Kapitel 12 - Rudelführer?

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"Iss.", brummte Adam erneut.
Dexter senkte wieder den Blick auf sein Essen.

"Keine Sorge, Schatz, du wirst schon lernen, was du tun musst.", lächelte Horton aufmunternd.
Dexter nickte nur. Um ehrlich zu sein hatte er am meisten Schiss vorm nächsten Vollmond. Wenn die Menschen es ihm so nicht anmerkten, dann könnte er doch einigermaßen normal leben, oder? Gut, versteckt. Überall, wo man sich anmelden musste, würde es schwierig werden. Das war ein Problem hinsichtlich einer Uni oder einer Ausbildung. Aber vielleicht gab es ja doch Mittel und Wege? Irgendwelche Schlupflöcher oder so?

Aber der Vollmond. Der blieb. Und damit diese unendliche Angst vor dem Kontrollverlust und dass er in dieser Nacht Dinge tun könnte, die er danach für immer bereuen könnte.

"Du stinkst nach Angst.", brummte Adam.
"Entschuldigung."
"Wovor hast du Angst?", fragte der ältere Mann dann ruppig.
"Vorm Vollmond."
"Der ist erst vorbei. Hab Angst vor morgen."
"Die gesunden Menschen merken es mir doch gar nicht an, oder? Was soll mir da passieren, so lange ich bei dir bleiben darf?"
"Genug. Du musst lernen, wie du einem von uns gegenüber treten kannst. Du musst lernen, wie wir kommunizieren. Wir müssen bis zu der Schule kommen."
"Mein Körper macht das doch von allein?"
"Ist fraglich, ob du das immer so willst. Immer das schwächste Glied in der Kette sein. Mal abgesehen davon hilft dir deine Babysprache nicht ewig."
"Hä?"
"Wie rieche ich für dich?", fragte Adam.
"Äh...", machte Dexter und musste sich darauf jetzt erstmal konzentrieren. Adam roch nach Shampoo, Deo, Schweiß, Aftershave, dem Kaugummi unter seinem rechten Schuh, dem Bier, was er trank und nach sich selbst.

"Stark.", antwortete er dann einfach und Horton grunzte belustigt, wurde von Adam aber ignoriert.

"Dominant.", verbesserte Adam.
"Oh. So rieche ich dann wohl nicht?"
"Kein bisschen. Dein Instinkt sagt dir, dass du allen, die diesen Geruch haben, Respekt entgegen bringen sollst. Aktuell ist das noch gut, weil du keine Ahnung von nichts hast. Aber was wenn sich das nicht ändert?"
"Äh... Dann bleibt es so?"
"Dann hast du immer einen verdammt niedrigen Rang. Hat, freundlich ausgedrückt, nicht nur Vorteile."
Dexter guckte nur verwirrt. Er verstand gefühlt nur die Hälfte davon.

"Wie? Rang?"
"Es gibt immer einen Rudelführer. Rudel bestehen aus wenigstens zwei Mitgliedern. Wir beide sind, so gesehen ein Rudel und ich bin der Rudelführer."
"Echt?", fragte Dexter beeindruckt.
"Ja. Du merkst es daran, dass du mir hinterher dackelst, dich an mir orientierst und mir gehorchst."
"Dann sind wir doch ein Rudel. Dann haben wir unser eigenes Rudel und alles ist gut.", freute sich Dexter.
"Nichts da. Ich hab dir gesagt, dass ich dafür nicht tauge."
"Aber du hast doch gerade -"
"Das ist schwer zu erklären... Anders... Wenn du gebissen wirst, bleibst du normalerweise beim Beißer. Er ist automatisch dein Rudelführer. Er ist stärker als du und schlauer als du. Und in den meisten Fällen ist er dominanter, schon allein wegen seiner Erfahrung. Die wenigsten kämpfen gegen ihren Beißer."
"Aber mein Beißer ist einfach weggelaufen."
"Ja. Deswegen bist du aber immer noch eine dumme kleine Nervensäge und zeigst das jedem Wolf sehr deutlich."
Dexter fiepte und Horton sah Adam vorwurfsvoll an.

"Schätzchen, das ist gar nicht schlimm. Es braucht immer einen oben und einen unten. Hierarchien sind bei Werwölfen sehr wichtig. Sie regeln das Zusammenleben und dass es im Normalfall friedlich bleibt. Andere Menschen kennen das nur rudimentär. Wenn ein Mensch mit sichtbar viel Geld oder Macht oder Muskeln oder so den Raum betritt, merkst du da auch, dass sich die Atmosphäre ändert und dass sich auf ihn konzentriert wird. Oder?", fragte Horton.

Dexter nickte. Noch immer fiepend.
"Siehst du? Bei den Werwölfen ist es das Gleiche. Nur eben etwas.. wölfischer."
"Ich dachte, es ist nur die Vollmondnacht... Und dass es sonst keinen Einfluss hat...", stammelte Dexter.

In dem Moment schnellte Adam mit dem Kopf vor uns instinktiv zog Dexter die Schultern hoch, lehnte sich weg und zeigte Adam seinen Hals.
Adam zog seine Lippen hoch, sodass seine menschlichen Zähne sichtbar wurden. Dexter wollte sich zu Boden gleiten lassen, aber Adam hielt ihn fest und zog sich gleichzeitig zurück.

"Gemerkt? Wir sind Werwölfe. Immer. Zu menschlich für den Wolf und zu wölfisch für den Mensch."
"Aber wir sind kein Rudel?", fragte Dexter noch immer sehr verschreckt.
"Nein. Rudelbildungen entstehen zu Vollmond."
Dexter kam nicht umhin, das schade zu finden. Natürlich war Adam ruppig und sein Geduldsfaden nicht allzu ausgeprägt. Aber er war zumindest da. Gesellschaft, Schutz und Gemeinschaft.

"Ich habe, glaube ich, kein Problem damit, mich unterzuordnen. Es stört mich nicht."
"Abwarten. Du unterwirfst dich auch Arschlöchern. Deswegen bist du doch überhaupt erst aus dem Horton abgehauen."
"Oh, das heißt man-"
"Man ist gezwungen, zu hören. Ist nicht immer leicht. Straftaten sind ein echtes Problem. Die Menschen sind was uns angeht, sowieso überfordert. Erklär denen Mal, dass du nur gemacht hast, was dein Alpha wollte. Das verstehen die nicht."
"Ich auch nicht. Alpha?"
"Es gibt verschiedene Ränge. Ganz oben ist der Alpha. Der Rudelführer. Dann gibt's Betas, Gammas, Deltas-"
"Und Omegas. Das hab ich schonmal gehört, glaube ich."
"Sei nicht albern. Wir sind in keinem Zoo."
"Hä?"
"Omegas sind ein Phänomen, welches bei Wölfen in Gefangenschaft vorkommt. Normalerweise sind das welche, die abwandern. Aber in Gefangenschaft geht das nicht. Also werden sie Prügelknaben. Aber wir sind frei."
"Du bist ein Alpha?"
"Das ist nichts, was man ist. Man wird nicht geboren und *puff* ist man ein Alpha. Es kommt immer auf die Konstellation an. Man kann Ränge wechseln und so weiter."
"Das klingt kompliziert..."
"Es ist intuitiv."
"Wie steigt man auf?"
"In dem sich der andere unterwirft. Freiwillig oder nach einem Kampf."
"Oh.. und ich mache genau das immer freiwillig und merke es gar nicht..."
"Ja. Ich bin gar nichts davon. Weil ich nicht in einem Rudel bin. Verstehst du?"
"Ich denke schon.", antwortete Dexter und hatte doch eigentlich noch unendlich viele Fragen. Aber er traute sich nicht so wirklich, diese auch zu stellen. Er wollte Adams Geduld nicht überstrapazieren und hoffte irgendwie, dass er in der Schule wirklich viel darüber lernen würde. Denn er hatte noch immer absolut keine Ahnung von dem was er war und was es aus ihm machte.

Werwolf wider Willen - wird fortgeführt auf StorybanWhere stories live. Discover now