»vier {✔️}

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Thalia's POV

"Ich schwöre euch", meinte ich mit Nachdruck und fuchtelte wild mit meinen Händen herum. "Heute morgen, das war der gleiche Typ wie in dem Club."
Schon während ich das sagte, spürte ich, dass meine Freunde mir nicht glaubten.

"Also... Erinnerst du dich wieder?" Luke starrte ohne aufzusehen auf die weiße Tischplatte, mit schiefgehenden Kopf betrachtete ich seine angespannte Körperhaltung.

"Nicht an alles", gab ich kleinlaut zu und mir schoss wieder das Blut in die Wangen. Ich hasste es, wenn Leute einen schlechten Eindruck von mir bekamen, und mich wie eine Person zu sehen, die sich regelmäßig bis zum Gehtnichtmehr dem Alkohol hingab, gehörte eindeutig in diese Kategorie. Und zugegebenermaßen war dies schon das zweite mal, dass ich außer an einem heftigen Kater auch noch an Gedächtnisverlust litt, und das war definitiv nicht die Art, wie ich normalerweise lebte.

Aber meine Art, mit Verlust umzugehen.

Seufzend legte ich die Gabel beiseite, an der ein verdächtig großer grüner Krümel hing, die ich mir an der Besteckausgabe aus dem metallischen Behälter rausgefischt hatte, doch bei dem Anblick verging mir der Appetit auf die labberig aussehende Frühlingsrolle.

"Es ist alles ein bisschen verschwommen", fuhr ich fort und sah mich kurz in der Cafeteria um. "Aber ich weiß, was ich gesehen habe."

Durch den Eingang strömten weitere Massen der sich laut unterhaltenden Schüler, der Lärm und die von überall auf mich eindringenden Geräusche bereiteten mir ungeheuere Kopfschmerzen.

"Du meinst also", sagte Clary langsam und schon ebenfalls ihr Tablett beiseite, "Dass dieser unglaublich gut aussehende Typ, der sich die ganze Zeit angestarrt hat dich komische Sachen gefragt hat, die irgendwie gedroht hat und dich stalkt?"

Okay. Aus ihrem Mund klang es wirklich, als wäre ich verrückt.

Und dabei hatte ich ihnen noch nicht einmal von den glühenden Augen und dem Wolf in der Gasse erzählt, vor dem ich geflohen war und dadurch sogar den Kaffee aus der Bäckerei vergessen hatte.

"Lia", sagte meine Freundin nun wieder und blickte mich nun besorgt an. "Es war alles zu viel für dich in letzter Zeit, das wissen wir... Das mit deiner Grandma hat sich sehr mitgenommen. Aber vielleicht solltest du anfangen zu unterscheiden, was nur Einbildung und was Realität ist."

Empört schnappte ich nach Luft und starre sie fassungslos an, ihre Reaktion hatte mich nicht nur tief verletzt, sondern auch wütend gemacht. Den ganzen Tag schien Clary schon so abweisend und zurückgezogen, vor allem zu mir, und ich konnte mir nicht erklären warum, aber das gab ihr lange nicht das Recht voreilig Schlüsse zu ziehen.

"Wenn ich es dir doch sage, dieser Typ hat mich verdammt nochmal sogar verletzt!" Kochend vor Wut zog ich den Kragen meines Pullis so weit runter, dass man den mit einzelnen Blutstropfen getränkten verband, den ich mit Pflastern an meiner Haut befestigt hatte. "Sieht die das etwa nach Einbildung aus?"

Luke zog bei dem Anblick scharf die Luft ein, doch Clary Sand nur ruckartig auf und schob geräuschvoll den Stuhl zurück. "Für mich sieht das aus, als wärst du betrunken in Glasscherben gefallen. Jetzt mal ehrlich Thalia, sieh es ein, dass es dir schlecht geht. Und hör auf, die Aufmerksamkeit immer auf dich lenken zu wollen!"

Sie warf ihre blonden Locken über die Schulter und stolzierte davon, ohne mich nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Die Stimmung in der Cafeteria schien eisig und angespannt, Clarys laute Stimme hatte die Leute an den umliegenden Tischen dazu veranlasst, sich in unsere Richtung zu drehen.

Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt