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Mit dem Gefühl erschöpfter zu sein, als dann, als ich eingeschlafen bin, öffne ich meine Augen. Das Zimmer ist mir fremd und abgedunkelt.
Mühsam setze ich mich ein wenig auf und sehe mich weiter um. Doch außer dem Bett und einem Stuhl befindet sich hier nichts.
Seufzend rutsche ich ein wenig nach oben, um mich an die Wand lehnen zu können. Aber etwas liegt auf der Decke und als ich nach unten sehe, erkenne ich eine zusammengerollte Gestalt.
Mit klopfendem Herzen kommt mir der gestrige Abend wieder in den Sinn. Riley stand vor mir und hat mich angesehen.
Sie weiß, dass ich hier bin. Und ich weiß, dass sie lebt. Weil ich sie gesehen habe.

Vorsichtig beuge ich mich nach vorne und betrachte das Bündel. Lange, rotbraune Haare verdecken den Großteil ihres Körpers. Aber ihre Position ist unverkennbar. Viel zu oft habe ich mir gewünscht, dass sie so neben mir liegen würde, wenn ich aufwache.
Und jetzt ist es Realität. Es ist kein Traum, der vor lauter Sehnsucht entstanden ist. Sie ist echt und liegt wirklich hier neben meinen Füssen.
So vorsichtig ich kann, um sie nicht zu erschrecken und womöglich zu verjagen, ziehe ich meine Beine an. Im Gegenzug lege ich mich seitlich neben Riley und betrachte sie mit Tränen der Freude in den Augen.

Nach wenigen Minuten bereits beginnt sie sich zu regen. Erst versucht sie sich enger zusammenzuziehen. Als sie merkt, dass das nicht mehr geht öffnet sie brummend ein Auge.
Ihr trüber Blick landet beinahe sofort auf mir. Sogleich öffnet sie ihr zweites Auge. Und sie lässt mich mit ihrem Blick nicht mehr los.
„Die Frisur steht dir", murmelt sie mir leise und rau zu.
Mein Herz rutscht mir in die Hose und ich ringe um Luft. Was hat sie gerade gesagt? Meine Frisur? Kann sie etwa wieder sehen?!
„W-Was?", stocke ich überfordert.
Gleichzeitig macht sich neben meinem Erstaunen auch Freude breit. Kann sie wirklich wieder sehen? Hat das Serum die Verletzung doch vollständig heilen können? 
Riley zuckt mit den Schultern und grinst ein wenig.
„Das hat Alec zumindest gesagt. Ich kann es ja nicht beurteilen", gibt sie zurück.
Sofort verschwindet das Hochgefühl wieder. Aber die Freude bleibt. So locker hat sie nie mit mir gesprochen. Für sie war ich immer nur ein Mitarbeiter Hydras, der sie bei dem geringsten Fehler verletzt hätte.
„Ach so", gebe ich zurück.
Riley lächelt ein wenig und setzt sich auf. Vorsichtig halte ich genügen Abstand, um sie nicht zu bedrängen.
Obwohl ich mich freue sie wieder zu sehen und sie scheinbar auch riesige Fortschritte angesichts ihres Traumas gemacht hat, bleibe ich zurückhaltend. Ich weiß nicht wie sie sich entwickelt hat und kann sie auch nicht mehr einschätzen.
Was wohlgemerkt sehr weh tut, aber die Freude darüber, dass sie wieder bei mir ist übertrifft es dennoch. Acht Jahre habe ich getrauert und jetzt, da ich sie endlich wieder zurück habe, lasse ich mir meine Freude nicht trüben.

„Wie geht es dir?", unterbricht sie zögerlich meine Gedanken.
Sofort schrecke ich hoch und sehe sie an. Sie sieht mich neugierig an und die Sanftheit in ihrem Blick ist beinahe atemberaubend. Habe ich das jemals schon bei ihr gesehen?
Ich kann mich kaum noch an alle Situationen erinnern, die wir zusammen hatten. Mein Verdrängungsmechanismus der mich vor Hydra gerettet hat, hat auch auf sie übergeschlagen. Wahrscheinlich um mich vor einem weiteren Niederschlag zu schützen.
„Gut."
Zum ersten Mal in meinem Leben meine ich es ernst. Innerlich bin ich zufrieden und ich fühle mich vollkommen Glücklich. Auch wenn ich weiß, dass das nur ein vorübergehender Zustand ist, kann ich sagen dass ich mit gut fühle.
„Und du?", frage ich ruhig zurück.
Riley lächelt ein wenig, sieht dann aber betrübt zum Fenster. Soeben fliegt ein Hubschrauber am Himmel vorbei. Augenblicklich verstehe ich es.
„Ich bin glücklich, dich wieder bei mir zu haben. Aber die Bedrohung durch die Bomben kann ich nicht ausblenden. Alec und ich arbeiten mit einigen Tricks, um einen Angriff so weit wie möglich hinauszuzögern. Jedoch wird das nicht ewig funktionieren", erklärt sie mir zudem.
Sofort zieht sich mein Inneres wieder zusammen. Es fühlt sich an wie ein Verrat.
„Deshalb schlafen wir hier, nicht wahr? Als Grund für die Regierung nicht zu schießen", errate ich.
Riley schweigt und sieht nach unten. Ihre Hand zittert und ich bemerke wie sie lautlos schluchzt.
„Es tut mir leid, aber es geht nicht anders. Sie dürfen nichts wissen", weint sie leise.
Sofort bin ich wieder bei ihr und ziehe sie in meine Arme. Und anders als in meinem Traum schaffe ich es wirklich sie zu greifen. Ich kann sie an mich drücken und trösten. Sie und auch mich.
„Was dürfen sie nicht wissen?", frage ich sie ruhig.
Doch Riley schüttelt nur den Kopf und vergräbt ihr Gesicht an meiner Brust. Nun schluchzt sie lauter und es zerreißt sofort wieder mein Herz. Offenbar hat sich das auch nicht geändert.
„Dass du meine Schwachstelle bist", flüstert sie so leise, dass ich es kaum verstehe.
Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich es verstehen soll. Dennoch gleitet eine eisige Gänsehaut mein Rückenmark hinunter. Bedeutet das, dass sie mich liebt? So wie ich sie liebe?
Blinzelnd versuche ich mir das nicht zu sehr einzureden. Vielleicht bin ich auch nur ihre Schwachstelle, weil ich sie an Hydra erinnere. Oder weil sie doch noch Angst vor mir hat.
Aber dann würde sie nicht Schutz bei mir suchen. Also liebt sie mich doch?
Ich kann es nicht sagen, denn ihre Aussage ist sehr verwirrend für mich.
„Was meinst du damit?", frage ich somit bei ihr nach.
Riley verspannt sich in meinen Armen, löst sich aber nicht. Ich bin froh darum, denn ansonsten würde ich mir wohl Vorwürfe machen und mich wieder selbst dafür beschuldigen, sie verscheucht zu haben.
„Lass mich bitte erst noch kurz diesen Moment genießen", hält sie jedoch entgegen.
Auch wenn ich Antworten will, gewähre ich es ihr kurz. So wie sie klingt hatte sie lange keinen Moment wie diesen mehr. Auch wenn ich mir sicher bin, dass Alec für sie leicht für Kuscheleinheiten zu haben ist. Aber auch nur für sie.

„Okay, die anderen fragen sich sicherlich, wo wir bleiben", bemerkt sie nach einigen Minuten.
Seufzend löse ich mich aus der Umarmung und sehe zu ihr. Sie vermeidet Augenkontakt, selbst wenn sie blind ist. Und ihre Gestalt wirkt beinahe in sich zusammengesunken.
„Riley, bevor wir diesen Raum verlassen, muss ich dich dringend etwas fragen. Nicht weil ich dir nicht vertraue oder dich den Behörden ausliefern möchte. Aber ich will dich beschützen und muss das wissen. Hast du den Bombenanschlag auf die CIA-Zentrale angefordert? Hast du Alec befreit und damit den Leiter der Zentrale getötet?", hake ich bei ihr nach.
Riley blinzelt und sieht doch zu mir auf. Ihr Blick zeigt trotz der Leere auch Klarheit und ist fest.
„Nein. Ich war nichts davon. Natürlich bin ich froh, dass mein Bruder wieder hier ist. Aber ich habe das nicht getan. Ich kann dir meine eignen Befreiungspläne zeigen, wenn du dich überzeugen willst", meint sie deutlich und selbstsicher.
Zufrieden nicke ich, bis mir einfällt, dass sie das nicht sieht.
Also formuliere ich es um: „Nein, schon in Ordnung. Ich glaube dir."
Diesmal nickt Riley und ich atme erleichtert auf. Sie war es wirklich nicht. Sie hat Lester Miron nicht auf dem Gewissen. Aber vielleicht jemand anderes?
„Und Andro Ivanic? Warst du diejenige, die ihn erschossen hat?"
Spottend sieht Riley zu mir. Also ja?
„Sehe ich so aus, als könnte ich jemanden erschießen, der eine Geisel hat?", gibt sie zurück.
Doch ein nein?
„Aber es war in meinem Auftrag, wenn du das meinst", gibt sie zu. „Ich hätte ihn gerne länger leiden lassen, für das was er uns angetan hat. Aber mein Bruder hatte Vorrang." 

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Und hier wieder einmal ein Kapitel :D

Schönen Dienstag euch allen!

Alpha - New MissionWhere stories live. Discover now