»fünf {✔️}

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Ich flog.

Hoch in den Himmel, den grauen Wolken und dem Regen entgegen, jeder einzelne Regentropfen kam mir rasend schnell und unaufhaltsam entgegen.
Die Schwerkraft schien nicht mehr auf mich, meinen Körper zu wirken, ich war und fühlte mich schwerelos.

Ich fühlte mich frei.

Zum ersten Mal war da diese Unbeschwertheit in mir, endlich konnte ich mich von allem loslösen. Und ich wusste, was es war - die Freiheit.
Es gab keine Zukunft und keine Vergangenheit mehr, kein vielleicht, nur das Hier und jetzt, die Gegenwart.

Warum erst jetzt?

Ich wandte mich um, und plötzlich spürte ich wieder den kalten, harten Boden unter meinem Füßen, die Kälte brannte sich als einzige durch meine Sinne. Es gab keine Ängste, keine Zweifel mehr, keine Gefühle.

Die Gleichgültigkeit erfüllte mich wie ein flatternder Vogel, der endlich aus seinem Käfig entflohen war, und es tat gut.

Doch es gab da etwas, das sich wie ein Gewicht an mich dranhängen wollte, mich zurück zu Boden zog, mich nicht gehen ließ.
Ich war wie in einer parallelwelt, vor mir sah ich meinen eigenen, leblosen Körper auf dem nassen Asphalt liegen, während mein Geist, das lebendige in mir sich immer wieder in dieses Richtung angezogen fühlte.

Meine glasigen, grünen Augen starrten mir leer entgegen, sie schienen nach mir zu rufen, aus meinem Gesicht war alle Farbe gewichen.
Die kühlen Regentropfen flossen an meinen Wangen hinunter, als wären sie Tränen.

Wie von unsichtbaren Fäden gesteuert ließ ich mich auf den Boden sinken, spürte die raue Straße unter meinen Fingern, die mit meinem eigenen Blut getränkt war und senkte dann meinen Rücken auf den steinharten Boden.

Als ich meinen Kopf zur Seite drehte und in mein eigenes, lebloses Gesicht blickte entwich mir ein unsichtbarer Atemhauch, langsam streckte ich meine starren Finger aus.

Und für einen winzigen Moment stand die Zeit still, und schien mich nicht mehr mit sich reißen zu wollen.

Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt