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Riley

Ich spüre Panik. Grauenhafte, nackte Panik, die meinen Körper lähmt und mich zu Gehorsamkeit zwingt. Dieses Gefühl ist schlimmer, als alles was ich in den letzten acht Jahren durchgemacht habe.
Das Unwissen, ob Alec, Liam, Aaron und die Kinder überlebt haben oder nicht, bringt mich schier um. Das Gefühl der Machtlosigkeit, weil ich gefesselt in einem Hubschrauber sitze, der über fünfhundert Meter in der Luft ist, ist enorm.
Ich kann nichts tun, was ihnen irgendwie helfen würde.

Agent Janners gefällt meine machtlose Position offensichtlich gut, denn ich bekomme mit, wie sie immer wieder kichernd zu mir herübersieht.
Bucky versucht sie möglichst gut von mir abzulenken und sie auf sich zu konzentrieren. Es ist nett gemeint und ich verstehe, dass er so verhindern will, dass ich mich noch schlechter fühle. Aber der selbsthassende Teil von mir versucht mir einzureden, dass er mich nicht wollte, weil er mich liebt, sondern weil ich an der Macht war. Nun hat Olive das Sagen und er buhlt um ihre Aufmerksamkeit.
Das tut weh.

„Agent, wir landen gleich!", verkündet der Pilot nach einigen Stunden in der Luft über das Rattern hinweg.
„Sehr gut!", antwortet Janners und mir wird übel.
Langsam, weil ich mich kaum schneller bewegen kann, drehe ich meinen Kopf zur Seite. Die Geräuschkulisse verrät mir, dass sich dort ein Fenster in der Wand des Hubschraubers befindet. Also tue ich so, als würde ich hinaussehen.
„Was passiert jetzt mit uns?", erkundigt Bucky sich nicht sonderlich laut.
Dennoch kann ich ihn gut hören. Janners dreht sich zu ihm um und ich verkrampfe mich ein wenig mehr.
„Sie wird eingesperrt, befragt und verurteilt. Du kannst dein Schicksal noch beeinflussen. Kooperiere, sie stecken dich für ein paar Tage in eine Zelle und du bist im Handumdrehen wieder draußen", erklärt sie ihm.
„Und wenn ich nicht mehr für euch arbeiten will?", zischt er mit dem Gesicht von ihr weggedreht.
„Dann sind sich die Staaten nicht zu schade den Hydra-Agenten in dir wieder hervorzuholen, Bucky", droht Janners ihm unverblümt.
Bucky keucht und ich kann geradezu sehen, wie er seine Muskeln anspannt, bis sie beinahe reißen. Ich kann die Angst in seinem beschleunigten Atem über das Rattern hinweg hören.
„Er ist nicht mehr der Winter Soldier", murmle ich abwesend.
Gleich darauf erfasst mich ein Schlag und ich werde beinahe von dem Sitzplatz geschleudert. Unterwürfig sehe ich zu Boden und brauche lange, bis mir einfällt, dass ich nicht mehr 2-1 bin.
Doch kaum hat mich dies eingeholt richte ich mich wieder auf und sehe nur wieder zur Seite.
„Du kannst gar nichts sagen. Du wirst weggesteckt und wirst nie mehr an der Seite deines lieben Bruders sein. Es sei denn, wir fassen ihn auch noch. Und ich denke in dieser Hinsicht wirst du eine gute Hilfe sein", zischt Janners zu mir herüber.
Wut beginnt in mir zu brodeln, darüber dass sie Alec so offen bedroht. Er ist nicht dumm. Er weiß wie eine Falle aussieht und weiß sie zu umgehen. Und wenn er sich trotz allem blenden lassen sollte, sind Liam und Aaron noch da, welche ihn von Dummheiten abhalten.
Dennoch kann ich es nicht leiden, wenn sie mir androht, Alec ebenfalls einzusperren. Ich war damit einverstanden, als ich Alec von mir stieß. Immerhin bin ich nur ein Hindernis gewesen und ohne mich konnte er entkommen. Das ist mir wichtiger, als dass wir beieinander bleiben. Ob frei oder eingesperrt spielt für mich keine Rolle.
„Er ist trotzdem nicht der Winter Soldier", wiederhole ich trotzig.
Ich weiß, wie sehr Bucky sich dafür hasst, Hydra nachgegeben zu haben. Deshalb möchte ich, dass er weiß, dass ich ihn nicht so sehe. Wenn ich ihm also auch nur ein wenig etwas bedeute, nimmt er sich das hoffentlich zu Herzen.
„Das liegt nicht in deiner Entscheidung", faucht Janners.
Noch einmal trifft mich die Hand. Diesmal wirft sie mich von der Bank und ich komme quietschend am Boden auf. Unter mir spüre ich Turnschuhe, was mich darauf schließen lässt, dass ich auf Buckys Füssen gelandet bin.
„Olive hör auf!", ruft dieser auch sogleich aus.
Die Frau jedoch lacht und ich spüre einen leichten, neckenden Tritt in meinen Rippen. Schweigend lasse ich es über mich ergehen und reagiere nicht offen darauf.
Dies kann ich offenbar noch gut, denn es gelingt mir wirklich, es beinahe vollständig auszublenden. Definitiv mag ich es nicht, dass noch immer alte Konditionierungen hervorbrechen. Andererseits macht es das gerade leichter, diese Schikanen zu ertragen.
„Olive, ich flehe dich an, hör auf damit. Du hast keine Ahnung, was du damit auslösen kannst", bemerkt Bucky besorgt.
„Mir ist das Risiko von PTBS bewusst. Damit wird sie wohl einfach umgehen müssen", bemerkt die Frau reuelos und macht weiter damit.
Ihr Schuh trifft immer wieder leicht auf meine Rippen, welche ungeschützt sind, dadurch dass mir meine Hände hinter den Rücken gefesselt wurden. Es schmerzt ein wenig, doch es ist längst nicht an der Grenze, an der ich mir etwas anmerken lassen muss.
Somit liege ich mit halb geschlossenen Augen auf Buckys Schuhen und bleibe so weit entspannt, wie es die Situation zulässt. Ich versuche jeden Gedanken zu verdrängen, um die Demütigung nicht weiter an mich heranzulassen.

Tatsächlich geht kurz darauf der Hubschrauber in den Sinkflug über. Es geht steil nach unten der Luftdruck erhöht sich wieder in den Ohren. Ich versuche mich möglichst zu entlasten.
Bucky wird ebenfalls unruhiger. Am besten bemerke ich das dadurch, dass seine Füße wild zu zucken beginnen, währen dich noch auf ihnen liege. Es ruckelt unter mir und ich habe das Gefühl, dass es ihm nicht einmal etwas ausmacht, dass ich teilweise auf ihm liege.
Mit einem harten Stoß kommt der Helikopter auf dem Boden auf. Der Antrieb der Rotoren schaltet sich aus und ich höre nur noch, wie die Rotoren in der Restgeschwindigkeit durch die Luft wirbeln.
Eine Hand packt mich am Kragen und ich werde auf die Knie gezerrt. Verunsichert versuche ich das Gleichgewicht zu behalten und darauf zu warten, was als nächstes passiert.
Hinter mir wird die Tür geöffnet, doch ich kann nicht ermitteln, wie viele Personen sich außerhalb des Hubschraubers befinden. Dafür sind die Rotoren noch zu laut. Nervös versuche ich den Kopf ein wenig zu neigen und zu drehen, um ein Geräusch erfassen zu können. Leider bleibt dieser Versuch erfolglos.
Stattdessen werde ich an den Oberarmen gepackt und unachtsam nach draußen gezogen. Mit den Beinen strampelnd versuche ich den Boden unter mir zu fassen zu bekommen, doch ich lande nur gleich wieder auf den Knien. Diesmal auf deutlichem Beton, was einen ruckenden Schmerz durch meinen Körper schickt.
Ohne einen Schmerzenslaut von mir zu geben, warte ich weiterhin ab, was von mir verlangt wird. In dieser Situation sitze ich definitiv am kürzeren Hebel. Also ist es empfehlenswerter jetzt nicht zu provozieren und nachzugeben. 

Alpha - New MissionWhere stories live. Discover now