problem schon jetzt damit anzufangen?''

Noch nie hatte ich die Möglichkeit gehabt Jarus Reich zu sehen. Spätestens an der Grenze wurde ich jedes Mal zurück gelassen. Aber sie hatten keine Ahnung, wie sehr mich ihre Handlungen einengten. Ich fühlte mich eingeschlossen und ich wollte mich verdammt nochmal nicht eingeschlossen fühlen. Ich war alt genug, um Entscheidungen treffen zu können und wenn ich nach Kiros wollte, so würde ich auf die eine oder auf die andere Weise auch dorthin kommen.

,,Das Problem liegt darin, dass ich nicht dein Leben riskieren möchte und es auch nicht tun werde.'' Ich konnte sehen, wie sich der Kiefer meines Vaters anspannte und er versuchte geduldig zu bleiben. Normalerweise würde ich auch nachlassen, aber dieses eine Mal - nur dieses eine Mal - wollte ich meinen Willen durchsetzen.

,,Mich kennt dort sowieso niemand. Keiner wird auf die Idee kommen, mich mit dir in Verbindung zu bringen. Außerdem kannst du mir ja jemanden zur Seite stellen.'' Ich versuchte all die Argumente hervorzubringen, die ihm eine Erlaubnis leichter fallen lassen würden, aber als ich erneut das Schütteln seines Kopfes beobachten konnte, wurde mir klar, dass es hoffnungslos war. Es war völlig egal, wie lange ich diskutieren, wie viele Argumente ich mir einfallen lassen würde - der König würde nicht zustimmen.

,,Deine Zeit wird kommen. Und im Moment ist dein Platz hier und nicht in einem Verhandlungsraum in Kiros.'' Mit einem leichten Nicken setzte ich mich wieder auf meinen Platz und verblieb das restliche Gespräch still.

Dann eben auf die andere Weise.

ZaridaWhere stories live. Discover now