zickzack - blut

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Mit den Ellenbogen stützte er sich auf seiner Schreibtischplatte ab. Der Kopf war in die Handflächen gelegt, die Lider wurden mit jeder weiteren Minute, in welcher er sich in dieser Position befand, immer und immer schwerer. Es kostete ihm mehr Kraft, als er eigentlich besaß, sich weiter auf den Stream, seine Zuschauer, und vor allem Veni zu konzentrieren. Seine Stimme drang fast ununterbrochen an seine Ohren, doch wirklich mitbekommen, was er sagte, tat er nicht. Sein Kopf rutschte immer weiter aus seinen Händen, drohte auf dem Tisch aufzuschlagen, doch in letzter Sekunde riss Basti seine Augen wieder auf, blinzelte einige male, um wieder einigermaßen scharf sehen zu können. „Basti, alles gut bei dir?", hörte er Veni besorgt fragen. Mehr als ein leises „hmm?" kam allerdings nicht über seine Lippen. Er war im Moment absolut nicht mehr aufnahmefähig. Dies löste bei dem Österreicher nur noch mehr Besorgnis aus. Seit bestimmt über fünf Minuten hatte er mit Basti geredet und nicht ein einziges Mal eine Antwort von ihm erhalten.

Kurz hatte er gedacht, dass Basti überhaupt nicht mehr da sei. Was war nur los mit ihm in der letzten Zeit? Er verhielt sich -vor allem ihm gegenüber- immer ungewöhnlicher, abweisender. Er merkte sofort, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Es kam ihm so vor, als würde sich sein Freund immer weiter zurückziehen. Erst recht, wenn es ihm nicht gut ging. „Ob bei dir alles gut ist, habe ich gefragt", wiederholte Veni seine Frage zum bestimmt fünften Mal. „Jaja alles gut, bin nur etwas müde", bekam er gleich darauf als Antwort. „Hab einfach nicht gut geschlafen, aber sonst geht es mir gut", hängte Basti noch dran. Es war die Art von Antwort, die er sich nicht erhofft hatte, mit der er fast schon gerechnet hatte. Es war die Antwort, die er immer bekommen hatte, wenn er nachgefragt hatte, wie es ihm ging und er wusste, dass sie eine glatte Lüge gewesen war. Ein enttäuschtes Seufzen verlies seine Lippen, welches dem Berliner zur Abwechslung mal nicht entging. Er wusste ganz genau, auf was das bezogen war. Er wusste sofort, dass Veni Bescheid wusste. Veni wusste, dass Basti gelogen hatte. Verzweifelt kämpfte der Berliner gegen die aufsteigenden Tränen an, versuchte sich mit einem Themawechsel abzulenken. Es funktionierte besser als erwartet, Veni ging sofort darauf ein, fragte nicht weiter nach und dafür war Basti unendlich dankbar. Ein Grund mehr warum er ihn so sehr liebte. Rafael verstand sofort, wann der richtige Zeitpunkt war, um nicht weiter nachzufragen. Er schaffte sich wieder einigermaßen zu sammeln, seine Emotionen sowie seine Müdigkeit wieder in den griff zu bekommen. Die Stunden vergingen und sie verabschiedeten sich von ihren Zuschauern.

Der Stream war aus und ehe Veni noch irgendetwas sagen konnte, verabschiedete sich Basti mit wenigen Worten und war auch schon aus dem ts verschwunden, hinterließ einen einsamen und verzweifelten Veni. Dieser starrte für einige Minuten regungslos auf den Bildschirm, sein Gehirn lief auf Hochtouren. Warum tat Basti sich das selber an? Der ganze Stress, den er sich selber machte, würde ihn früher oder später zerstören und ihm schien es komplett egal zu sein. Mit seinen Händen fuhr er sich durch die Haare. Er wollte ihm so gerne helfen, doch er war nahezu machtlos. Zu viele Kilometer trennte Veni von Basti. Er schaute auf die Uhr, wenn er jetzt losgefahren würde, wäre er gegen frühem Morgen bei ihm. Keine halbe Stunde später saß er bereits hinterm Steuer, auf dem Weg nach Berlin, zu Basti, welcher immer noch an seinem Schreibtisch saß. Für einen kurzen Augenblick erlaubte sich Basti seine Augen zu schließen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Sofort wurde sein Körper von einem ungewohnten, aber angenehmen Gefühl geflutet. Ein Gefühl, welches er lange nicht mehr gespürt hatte. Mit dem Öffnen seiner Augen, verschwand es allerdings so schnell es gekommen war auch wieder. Er richtete sich vollends auf und versuchte sich wieder auf den Bildschirm zu konzentrieren. Egal wie unendlich müde er war, konnte er sich noch keine Pause erlauben. Dafür hatte er noch viel zu viel zu tun. Weitere vier Stunden verstrichen, in welchem er sich Ideen für neue und schwierigere Challanges überlegte und die nächsten 24 Stunden Streams plante, welche im nächsten Monat anstanden. Ein Blick auf die rechte untere Ecke seines Bildschirms verriet ihm, dass es bereits weit nach fünf Uhr nachts war. So lange war er gestern und an dem Tag davor auch wach geblieben. Und dies bekam er immer mehr zu spüren, der Schlafmangel machte ihn fertig. Basti war am Ende, doch der Stress war größer und er stellte damit den Schlaf ganz weit hinten an.

Aus dem Nichts machte sich ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend breit, dieses intensivierte sich innerhalb von wenigen Sekunden um ein Vielfaches und führte schließlich dazu, dass Basti von seinem Stuhl hochfuhr, ins Bad sprintete und sich übergab. Es dauerte nicht lange, bis sein Magen nichts mehr hergab. Träge öffnete er seine Augen, er betätigte die Spülung und richtete sich wieder auf. Er spülte sich noch einige Male den Mund aus, um den metallischen Geschmack von Blut aus seinem Mund zu bekommen, ehe er sich wieder vor seinen Bildschirm setzte und weiterarbeitete, so als wäre nichts passiert. Mittlerweile war es für ihn nichts mehr besonderes, dass er sich übergab. Es passierte täglich, manchmal sogar mehrmals und seit einigen Tagen war auch Blut dabei, doch auch daran hatte er sich gewöhnen können. Schließlich wusste er ganz genau an was es lag, weswegen er sich sicher war, dass es wieder aufhören würde, sobald der Stress weniger wird. Die Zeit verging schleppend und Basti hatte das Gefühl, er würde sich nur auf der Stelle bewegen, nicht voran kommen. Am Horizont sah man bereits die ersten Sonnenstrahlen, als Basti endlich seinen Computer runterfuhr, sich im Bad umzog und sich endlich Schlafen legte. Vorher stellte er sich allerdings noch den Wecker. Drei Stunden Schlaf würden doch wohl ausreichen. Er war grade dabei endlich seinen erlösenden Schaf zu finden, als er durch das Klingeln an seiner Hautür wieder hochschreckte.

2. teil gibts bei emmi_the_turtle peepohappy

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