16. Einsame Schwestern

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Coach Rivas betrachtete mich gefühlte Stunden lang mit einem skeptischen Blick, bevor er mich schamlos abcheckte. Anschließend nickte er und leicht lächelnd. Hieß das, ich hatte den Fitnesstest bereits bestanden?

„Du kannst zum Training am Mittwoch kommen. Es ist eigentlich nicht Pflicht, in den Ferien zu erscheinen, aber wir haben in drei Wochen ein wichtiges Spiel und wenn du dich beweist, könntest du vielleicht den ein oder anderen problematischen Schüler ersetzen", er schien kurz in Gedanken zu schwelgen, ehe er nickte. „Ja, das Fußballteam hat dieses Jahr echt nachgelassen. Bereits drei Spieler mussten wir ersetzen. Dem Basketballteam geht es aber prächtig, nicht wahr, Coach?"

Grinsend wandte er sich an Morgan, welche lächelnd nickte. „Das wird schon noch. So wie ich Carter im Unterricht erlebt habe, kann ich dir versichern, dass er nicht viel brauchen wird, um dich zu überzeugen."

„Oh, in diesem katastrophalen Semester sollte das keinem schwerfallen", lachte er verbittert und reichte mir dann plötzlich die Hand. „Mittwoch, 12 Uhr mittags, hier. Ich freue mich."

„Danke, Sir", ich schüttelte seine Hand und drehte mich um, als er nickte. Schnell eilte ich zu Amor und betrachtete ihn misstrauisch.

„Gibt es einen Grund, weshalb sie so positiv über mich redet?"

Er blickte hinter mich, zu seiner Freundin, und schmunzelte dann. „Kann sein."

„Was hast du ihr gesagt?"

„Nur nettes", er grinste, doch als Callum plötzlich nach uns rief, versuchte er ein gleichgültiges Gesicht aufzusetzen.

„Warum seid ihr so glücklich?", fragte dieser dennoch und ließ sich müde auf die Bank fallen. Amor räusperte sich und zwang mich, zu antworten.

„Ich, ähm, werde dem Fußballteam beitreten."

„Oh, echt?", Callum schien ziemlich erfreut. „Wenigstens ein Amor, der uns nicht hängen lässt."

„Glaube ich", fügte ich murmelnd hinzu. „Aber ich denke mal, das wird schon hinhauen."

„Also kommst du am Mittwoch zur Probe?"

Ich nickte. „So sieht's aus."

* * *

Es waren circa 10 Minuten vergangen, seitdem Julie mir geschrieben hatte, dass sie gleich am Auto sein würde. Seitdem herrschte Funkstille und ich wartete hier unglaublich gelangweilt.

Bis meine Retterin in Not ans Fenster klopfte. Als ich aufblickte entdeckte ich Manon, welche lächelnd die Beifahrertür öffnete und sich zu mir setzte.

„Hey, Carter."

Lucien schlich in meine Gedanken und somit auch seine Worte von gestern, sodass ich ihn innerlich verfluchte, während ich ein „Hi" murmelte. Manon musterte mich nur und nahm anschließend tief Luft.

„Riana hat mir heute ihre Liebe gestanden", seufzend strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Sie ist lesbisch, das ist zwar kein Geheimnis, aber sie gibt mir Nachhilfe. Irgendwie habe ich länger schon geahnt, dass sie etwas von mir will. Deswegen hat sie mir am Samstag auch so Leid getan. Ich wollte nicht, dass sie mich in dem Zustand mit jemandem erwischt, den sie niemals ersetzen könnte. Dafür hab ich sie zu gern."

Ich brauchte einen Moment, um ihre Worte zu verarbeiten und nickte anschließend langsam. „Werdet ihr... euch noch weiterhin sehen?"

Manon spitzte kurz die Lippen und schüttelte anschließend den Kopf. „Riana ist ein toller Mensch, aber ich kann das nicht. Und sie wahrscheinlich auch nicht."

Mit diesen Worten beugte sie sich vor und gab mir einen Kuss auf den Mund. Flüchtig lächelnd öffnete sie wieder die Tür. „Wir sehen uns dann auf der Party."

Ich nickte nur und zwang mir ein Lächeln auf. Manon stieg aus und eilte davon, da fiel mir die Sache mit dem Cheerleading ein. Doch Julie meinte gerade dann auch endlich vor Ort aufzukreuzen, sodass ich das lieber auf heute Abend verschob.

„Ich sage jetzt nichts dazu, dass sie gerade hier gesessen hat", murmelte sie resigniert und warf sich seufzend neben mich. „Fahr los, Carter."

Wow. Da verzichtete jemand sogar auf das Zauberwort, was eigentlich nichts Gutes bedeuten konnte. Ich startete den Motor und blickte sie von der Seite an.

„Was ist los, Schwesterherz?"

Jules seufzte erneut und zuckte die Achseln. „Ich bin so allein, obwohl du hier bist. Elaine wurde für heute entschuldigt und Daniel ging es auch nicht so gut. Angeblich. Ich bin mir sicher, dass er für sie geschwänzt hat. Jake wiederum ist schon lange nicht mehr mein Freund und Linda fand es wichtiger den Kontakt zu ihm zu behalten, als meine Freundin zu bleiben. Ich wäre sogar armselig genug wieder mit ihr befreundet zu sein, wenn sie doch nur wollen würde. Manon ist sowieso blöd und Louis so hübsch, aber dasselbe denkt er nicht ansatzweise über mich. Ich habe heute in der Pause mit Cyell abgehangen! Und der liebt es allein zu sein, aber ich war zu egoistisch, um mich woanders hinzusetzen. Sam ist jetzt mit Eric zusammen und knutscht durchgehend mit ihm, sodass ich es keine zwei Minuten mit den beiden aushalte. Und was macht mein Bruder? Er findet in zwei Wochen mehr Freunde als ich in vier Jahren und ignoriert mich komplett!"

Verletzt strich sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel und blickte weg. Ich war gar nicht losgefahren vor Verwunderung und starrte sie sprachlos an.

„Was willst du machen?"

Julie blickte verwirrt auf und schob die Unterlippe vor. „...Wie meinst du das?"

„Soll ich dich zu Susan fahren? Oder wollen wir gemeinsam was machen?"

Ich hatte keine Ahnung, was in mich gefahren war, aber sie schien positiv überrascht und lächelte leicht. „Können wir zusammen einkaufen gehen?"

O mein Gott. Nein. Bitte nicht.

„Mein Kostüm ist nichtmal ein richtiges Kostüm. Elaine geht als Zombie, Daniel wird ganz klassisch Frankenstein sein und Eric und Sam werden als Aladdin und Jasmine kommen. El hat für mich ein blutiges Tinkerbellkostüm zusammengestellt, aber das ist mir etwas zu freizügig."

Ich seufzte und wand mich innerlich, doch mir war klar, dass ich zustimmen musste. „Okay... aber nicht länger als eine Stunde."

Julie lächelte breit und obwohl ich innerlich darauf vorbereitet war, jubelnd angesprungen zu werden, bekam ich nur eine halbe Umarmung. Diese Sache schien sie wohl echt zu bedrücken, aber ich konnte nicht meckern. Viel eher war ich froh, dass sie derart scheinbar belanglose Probleme hatte und mir nicht mit einem positiven Schwangerschaftstest ankam.

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