XXI

9.3K 669 27
                                    

,,Ich habe einen Plan. So, wie du es wolltest'', waren die ersten Worte, die ich zu hören bekam, als ich am nächsten Tag meine Augen öffnete.

,,Ach ja? Und wie sieht dieser Plan aus?'' Lysander muss beim Fluss gewesen sein, denn seine Haare, waren immer noch feucht von dem kalten Wasser. Er sah mich nicht an, während er das Pferd sattelte und unsere wenigen Sachen zusammenpackte.

,,Wir brechen auf. Aber wir bleiben nicht in Kiros'', antwortete er und vermied aus irgendeinem Grund den Blickkontakt. Wohin wollte er sonst? Das nächst Reich war ziemlich weit entfernt. Wir würden quer durch Kiros reiten müssen. Es würde ewig dauern.

Ich runzelte neugierig die Stirn. ,,Wohin willst du denn?''

,,Nach Rukalis.'' Und da verstand ich, wieso er mich nicht ansah. Er wusste ganz genau, dass mir diese Idee nicht gefallen würde. Was wollte er in Rukalis? Dort würden mich so unheimlich viele Menschen erkennen. Und selbst wenn wir uns in den wenigen Wäldern verstecken würden - dort hätten sie eine viel größere Chance uns zu finden, denn in Rukalis kannten sie sich verdammt gut aus. Was also verleitete ihn zu dieser idiotischen Idee?

,,Auf gar keinen Fall. Bist du lebensmüde?!''

,,Ich wusste, dass du das sagen würdest'', seufzte er und stoppte in seinem Tun, um sich schließlich zu mir zu drehen und mich mit einem Blick, den ich nicht wirklich deuten konnte, anzugucken.

,,Natürlich sage ich das! Wir sind gerade erst von dort gekommen und du willst jetzt schon wieder zurückkehren? Ich meine, noch hat bestimmt niemand unsere Taten vergessen, wenn du darauf hoffst.''

,,Nein, darauf hoffe ich natürlich nicht. Und wir werden auch nicht für immer in Rukalis bleiben. Aber ich denke es ist ein guter Zwischenstopp.''

,,Und was ist das Ziel, wenn Rukalis nur der Zwischenstopp ist?''

,,Das Ziel kenne ich leider noch nicht. Aber es wird weder Kiros noch Rukalis sein.''

Ich ließ seine Worte für einige Sekunden auf mich wirken. Ich sollte zurück gehen, in das Reich, das ich einst mein Zuhause genannt hatte. Im Grunde war es das immer noch. Ein Ort, an dem ich alles hatte, was mir wichtig gewesen war. Doch wie es im Leben nun mal war, musste man Prioritäten setzen.

,,Na dann hoffe ich, dass du das Richtige tust. Denn das was du tust, tue ich auch. Und um ehrlich zu sein, würde ich ungern das Falsche tun.''

Er nickte verständnisvoll. Ich wusste, dass er meine Angst nachvollziehen konnte. Ich hatte so viel riskiert, um nun mit ihm hier sein zu können. Wenn das alles verloren gehen würde, nur wegen einer falschen Entscheidung, würde ich es mein Leben lang bereuen diese eine Entscheidung getroffen zu haben.

,,Bist du bereit? Oder brauchst du noch etwas?'', fragte Lysander mich, als er fertig war alles für unsere kleine Reise vorzubereiten.

,,Nein, wir können los. Glaube ich.'' Ein leises Lachen ertönte aus seiner Richtung, was mich dazu brachte ihn mit kritischem Blick zu betrachten.

,,Was gibt es denn da zu lachen?'', fragte ich.

,,Gar nichts. Einfach nichts, Prinzessin.'' Ohne weiter darauf einzugehen, ignorierte ich sein Schmunzeln und stieg auf das Pferd.

,,Willst du vorne sitzen?''

,,Ja. Wieso? Immer noch Vertrauenskomplexe?''

,,Natürlich nicht. Mein Leben in Ihren Händen, eure Gnaden.'' Er schwang sich hinter mich, bevor wir auch schon los ritten.

Es war noch sehr früh, die Sonne war noch nicht einmal ganz aufgegangen. Nur das leichte orange und gelb am Himmel kündigten ihr Erscheinen an. Es war besser morgens aufzubrechen, denn da war die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden relativ gering.

Ich wusste nicht, wie ich mich fühlte. Schon seit Tagen dachte ich darüber nach. Was fühlte ich? Ich war mir nicht sicher, ob es Glück war, Trauer oder Angst. Vielleicht verspürte ich auch Neugier und Vorfreude auf das, was mich noch erwarten würde. 

,,Woran denkst du?'', holte mich Lysander nach einiger Zeit wieder in die Realität zurück. Ich konnte seinen Blick nicht sehen und trotzdem wusste ich, dass er mich genaustens beobachtete. Das war etwas, was ich über ihn gelernt hatte in all der Zeit. Er beobachtete unheimlich viel und zog daraus letztendlich seine Schlüsse.

,,An nichts besonderes. Was ist mit dir?''

,,Ich? Ich denke an dich.''

Ein Lachen verließ meinen Mund. ,,Danke. Ich fühle mich geehrt.''

,,Immer wieder gerne, Prinzessin.''

Immer wenn er mich so nannte, ging eine Gänsehaut über meinen Körper. Dieses eine kleine Wort schien eine unheimliche Wirkung auf mich zu haben. Und wenn ich ehrlich sein sollte, war es nicht nur das Wort. Es war der Mann hinter mir.

,,Lysander?''

,,Ja?''

,,Weißt du, dass du mein Ende warst?''

Eine kurze Stille folgte, bevor er sich schließlich zu einer Antwort entschied.

,,Ja, das weiß ich, Zarida.''

,,Zuerst hast du mein altes Leben komplett umgewälzt, bevor du es schließlich und endlich vollkommen beendet hast. Aber nur damit du es weißt: Müsste ich wählen, würde ich mich jedes Mal für das gleiche Ende entscheiden.''

 ,,Und ich würde jedes Mal wieder Jahre lang auf einen solch schönen Anfang wie dich warten, Prinzessin.'' Ich spürte, wie er mir einen leichten Kuss auf die Wange gab und konnte das kleine Lächeln auf meinen Lippen nicht verstecken.

Und in diesem Moment wusste ich, wie ich mich fühlte. Dankbar. Ich fühlte mich dankbar dafür, dass ich einen solchen Menschen, wie Lysander kennen lernen durfte. 

Die Zeit mit ihm verging wie im Flug, während wir über die simpelsten Dinge sprachen. Er erzählte mir mehr von sich, während ich ihm Dinge anvertraute, die vor ihm noch nie jemand wusste.

Es mussten einige Stunden vergangen sein, als er schließlich konzentriert auf das, was vor uns lag, starrte.

,,Wir sind da. Die Grenze ist überschritten.'' Als auch ich mich genauer umsah, wusste ich, dass er recht hatte. Man sah es nicht nur, man spürte es auch. Eine ganz andere Atmosphäre herrschte in dem Nachbarreich. 

,,Weißt du wo wir hin sollen?'', fragte ich.

,,Ja. Kurz bevor ich verhaftet wurde, hatte ich mich mit der Umgebung hier bekannt gemacht. Ich kenne mich also gut aus'', erklärte er. Diese Tatsache beruhigte mich wirklich ein wenig. Immerhin waren wir nicht komplett orientierungslos. Denn obwohl ich in diesem Reich aufgewachsen war - nicht in allen Teilen Rukalis' kannte ich mich aus, wie im Königshaus.

 Es wurde wieder still zwischen uns, doch es war trotzdem sehr angenehm in seiner Nähe zu sein. Ich fühlte mich sicher, wenn er bei mir war.

Gerade als ich meine Augen schließen und für einen Moment diesen kleinen Frieden, den ich in mir spürte, genießen wollte, wurde das Pferd mit einem Mal ruckartig gestoppt, bevor es aufgebracht anfing umherzutrampeln. Sofort riss ich meine Lider auseinander und versuchte den Grund für die Aufregung ausfindig zu machen.

,,Was ist los? Was ist passiert?'', fragte ich.

,,Hier'', hörte ich Lysander beherrscht hinter mir sagen und sah seine Hand, die auf etwas vor uns zeigte. Und da bemerkte ich ihn endlich. Den Pfeil, der direkt vor uns gelandet war und dem wir nur knapp entkommen waren.

,,Oh mein Gott, glaubst du sie haben uns gefunden? Denkst du sie wollten uns treffen?!'', fing ich an panisch mir all die Möglichkeiten auszumalen.

Doch zu meiner Verwirrung schüttelte Lysander nur den Kopf.

,,Nein. Wenn sie uns gefunden hätten, dann wäre kein Pfeil hier gelandet. Sie hätten andere, um einiges effektivere Mittel uns zu fangen.''

,,Was ist dann hier los?!''

,,Krieg, Zarida. Krieg.'' 

ZaridaWhere stories live. Discover now