Kapitel 20 - Vollmond mit Adam

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Vollmond... Das weckte bei Dexter Erinnerungen an den schmutzigen Zwinger zum Preis einer Hotelsuite und diese flackernde Leuchtstoffröhre. An große, kräftige und teils gar nicht Mal so gut riechende Werwölfe, die alle seinen Arsch haben wollten, den er begeistert davon gegen das Gitter gepresst hatte.
Es war im Nachhinein für ihn demütigend, was er in dem Moment so sehr gewollt hatte.

Nun hockte er hier. Nackt. Bedeckte sich lediglich unter einer Wolldecke, in einem Keller. Die Decke war sein einziger Schutz vor den Blicken von dem Schulleiter, drei Lehrern, einem Sanitäter und fünf Studierenden.
Um die Ecke stand ihm ein verhältnismäßig großer Raum zur Verfügung. Zur einen Seite war eine Glasscheibe. Dahinter die Menschen. Und an einer anderen Seite gab es eine vergitterte Tür. Auf der anderen Seite war Adam.
Dexter würde sich besser fühlen, wenn sie sich zusammen wandeln würden. Er hatte Angst davor. Beim letzten Mal hatte es weh getan.
Außerdem beruhigte es nicht gerade, wenn haufenweise Menschen herum standen und einen beobachteten.

Es war kalt hier unten. Die Leute auf der anderen Seite des Glases trugen teils Jacken. Und er stand hier nur mit der Decke, die immer wieder verrutschte, weil Dexter nicht still halten konnte.

"Entspann dich! Du riechst nach Stress.", maulte Adam. Der hatte leicht reden.

"Geht nicht.", krächzte Dexter kläglich zurück.
"Komm an die Tür.", befahl Adam.
"Das ist in diesem Stadium eigentlich nicht vorgeseh-"
"Na wie gut, dass mich das einen Scheiß interessiert. Wir kümmern uns um Welpen, die das brauchen.", unterbrach Adam Mr Hurt unwirsch.
"Wir?", fragte eine Frau mit Brille verschnupft, als Dexter längst an der Tür stand und sich dann dagegen schmiegte, wie Adam es von der anderen Seite tat. Das Gitter ließ ein Hand-durch-strecken oder so nicht zu.

"Ja. Wir. Jeder anständige Werwolf. Gibt überall schwarze Schafe. Das ist bei uns nichts anderes. Aber wir wissen, wie schwer die Anfänge sind. Und deshalb kümmern wir uns um den Nachwuchs. Oder andere Wölfe, wenn sie uns brauchen. Wir stecken alle in der gleichen Scheiße fest. Da muss man sich gegenseitig unterstützen."
"In rund zehn Minuten ist es so weit.", sprach Mr Hurt ruhig.
"Achten Sie gefälligst beim nächsten Mal darauf, dass der Junge keine Frostbeulen kriegt, bevor er sich wandeln kann. Ist sehr schattig hier.", brummte Adam.
"Wird notiert.", gab Mr Hurt genau so reserviert zurück.
Dexter fiepte wieder lauter, während er versuchte, sich mit der nackten Haut gegen das Gitter und vor allem Adam zu drücken. Gleichzeitig wollte er nicht der versammelte Mannschaft auf der anderen Seite der Scheibe seine Nacktheit präsentieren. Ein Drahtseilakt, der ihm nicht wirklich gut gelang.

Adam stand da voll drüber. Der stand frontal zur Tür und drückte sich dagegen, um Dexter irgendwie zu helfen. Eine Decke sah Dexter nicht.

"Sie werden uns ab jetzt nicht mehr hören, damit unsere Gespräche, sie nicht beeinflussen werden. Wir wünschen eine angenehme Nacht.", sprach Mr Hurt und dann war es still.
Dexter sah, dass die auf der anderen Seite redeten, aber verstand nichts mehr.

"Ignorier die."
"Die reden."
"Ja. Einfallspinsel... Irritieren tut deren Geruch. Was die faseln ist uns doch egal.", brummte Adam.
Dexter nickte nur. Seine Haut begann sich warm anzufühlen. Es konnte jetzt nicht mehr lange dauern.

-

"Wir sehen jetzt deutlich, dass sie das Mondlicht nicht sehen müssen, um zu wissen, wann es los geht. Beachten Sie die unterschiedliche Körperhaltung. Der erfahrene Wolf beugt die Beine nach außen in der Kniehaltung. Das verschafft ihm einen sicheren Halt. Der junge Wolf hingegen kneift die Beine zusammen. Er hat weniger Halt und zappelt stärker. Eine Gefahrenquelle.", erklärte Mr Hurt seiner Gruppe.

"So, wir sehen, dass der ältere Wolf locker bleibt, seine Muskeln bewusst entspannt, weil er genau weiß, dass er damit den Schmerz mildern kann. Der Jüngere hat dieses Wissen nicht. Er ist verspannt und ängstlich... So. Die Wandlung setzt ein und geht bei dem Älteren wesentlich schneller. Wie Sie sehen können steht der Größere bereits auf und bewegt sich sehr sicher auf seine Pfoten. Legen Sie ihr Hauptaugenmerk auf das jüngere Exemplar. Noch bevor die Wandlung ganz abgeschlossen ist, hat er bereits die Rute zwischen die Hinterbeine geklemmt und guckt zur Tür. Ganz klar: der Rudeltrieb ist hier ganz aktiv zu sehen."
"Werden die beiden zusammen gelassen?", fragte eine Studentin in der ersten Reihe.

"Nun, das wird sich zeigen. Das hängt ja von dem Zusammenspiel der beiden ab und davon haben wir bisher nichts gesehen. Man muss bedenken, wir haben es hier quasi mit einem Welpen und einem einsamen Wolf zu tun. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt... So. Der Kleine geht als aller erstes zur Tür. Dabei sieht man deutlich die Unsicherheiten im Bewegungsablauf."

Dexter hatte keinen Einfluss mehr auf das, was hier passierte. Aber alles in ihm schrie danach, zu Adam zum wollen. Und sich bei ihm zu verkriechen. Mit seinen Voderpfoten stemmte er sich gegen die Tür, die aber natürlich nicht nach gab.
Fiepend hockte er sich davor.

"Wir sehen jetzt das deutliche Dominanzverhalten des Älteren Wolfs. Das Hinterlassen der Duftmarken ist ein recht leicht zu erkennender Indikator. Vermutlich wird er gleich... ja genau! Auch den Kleinen markieren und wie wir sehen, fühlt der sich nun besser. Was wir als unhygienisch betrachten würden, ist bei den Werwölfen eher als eine Art Freundschaftsarmband zu verstehen. Er stellt dem Kleinen Schutz und Sicherheit in Aussicht. Entsprechend begeistert ist der von dem Vorgehen."
"Könnte man Sie jetzt zusammen lassen? Der Kleine leidet...", murmelte ein Student.
"Wir warten noch ein kleines bisschen. Stimmungen können schnell umschlagen. Wir machen aber schonmal die Wasserschläuche bereit und für den Notfall einen Elektroschocker.", entschied Mr Hurt.

Dexter kam die Zeit unendlich lang vor. Er lag hier und wollte so gerne rüber und konnte nicht. Da war ein großer potenter Wolf. Er wollte den. Unbedingt. Vor allem wollte er nicht allein sein. Sein Loch juckte. Er wollte den Bauch gefüllt kriegen. Immer wieder fiepte er, aber nichts passierte.

-

"So, niemand macht etwas, bis ich das Kommando gebe. Gerade zu Beginn kann das heftig aussehen und ist es aber nicht. So. Das Tor geht auf. Wir öffnen es nur halb. Dann kann der Kleine notfalls wieder zurück und der Große ihm dann nicht folgen."

Die untere Hälfte der Tür schob sich langsam auf.
Sobald die Öffnung groß genug war, huschte der kleine Werwolf hindurch und rannte auf den Großen zu.
Der knurrte und sprang direkt auf den Kleinen.

"Alle bleiben ruhig. Das ist vollkommen normal. Sie sehen, dass der Kleine sich instinktiv unterwirft. Der Große fordert sich genau das ein. Das Geknurre gilt vermutlich eher den Gerüchen um ihn herum, als dem Kleinem.", erklärte Mr Hurt, als der größere Wolf von dem Kleinem abließ.

"Wir sehen deutliches Paarungsverhalten bei dem Kleinem, was den Größeren aber offenbar kalt lässt. Wir werden sehen, wie sich das Ganze entwickelt."

Werwolf wider Willen - wird fortgeführt auf StorybanWhere stories live. Discover now