Kapitel 4 - Hilfe?

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„Statt hier Sprüche zu klopfen, könntest du es ihm auch erklären, Adam.“, schimpfte Horton.
„Ich hab mit Welpenaufzucht nichts am Hut. Such dir wen anderes.“, brummte der Mann abweisend, was Dexter unwillkürlich seinen Kopf zwischen die Schultern ziehen ließ. Er war kein Welpe. Und er wollte nicht „aufgezogen“ werden. Er war rein zufällig seit einem halben Jahr erwachsen.

„Ist auch besser so. Mit so einem Muffel wie dir, kann man ja nur schlechte Laune bekommen.“, gab Horton unbeeindruckt zurück.
„Sie… Sie sind gar nicht…“
„Nein, ich eigene mich leider nicht, Süßer. Aber mach dir keine Sorgen. Ich denke, ich weiß schon, wer sich um dich kümmern kann.“, lächelte Horton aufmunternd, während Adam genervt schnaubte.
„Haben Sie keine Angst?“, staunte Dexter.
„Ich? Oh, keine Sorge. Mit Horton legt sich keiner an. Das sollte mal einer von denen wagen. Ich ziehe jedem das Fell über die Ohren.“, lachte Horton und holte einen Baseballschläger unter dem Tresen hervor, mit dem sie sich ein paar Mal locker in die Handfläche schlug.

„Oh… Äh…“
„Keine Sorge, Süßer. Ich fange nie an. Mein Mann war Horton. Er starb vor ein paar Jahren und dann stand ich da. Ich musste mich selbst behaupten. Gegenüber den Behörden, hier ein Restaurant betreiben zu dürfen. Und dann auch noch eins, welches sich Explizit an Anomalien und dann noch an Lykanthropen richtete. Ein bürokratischer Aufwand sag ich dir… "
"Selbst Schuld. Hätte er dir vorher den ganzen Bumms übertragen, hätteste Bestandsschutz gehabt.", brummte Adam.
"Ich war nicht so weit. Ich wollte es nicht. Mein Mann hatte hier ein Lebensmittelgeschäft für Anomalien. Aber die Behörden saßen ihm permanent im Nacken. Und die Kundschaft suchte dann doch eher einen Platz zum Verweilen. Also habe ich mich durchgebissen. Und siehe da: der Laden läuft. Und ich bin keine Lykantropin und mir ist noch nie was passiert. Warte kurz hier. Ich telefoniere eben für dich.", erklärte Horton und trat durch eine Tür hinter der Theke hindurch und schloss diese.

"Hör Mal, du halbe Portion. Du hast hier nichts zu suchen. Sieh zu, dass du deinen knochigen Arsch hier raus bewegst. Sofort.", knurrte plötzlich jemand und baute sich hinter Dexter auf.

"Horton hat gesagt, dass er da sitzen bleiben soll.", brummte Adam.
"Was interessiert mich, was die Alte sagt?! Und jetzt verpiss dich.", knurrte die Stimme. Der letzte Satz richtete sich eindeutig an Dexter.

Der war für eine Sekunde wie erstarrt, bevor er machte, dass er weg kam. Er war noch nie eine Schlägerei verwickelt gewesen. Er war so nicht. Und die Stimme... Etwas hatte sie umgeben, was ihm so eine fürchterliche Angst gemacht hatte, dass es die Worte selbst gar nicht gebraucht hätte.

Er rannte noch zwei Blocks weiter. Scheiße. Wohin jetzt?  Vielleicht würde Horton ihn suchen, wenn Adam ihr erzählen würde, dass er nicht freiwillig gegangen war? Aber vielleicht würde genau das auch der Besitzer der Stimme tun und dem wollte Dexter am liebsten nie wieder begegnen. Wieso war der so böse auf ihn gewesen? Er hatte dem doch nichts getan, oder? Er sollte besser wegbleiben vom Hortons. Auch wenn Horton nett war. Besser nichts riskieren.

Okay, wieder auf Anfang. Das gleiche Problem wie eben. Er musste irgendwie an Informationen kommen. Und zwar möglichst nicht die, die zu einer Registrierung rieten. Offenbar gab es ja auch Wege, darum herum zu kommen. Die Vorstellung jederzeit ortbar zu sein, gefiel Dexter kein bisschen. Aber Informationen brauchte er trotzdem. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte und wie er sich so irgendwie sowas wie ein Leben aufbauen sollte. Er wusste ja nicht einmal, wo er heute Nacht schlafen sollte. Klar, der Arzt hatte gesagt, dass sein Körper damit kein Problem hätte, draußen zu übernachten. Aber was war mit seinem Geist? Allein die Vorstellung erfüllte ihn mit Angst und Ekel. Und Hoffnungslosigkeit. Ihm war durch den Biss Gewalt angetan worden und dafür landete er auf der Straße? Und das war einfach für alle okay?
Er hätte gedacht, dass zumindest alle Lykanthropen zusammen halten würden. Aber das war ja ganz offensichtlich nicht der Fall. Aber wieso nicht? Sie waren doch alle Leidensgenossen quasi, oder?
Und wieso hatte er sich so seltsam verhalten? Horton hatte gesagt, dass er es richtig machte. Aber er wüsste gern, wie er sich verhalten muss, selbst wenn sein Körper das ja offenbar auch so drauf hatte.

Niedergeschlagen trottete er durch die Straßen und überlegte, wo er die Nacht verbringen könnte. Aber was blieb ihm schon, außer sich irgendwo einfach hinzulegen?
Wenn er zu gesunden Menschen keinen Kontakt haben durfte, fielen doch sämtliche Hostels oder so weg. Gab es sowas extra für Lykanthropen? Er hatte keine Ahnung.

Auf seiner Kontokarte waren seine Ersparnisse. Die würden ihn nicht ewig retten. Aber vielleicht eine Weile. Nur würde ihm alles Geld der Welt nichts bringen, wenn er es nicht einsetzen könnte, weil es niemand nehmen würde.
Aber... Es wechselte wegen ihm niemand die Straßenseite. Keiner guckte ihn an, als habe er Angst oder so. Manche guckten, ob seiner bloßen Existenz genervt, aber das hatten die vorher auch schon getan. Das war nicht neu. Vielleicht merkten sie es ihm nicht an? Vielleicht hatte er es ja doch nicht so richtig viel? Gab es das? Ein bisschen Lykanthrop sein? Wenn die es nicht merken würden und er selbst nicht beißen würde... Dann könnte er vielleicht doch...

Dexter suchte sich das schmutzigste und schäbigste Hostel, was er finden konnte. Er würde niemandem etwas tun. Sein Drang in einen Menschen zu beißen, war so ausgeprägt, wie vor der verhängnisvollen Nacht gewesen. Also gar nicht. Er käme sich dabei ehrlich gesagt reichlich bescheuert vor, in einen Menschen zu beißen, als sei er ein Schnitzel.

"Äh... Hallo. Ich hätte gern ein Zimmer... Für eine Person...", stammelte er zu einem Mann an der Theke. Es war dunkel, die Teppiche waren abgewetzt, es stank und war staubig. Also perfekt, dachte Dexter traurig.

"Für wie lange?", fragte der Mann und sah nicht von seinem Computer auf.
"Äh... Unbestimmt?"
"Also länger als zwei Stunden?"
"Ja?"
"Gut. Kriegste nen Trauerabatt."
"Oh krass..."
"Karte? Wir buchen ab."
"Danke.", murmelte Dexter und reichte seine Karte herüber. Er hatte in den letzten zwei Jahren Zeitungen ausgetragen und in den Ferien richtig viel gearbeitet. Weil er in seinem Auslandsjahr unabhängig hatte sein wollen. Er hatte keine Aktion nicht machen wollen, weil sie zu teuer gewesen wäre. Und jetzt? Niemal hätte er gedacht, dass sein Geld für ein schäbiges Hostel in seiner Heimatstadt verwendet werden würde.

"Zimmer 82. Da rechts.", erklärte der Mann und klatschte einen Schlüssel auf den Tisch, dessen Anhänger so groß war, dass er niemals in eine Jackentasche passen würde .
"Oh, danke."
War sogar so schwer, wie er aussah.

Das Zimmer war klein und schmutzig. Das einzige Fenster zeigte die Mauer des Nachbarhauses. Wenn Dexter sich strecken würde, könnte er die Steine sogar erreichen.
Von rechts knallte die ganze Zeit ein quietschendes Bett sehr rhythmisch gegen die Wand. Über ihm wurde sich lautstark gestritten.

Dexter weinte wieder und merkte es nicht einmal.

Werwolf wider Willen - wird fortgeführt auf StorybanWhere stories live. Discover now