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Vor Schreck zuckte ich etwas zurück. Doch Lex schien kein wirkliches Problem mit der Situation zu haben. Mit Leichtigkeit zerriss er die Schnüre des Netzes und befreite sich. Seine zuvor wütenden Augen wurden plötzlich komplett leuchtend weiß. Er schnellte auf Veni zu und stürzte ihn zu Boden. Ich traute mich kaum noch zu atmen. Seine Flügel waren demonstrativ ausgebreitet. Er kniete auf Venis Oberkörper, während seine linke Hand ihn am Hals würgt. Seine rechte war zu einer Faust geformt und aus dem Zeigefingerknöchel kam auf einmal eine Klinge. Wie bei einem Superheld. Erst jetzt realisierte ich, was das heißt. Nein, ich wollte keinen Mord mit ansehen müssen.

Gerade wollte ich mich wegdrehen, da traf ein Pfeil Lex direkt am Hals. Eine Betäubungsspritze. Aus dem Wald traten nun noch mehr Soldaten raus. Der Seraph musterte sie wütend, versuchte sichtlich sich gegen die Substanz zu wehren, doch es half alles nichts. Er kippte zur Seite und rollte, mit geschlossenen Augen und schlaffen Gliedern, neben Venis Körper. Mein Atmen fand langsam seinen Weg zurück. Genauso wie eine unbeschreibliche Wut. Veni rappelte sich auf und klopte sich den Schnee vom Hintern. Er machte einen auf stark, doch seine Beine zitterten immernoch vor Angst. Sofort fingen die Männer an Lex zu fesseln. Hilfe suchend blickte ich zu Fabo und Stegi, die jedoch genauso keine Worte zu finden schienen. Sie fesselten seine Hände, Beine, Füße und sogar seine Flügel. Oh, seine armen, göttlichen Flügel.

„Veni, bitte lass es bleiben" Endlich bekam ich wieder Worte aus meinem Mund. „Wüsste nicht warum" „Das ist kein Tier. Es gehört nicht in Gefangenschaft" „Weißt du eigentlich wie viel Geld ich damit machen kann?", antwortete er trotzig. Genau das war der Veni, den jeder so verabscheute. Warum er überhaupt General wurde, wusste niemand. „Es wird dich umbringen", gab ich als Argument. Am liebsten hätte ich ihn umgebracht. Er lachte nur abwertend, bevor er die angebrachten Fesseln nochmal fester zog. Alles in mir zerbrach, als dabei ein Knochenknacken zu hören war. Wie gern ich Veni jetzt den Hals umgedreht hätte. „Ihr kommt mit in die Stadt", ordnete er uns dreien an. „Nein, nicht für soetwas" „Das ist ein Befehl!", schrie er. Als Mitglieder der Armee mussten wir Befehle des Generals natürlich befolgen. Uns blieb keine Wahl.

Wir setzten also unsere Rucksäcke auf und folgten den anderen zur Stadt. Der Fußmarsch erstrecke sich schier ewig. Zwei Männer trugen Lex an Händen und Füßen, wodurch seine Flügel am Boden schliffen und ich mit Mordgedanken kämpfen musste. Warum merkte denn niemand wie falsch das war? Ein gottgleicher Engel. Selbst wenn es keiner wäre, ein normaler Mensch, wäre es immernoch nicht gerechtfertigt. Er wollte ihn verkaufen, als Haustier. Als Schoßhündchen. Etwas, was er offensichtlich nicht war. Was er gar nicht sein könnte. Auf dem Weg dachten wir alle drei an ihn, der da so hilflos an Händen und Füßen geschleppt wurde. Wir sahen uns gegenseitig an, versuchten uns ein Lächeln abzuringen, doch das erwies sich als nicht möglich. Wir wussten alle, wie viel Leid Lex erlitt. Und der Schmerz über diese Ungerechtigkeit fühlte sich wie eine riesige Betonmauer an, die sich in unseren Bauch wuchs.

Wir marschierten durch den Schnee bis wir das Ende der Waldfläche erreicht hatten. Mittlerweile war es bereits früher Morgen; einzelne Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg auf die Erde. Lex wurden inzwischen noch zwei weitere Spritzen gegeben, damit er auf dem Weg ja nicht aufwacht. Wir betraten die Arena, welche mit Metallstäben umringt war. Der einzige Weg hinaus war das Tor. Zu meiner Überraschung begrüßte uns das ganze Volk und wartete sehnsüchtig. „Habe schon etwas vorraus geplant", murmelte Veni auf meinen verwunderten Gesichtsausdruck. Dieses Arschloch.

Kaum betraten wir die Arena, flackerten Lex' Augenlider. Er wurde in die Mitte des Platzes abgestellt. Es schien immernoch benebelt zu sein, denn es machte keine Anstalten sich zu bewegen. Seine Augen bekam er nicht richtig auf und er lag nur schlaff am Boden. „Meine verehrten Mitmenschen, hört mich an" Venis Stimme hallte durch die Arena und sorgte für Ruhe. Das Volk stand hinter den Metallstäben. „Ich darf euch heute einen Seraph präsentieren. Eine Mythe, wie man meinte. Wie ihr sehen könnt, ist diese Annahme falsch. Es sind mächtige Geschöpfe, wer weiß, wozu sie alles fähig sind. Im Sport... im Kampf, als Waffe. Auch einfach als edles Haustier. Oder als Trophäe bei euch daheim. Es ist vielseitig einsetzbar" Sofort kamen laute Rufe vom Volk. Geldsummen. Summen, in einer derartigen Höhe, dass ich sie mir nichtmal vorstellen konnte. Alle schrien wild durcheinander. Jeder wollte es haben.

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