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"Ist alles okay bei dir?", fragt Mr. Jacobs mich.

"Ja. Ich warte nur bis der Regen etwas weniger wird", antworte ich mit einem Lächeln.

Einem gespielten lächeln.                                                                                                                                           Aber was soll ich ihm sagen? Dass es mir scheiße geht und ich gerade versuchen wollte, mich umzubringen?

Er nickt und schaut in den Himmel.

"Ich werde dann mal weiter laufen. Wir sehen uns dann in der Schule."

Ich winke ihm zu und er läuft dann weiter. Innerhalb von wenigen Sekunden ist er dann auch verschwunden und ich bin wieder ganz alleine.

Eigentlich sollte ich schon vor Stunden wieder zu Hause sein, und eigentlich wollte ich ja nicht mehr nach Hause gehen, aber umso länger ich weg bleibe, um so schlechter geht es mir. Ich will einfach nur aus meinen nassen Klamotten raus, eine heiße Dusche nehmen und mich in mein Bett legen und so tun, als würde ich nicht existieren.

Also stehe ich auf, binde meine Schuhe fest und beginne nach Hause zu laufen. Es ist schon dunkel und einer der Sachen, vor dem ich mich am meisten fürchte, ist die Dunkelheit.

Ich schaue einfach zu viele Horrorfilme.

Kurz bevor ich an unserer Straße ankomme, höre ich auf zu laufen und gehe den Rest des Weges. Ich nehme meine Schlüssel raus und betrete das Haus. Bevor ich hoch gehe, gucke ich noch in dem Briefkasten, der jedoch leer ist.

So leise wie möglich öffne ich die Tür und schließe sie sogleich wieder. Es brennt kein Licht, und weil ich meine Mutter nicht aufwecken möchte, entscheide ich mich dafür erst morgen zu duschen, und mich jetzt einfach nur umzuziehen.

Sobald ich meine Zimmer Tür geschlossen habe, mache ich das Licht an und befreie mich von meinen Klamotten, die auf meiner Haut kleben.                                                                                                   Nachdem ich mich auf mein Bett geworfen habe und mich in meiner Decke eingekuschelt habe, hole ich meinen Laptop raus und schaue mir ein paar Folgen einer Serie an, die ich momentan schaue. 

Wieso kann mein Leben nicht so sein? 

Wieso kann bei mir nicht alles so reibungslos verlaufen, wie hier?

Ich meine, ich bin zufrieden. Ich kenne es nicht anderes, aber ich hätte es gerne anderes kennengelernt. Ich wäre gerne in einem großem Haus mit Garten aufgewachsen und ich hätte mir gerne mehr Klamotten leisten wollen können, aber so spielt das Leben einfach nicht.

Vielleicht ist es auch gut, dass ich so aufwachse, damit ich später, wenn ich Erwachsen bin, die Sachen zu schätzen weiß. Vielleicht ergibt es alles ja einen Sinn, den ich jetzt noch nicht verstanden habe, nicht hundert Prozentig. 

Ich schaue mich noch auf einigen Social Media Plattformen um, und als ich dann auf Facebook bin und sehe, dass die Kommentare unter dem bearbeiteten Bild von Sarah immer noch nicht aufgehört haben, beschließe ich das einzig richtige zu unternehmen. Denn es hilft nichts ihr zu sagen, dass sie damit aufhören soll und dass sie das Foto löschen soll, denn das macht sie sowieso nicht.

Also lösche ich meinen Account. 

ShyWhere stories live. Discover now