Karma

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,,Lass mich raus! Ich schwöre dir, ich komme dich in deinen schlimmsten Träumen besuchen wenn du nicht sofort die Fesseln löst und diese verdammte Tür aufschließt!" Natürlich passierte nichts. Was hatte ich erwartet? Das sie hereinspaziert kämen, sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen und mich ausführen bevor sie mich mit einer goldenen Kutsche bei Thomas absetzten? Lachhaft. Wie komme ich nur immer auf diese beschissenen Gedanken?
,,Du mieser Verräter!", probierte ich es nochmals. Nichts geschah aber wenigstens wurde ich so meine Aggressionen los. Wenigstens etwas. ,,Wie konntest du mir das antun? Wie schaffst du das Thomas zu verraten?" ,,So wie du Jay? Deinen Bruder?", hallte es von draußen. ,,Das ist was komplett anderes", protestierte ich. ,,Verrat ist Verrat. Ob es dir passt oder nicht. Wir sitzen im gleichem Boot." Denkste. ,,Eher gehe ich unter als mit dir in ein Boot zu steigen!", schrie ich wieder. Eigentlich wollte ich bloß Zeit schinden. Es musste doch einen Ausweg geben. Der Stuhl? Metall. Ganz toll. Wie soll ich den kaputt kriegen? Die Antwort: garnicht. Die Testen dich nicht so wie Thomas und der Verräter. Und die wollen dich nicht dabei haben. Die knallen dich einfach ab. ,,Das war doch nur eine Metapher", verteidigte er sich. Ach ne echt? ,,Ich bin ja nicht blöd!" ,,Sicher?" Das war nicht Dylan. ,,Dann sag mir mal warum du ihm in eine dunkle Gasse ohne Handy oder Verstärkung gefolgt bist." Ja ich bin dämlich, hab's ja verstanden. ,,Ich bin halt Abenteuerlustig. Was dagegen?"
Ich schaute mich im Raum um. Nicht mal Fenster gab es. Ein Keller vielleicht. So oder so, aussichtslos so lange diese Tür dort, verschlossen war. Und ich hatte so das Gefühl, dass sie das auch noch etwas bleiben würde.

Ich hatte recht. Zehn Stunden. Zehn verdammte Stunden voller tödlicher Langeweile und Magenknurren. Ich hatte Hunger und zwar so richtig. Das war aber nicht mein einziges Problem. Mir war zum Sterben öde. Die Fesseln schnitten sich bei jedem fehlgeschlagenem Fluchtversuch nur weiter in mein Fleisch. Meine Gedanken beruhigten mich genauso wenig. Thomas. Suchte er mich schon oder war es ihm egal? Würde er mich auch einfach so im Stich lassen? Wenn, dann würde ich ein Rachefeldzug planen. Ok stopp. Er wird dich hier rausholen.
Aber so sehr ich es mir auch einredete, nach zehn Stunden nichts tun, gewinnt deine innere Stimme einfach. Dann hat sie die Oberhand. Es war mittlerweile soweit und ich verzweifelte daran. Warum war ich auch so ein Pessimist? Könnte mit dem Verrat meines eigenen Bruder zutun haben...

,,Na komm", ertönte wieder die fremde Stimme von draußen. ,,Lass uns Tommy mal von seinem Leid erlösen und ihm erzählen wo die Kleine ist." Kleine? Voller Wut strampelte ich umher, trat um mich. Natürlich kam ich nicht frei aber meine angestaute negative Energie konnte sich verpissen. Einziger Nachteil waren jedoch die Fesseln. Ich keuchte einmal schmerzerfüllt auf, als sie meine Haut ein weitere Stück aufrissen und in der offenen Wunde liegen blieben. Es brannte einfach nur höllisch. Ich biss die Zähne zusammen. Ich durfte nicht schwach werden und vor allem nicht wegen einer simplem Verletzung. So weit würde es noch kommen. Aber ich denke es wird keine äußerliche Verletzung sein, die mich zu fall bringt. Die Enttäuschung wenn ich die Kugel in den Kopf gejagt kriege. Er wird nichts unternehmen. Er kann nicht alle wegen mir in Gefahr bringen. Das Wissen er und ich.
Reiß dich mal zusammen! Ich atmete einmal tief ein und spannte alle meine Muskeln an. Wenn er es nicht schafft dich zu befreien, dann tu es gefälligst selbst! Du endest nicht in einem verrottetem Keller, abgeknallt und verraten. Ich würde einen Weg hier raus finden.

Vierundzwanzig Stunden genau. Einen gesamten Tag. Nichts war passiert. Ich hatte Durst. Mein Magen hatte es mittlerweile aufgegeben Proteste von sich zu stoßen. Die Luft wurde immer stickiger und geschlafen hatte ich auch nicht. Wenn ich mich nicht täusche, ist meine Verletzung entzündet. So fühlt es sich jedenfalls an. Ein reißender Schmerz durchzuckt mich sekündlich. Aber aufgeben wollte ich nicht. Noch nicht. Da muss schon mehr passieren als erschwerte Lebensbedingungen.
Dennoch wollte ich hier endlich raus. Was mich am meisten aufregte war die flackernde Lampe an der schmutzigen Decke. Eine Zeit lang habe ich versucht, die Abstände zwischen den Ausfällen zu zählen. Nach einer Stunde wurde mir das aber irgendwann auch zu langweilig. Das die aber mir nichtmal einen Fernseher reinstellen konnte. Ok war wahrscheinlich nicht gerade typisch für eine Entführung.
Und dann endlich passierte etwas. Laute Schüsse waren von draußen zu hören. Schreie hallten durch den Gang. Ein abartiges Lächeln zierte meine Lippen. Ich nenne sowas Karma. Die Tür wurde aufgetreten und mein Grinsen verschwand. Dylan rannte zu mir rein und zückte ein Messer. Na warum nicht? Ich strampelte und wollte ihn treten, kam nur leider nicht an ihn ran. ,,Aura bitte", flehte er. ,,Ich hatte keine Wahl." ,,Man hat immer eine Wahl! Jetzt mach mich gefälligst los!" Zu meinem Erstaunen gehorchte er. Ich schrie einmal auf, als das kalte Metall meine aufgerissene Haut berührte. Er hatte keine andere Möglichkeit. Er musste zwischen die Fesseln und meine Haut kommen. Ich biss mir auf die Zunge als er ansetzte und die Schneide mit einem Ruck durchzog. Ich schmeckte einen leicht Metallischen Geschmack im Mund. Super, jetzt habe ich mir echt die Zunge aufgebissen. Ich wollte aufspringen und losrennen aber alles wurde schwarz und ich fiel einfach um. Mühselig rappelte ich mich wieder hoch und ignorierte die schwarzen Punkte, die mir regelrecht auf der Nase tanzten. Einfach nur raus hier. Ich schwankte ein wenig und Dylan fing mich auf. Ich riss mich sofort los und funkelte ihn böse an. Diese Freundschaft war eindeutig beendet. Ich kniff meine Augen zusammen und schüttelte meinen Kopf. Als ich sie wieder öffnete sah ich Thomas vor mir stehen. Er hatte mich nicht im Stich gelassen. Ich fiel ihm um den Hals. Eine einzelne Träne rollte aus meinem trockenem Auge. ,,Na los. Lass uns verschwinden." So eine gute Idee hattest du ja schon lange nicht mehr. Ach der Zombie meldet sich wieder. Hab dich schon vermisst.

Ich stolperte Thomas hinterher. Ok hier wäre ich nie alleine rausgekommen. Das ist ein Gängelabyrinth vom feinsten. Ich muss schon sagen. Seine Leute hatten wirklich saubere Arbeit geleistet. Überall lagen die Leichen meiner Entführer herum. Das Blut der verzweifelten Versuche zu fliehen, klebte wie ein Mahl an der Wand. Und mir gefiel es verdammt gut. Keine fünf Minuten später, saßen wir in einem der Van's auf dem Highway. Freiheit. Es könnte jetzt so schön sein wenn nicht dieser Verräter vor mir sitzen würde. Ich funkelte ihn böse an. Das Auto ruckelte ein wenig als wir etwas später über Kopfsteinpflaster fuhren. Thomas nahm meine Hand. ,,Ist irgendwas?" Ich ließ meinen Blick nicht von Dylan. ,,Ja und wie. Der da", ich zeigte auf Dylan, ,,ist ein Verräter. Er hat denen alles gesteckt. Ich bin ihm gefolgt und habe ihn belauscht. Er stand vor meiner Tür und hat mich bewacht." Thomas schaute mich verwirrt an. Er wollte gerade etwas sagen, da fuhr Dylan ihm dazwischen. ,,Das stimmt doch garnicht! Ich war die ganze Zeit bei Thomas." Das kann ja wohl nicht wahr sein. ,,Wieso lügst du?" ,,Tu ich nicht!" Also irgendwie komme ich mir gerade vor wie im Kindergarten. Nur, dass unsere Situation etwas ernster ist.
,,Aura", mischte sich Thomas ein. ,,Es stimmt. Er war bei mir. Den ganzen Tag und hat dich gesucht. Ich hab ihn nicht aus den Augen gelassen." Entsetzt starre ich ihn an. ,,Heißt das, du glaubst ihm mehr als mir?" Er will es nicht aussprechen aber so ist es. ,,Ich habe nur die Fakten. Und die sprechen, so leid es mir tut, für Dylan." Ok das wars. In mir explodierte gerade eine Bombe. Ich hämmerte gegen die Fahrerkabine und schrie ihm zu: ,,Halt an!" Der Wagen stand noch garnicht da riss ich auch schon die Tür auf und sprintete hinaus in die Dunkelheit. ,,Aura wo willst du hin?" ,,Ich kann dich grade nicht sehen. Ich brauche jetzt einfach frische Luft." Und schon war ich hinter der nächsten Ecke verschwunden.

,,Ahhhh!" Fluchend trat ich den Müll durch die Gegend. Dieser Idiot! Anscheinend bin ich ihm ja doch nicht so wichtig wie ich dachte. Oder wie er behauptet hatte. Ich liebe dich, jaja. Das ich nicht lache. Nen Teufel tust du. Warum glaubt er Dylan mehr als mir? Ich war ja wohl die Gefangene. Ich hätte es mir gleich denken können. Mag ja sein das er etwas für mich empfindet aber die Gefühle können ja offensichtlich nicht so stark sein. Ich habe mich blenden lassen. Ich hätte es wissen müssen. Ein Happy End gibt es nur in Märchen. Irgendeiner stirbt doch immer. Und genau dafür werde ich sorgen.

Ich wusste genau wo ich hin musste. Auch wenn ich zwei Stunden zu Fuß brauchte, war es ok. So konnte ich mir mein Vorhaben nochmal durch den Kopf gehen lassen. Aber um so weiter ich nachdachte um so stärker wurde mein Entschluss. Die kühle Luft war wenigstens etwas angenehm für meine brennenden Wunden.

Ich war angekommen. Die Lagerhalle ging im Sonnenlicht auf. Irgendwo sah das ja schon echt schön aus. Drei Jungen standen vor der Tür und unterhielten sich angeregt. Alles wie immer. Nathan, Isaac und Tommy. Die drei waren die jüngsten und somit auch meine nächsten Freunde. Wenn man die Beziehung die wir pflegen überhaupt 'Bekannte' nennen konnte. Ich schritt geradewegs auf sie zu und räusperte mich um auf mich aufmerksam zu machen. Ihnen fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. ,,Aurora?" Ich nickte nur. Was sollte ich sonst sagen? ,,Scheisse man!" Und dann landete ich in einer Umarmung. Wow Nathan, was ist denn mit dir los? Isaac löste sich aus seiner Starre und rannte in die Lagerhalle. Recht so. Sag Jay das ich wieder da bin.

Die Angst der Adler✔️Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora