Geburtstag

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Vor etwa zwei bis drei Jahren:

Ich liege auf meinem Bett und male Kerzen an die Decke. Heute habe ich Geburtstag, aber ich bezweifle, dass es eine Feier gibt.
Missmutig betrachte ich die Geschenke und Karten an der Tür, die Oliver heute Morgen zusammen mit dem Frühstück in mein Zimmer geschoben hat.
"Herzlichen Glückwunsch zum achtzehnten Geburtstag, Flora", hatte er gesagt, bevor er das Zimmer wieder verlassen hatte.
Seitdem bin ich alleine.

Mit einer Hand umklammere ich das Amulett, das seit ungefähr einer Woche um meinen Hals hängt. Ein frühes Geschenk, so hat meine Mutter es beschrieben. Damit ich niemanden anstecken kann. Allerdings bezweifel ich stark, dass irgendjemand daran glaubt.
Genauso stark bezweifel ich auch, dass heute noch jemand die Tür dieses Zimmers öffnen wird. Zumindest bevor es Abendessen gibt.
Also werde ich weiter Langeweile schieben.

Als hätten meine Gedanken es hinauf beschworen, ertönt ein leises Quietschen und die Tür schwingt einige Zentimeter auf.
Ein roter Lockenkopf quetscht sich durch den entstandenen Spalt in mein Zimmer, in dem Händen ein Geschenk.

"Alles Gute zum Geburtstag!", grinsend kommt Harry auf mich zu, legt das Geschenk auf meinem Bett ab und umarmt mich.
Ein wenig überrumpelt und berührt dauert es einen Augenblick, bis ich die Umarmung erwidere.
"Pass auf, sonst bekommst du noch die Stille Seuche", probiere ich vorsichtig einen Scherz. Ein bisschen Angst habe ich schon, dass er nur ein Traum ist, eine Halluzination meines Gehirns, das vor Einsamkeit schreit.

"Ach Quatsch", er schüttet den Kopf. "Es steht noch nicht einmal fest, ob sich die Stille Seuche überhaupt von Person zu Person übertragen kann. Und noch dazu hast du ein magisches Schutzamulett. Mir wird nichts passieren."
Langsam fange auch ich an zu glauben, dass er sich nicht jeden Moment in Luft auflösen wird.
"Wie du meinst."
"Vertrau mir, ich studiere das", er zwinkert mir zu.
"Auf deine Kappe", lache ich.

"Ich hab Schokokuchen dabei. Sacchertorte", er schiebt das Geschenk näher zu mir. Ich schlage ihn. Protestierend reibt er sich dramatisch seinen Arm.
"Du machst die ganze Überraschung kaputt!", beschwere ich mich.
"Als ob irgendetwas anderes in Frage käme!", protestiert er. "Du weist doch, dass das der einzige Kuchen ist, den ich backen kann."
"Mit Brombeermarmelade statt Aprikose?", frage ich hoffnungsvoll.
"Wie ihn meine Lieblingscousine am liebsten mag."
"Ich werde noch rot, wenn du so weitermachst."
Harry lacht. "Ich möchte die Person gerne sehen, die dich zum erröten bringt."
Ich schnaube, während ich mit geübten Handbewegungen das Paket aufreiße.

Innen liegt eine ganze Torte mit dem dunkelbraunen, süßen Zuckerguss, die ich so liebe. Außerdem befindet sich noch ein Messer, zwei Teller und Gabeln im Paket.
"Ich dachte, wir könnten picknicken", meinte Harry. "Du kannst ja nicht in diesem Zimmer versauern."
"Ach", ich verdrehe die Augen. "Meine Familie ist da anderer Meinung."
"Dann ist es ja gut, dass du noch ausgelagerte Verwandtschaft hast", lachend zieht mich Harry aus dem Bett hoch.

Vor Aufregung kichernd schleichen wir uns aus dem Haus, vorbei an Oliver, der im Garten arbeitet, und durch die Hintertür hinaus.
Dann führt mich Harry quer durch den Wald den Berg noch weiter hoch.
"Du schnaufst wie ein Bär", grinse ich.
"Das liegt daran, dass ich den Korb mit der Torte trage", antwortet er außer Atem.
Ohne nachzufragen, klaue ich ihn und laufe weiter.
"Warte!", ruft er mir hinterher, dann höre ich wie er mir folgt.

"Du bist langsam", bemerke ich, als er drei Minuten nach mir am Gipfel ankommt. Direkt vor mir liegt der kleine Weiher im Sonnenschein. Ein paar Enten dümpeln auf der kristallblauen Wasseroberfläche herum. Harrys und mein geheimer Rückzugsort. In diesen letzten warmen Sommertagen ist es hier besonders schön. Der leichte Wind führt dazu, dass sich die Wasseroberfläche kräuselt und das letzte Licht der Sonne färbt die Oberfläche in eine Parkette von Gold und Blautönen.

Fight or DieWhere stories live. Discover now