31. Hoffnung

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"Wenn ich mich nicht bis zum nächsten Neumond ausliefere, stirbt sie."

Es tat mir in der Seele, ihm diese Worte ins Gesicht zu sagen, doch weiter konnte ich sie nicht zurückhalten. Ich atmete tief durch und fühlte mich, als hätte man mir eine schwere Last von den Schultern genommen. Abwartend sah ich Antonio an und machte mich auf seine Reaktion gefasst.

Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben, er blinzelte, ein Mal, zwei Mal.

"Nein...nein", murmelte er aufgelöste und drehte sich mit dem Rücken zu mir. Ich sah, wie sich unter seinem T-Shirt seine Muskeln anspannten, während er im Raum auf und ab lief. Dann sah er mich wieder an, seine Augen funkelten gefährlich. "Thalia, sag mir, dass du das nicht vorhattest."

Er kam auf mich zu, und ich senkte unter seinem Blick den Kopf. Doch, genau das hatte ich vorgehabt.

Antonio hob mit einer Hand leicht meinen Kopf an, damit ich ihn ansehen musste. "Sag mir, dass das nicht dein Plan war."

Ich schluckte und sah ihn flehend an. "Bitte", flüsterte ich dann. "Sie ist meine Mutter. Mach es mir nicht noch schwerer, als es jetzt schon ist."

Er ließ mich los und trat mehrere Schritte zurück, dann drehte er sich um. "Verdammt!", fluchte er und schlug mit der geballten Faust auf den Küchentisch, dann stütze er sich auf der Tischplatte ab.

Leise lief ich zu ihm hin und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. Er erzitterte unter meiner Berührung und löste seinen Blick vom hellen Holz. "Ich wünschte, ich hätte eine andere Wahl. Aber die gibt es nicht."

Es tat so weh, das zu sagen, aber es war die Wahrheit. Ich wollte ihn in den Arm nehmen, seine Nähe spüren, ihm sagen, dass alles gut wird, aber das wäre eine Lüge. Ich widerstand dem drang, ihm um den Hals zu fallen und kaute nachdenklich auf meiner Unterlippe herum.

Antonio sah mir tief in die Augen. "Es gibt immer einen anderen Weg", sagte er bestimmt.

Kurz machte sich Hoffnung in mir breit, doch ich schob den Gedanken beiseite. Ich war an einem Punkt in meinem Leben angelangt, an dem es nur zwei Möglichkeiten gab: Leben oder Sterben. Oh ja, ich hatte die Wahl. Schuld am Tod meiner Mum zu sein oder sich für sie Opfern.

Mein Entschluss stand fest. Traurig schüttelte ich den Kopf. "Nein, nicht in diesem Fall."

Einen Moment lang sahen wir uns schweigend an und ich atmete tief durch, doch bevor ich wieder meinen Mund aufmachen konnte zog er mich an sich. Überrascht schnappte ich nach Luft, doch dann entspannte ich mich in seiner Umarmung und legte meinen Kopf auf seine Schulter.

"Was auch immer du vorhast, ich komme mit dir", murmelte er in mein Haar. "Bis Neumond bleiben uns noch knappe zwei Wochen, elf Tage. Wir werden das schaffen und deine Mum befreien." Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: "Ich werde dich nicht gehen lassen. Nicht jetzt."

Ich schloss die Augen und genoss den Augenblick, den perfekten Moment des Glücks.

Ich genoss seine Nähe seine Wärme, das leichte Kribbeln das sich in meinem Körper breitmachte.

In mir keimte Hoffnung auf, ein schwach glühender Funken.

Und eine Frage ließ mich nicht los: Würde ich jetzt noch in der Lage sein, ihn zu verlassen?

Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt