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Vor dem großen Fenster, welches die Stadt zeigt, stehen Alec und Riley. Alec sieht nach draußen, Riley immerhin in die Richtung.
Als sie uns kommen hören, drehen sie sich zu uns um. Alec greift nach Rileys Hand, welche zu im aufblickt. Er summt leise und sie nickt. Ihr Bruder löst sich wieder von ihr und sieht zu Steve.
„Können wir unter vier Augen reden, Steve?"
Mein bester Freund nickt sofort. Alec setzt sich in Bewegung und verschwindet aus dem Raum.
Riley und ich bleiben allein zurück. Nicht wissend, was ich tun soll, verlagere ich mein Gewicht ein wenig. Riley bleibt still und sieht vor mir auf den Boden.
„Alec meinte, wir sollten einen Tag zusammen verbringen. Um alles zwischen uns zu klären", erklärt sie mir dann.
Überrascht blinzle ich und richte mich ein wenig auf. Meint sie das ernst?
„Wärst du einverstanden?"
Fragend und überraschend verunsichert sieht sie zu mir auf. Ihr Körper ist angespannt und erinnert stark an die alte Riley. Mache ich ihr noch immer Angst?
„J-Ja, ja sicher", stimme ich ihr verdattert zu.
Sie lächelt ein wenig und kommt schüchtern auf mich zu. Als sie ihre Hände nach mir ausstreckt, nehme ich sie vorsichtig in meine. Ihr Grinsen wird breiter und ich verliebe mich sofort darin.
„Ich zieh mich noch kurz um, dann können wir in die Stadt oder so", erklärt sie mir.
„Ist das sicher?", zweifle ich jedoch an.
„Tagsüber ist es nicht ganz so schlimm."
Nickend lasse ich ihre Hände wieder los. Riley geht an mir vorbei, bis zum Aufzug. Vorsichtig folge ich ihr und warte, bis der Lift da ist. Glücklich stehe ich da und versuche nicht auszuflippen. Riley lebt, ist hier und möchte etwas mit mir unternehmen.

Als wir eine halbe Stunde später durch die Straßen von High-Town wandern, trägt sie einen hellblauen Hoodie und schwarze Jeans mit Elastikeinsätzen. Es ist gewöhnungsbedürftig, sie wieder in normaler Alltagskleidung zu sehen. Früher tat sie das oft, aber hier in Madripoor habe ich sie immer nur in schicken Overalls oder Kampfanzügen gesehen.
Zudem hat sie den Schäferhund dabei. Er trägt ein Blindengeschirr und ist voll bei der Sache. Auf Nachfrage hat mir Riley erklärt, dass Alec und Liam ihn für sie trainiert haben. Wirklich beeindruckend, wenn man bedenkt, dass sie damals vermutlich kaum Hundeerfahrung hatten.
Mit der Kapuze oben und dem Kopf gesenkt spaziert sie mit mir an den Geschäften vorbei. Neugierig sehe ich mich um und mustere die Läden. Es ist beinahe ein wenig wie in Brooklyn, mit allen kleinen Geschäften und Imbissen.
„Kannst du sie mir beschreiben?", flüstert sie mir leise zu.
Mein Herz hüpft kurz etwas höher, als sie mich darauf anspricht.
„Sehr gerne. Das Geschäft zu deiner Linken leuchtet in roten Farben und hat an den Wänden goldene Verzierungen. Es sind einige asiatische Schriftzeichen aufgeschrieben. Bilder an dem Fenster zeigen Frühlingsrollen und verschiedene Nudel- sowie Reisgerichte", beschreibe ich ihr das erste Lokal.
Riley nickt interessiert und lässt ihren Kopf nach links schweifen. Der Hund hechelt zufrieden und führt sie weiter durch die Straße. Geschickt diktiert er sie an den Leuten vorbei, die uns entgegenkommen. Die Straße ist nicht überfüllt, wie in New York, aber auch nicht gerade leer.
Überglücklich beschreibe ich ihr möglichst die gesamte Straße und genieße die Zeit, die uns gegeben wird. Ich weiß, dass es nicht für immer sein wird. Immerhin könnte sie in gerade einmal einer Stunde tot sein, wenn wir diese Stadt wieder verlassen.
Zur Bestätigung rattert sogleich ein Hubschrauber über uns drüber. Besorgt sehe ich hoch und bemerke, dass noch immer sehr viele herumschwirren. Wenn nicht sogar noch mehr.
„Glaubst du, sie werden schießen?", befragt mich Riley, als der Lärm vorüber ist.
Schluckend sehe ich zu ihr. Ihre Augen sind auf mich gerichtet und ihr Gesichtsausdruck ist trüb.
„Ich weiß es leider nicht", muss ich ihr deprimiert gestehen.
Riley nickt und senkt den Kopf. Himmel, ich würde gerade alles dafür tun, um sie zum Lächeln zu bringen.
„Bucky. Wenn ihr geht, nehmt bitte die Kinder mit. Sie verdienen es nicht, wegen Verbrechern, mit denen sie nichts zu tun haben, getötet zu werden. Bring sie an einen sicheren Ort und stelle sicher, dass sie glücklich aufwachsen können", bittet sie mich aus dem Nichts.
Fassungslos sehe ich sie an und ringe um Worte. Schätzt sie die Lage so schlimm ein?
„Ich gehe hier nicht ohne dich weg, Riley. Wir finden einen anderen Weg", versuche ich ihr Mut zu machen.
Doch Riley schüttelt den Kopf.
„Wenn ich auch nur einen Fuß aus Madripoor strecke, werde ich verhaftet und ins Raft gesteckt, bis sie mich als Waffe für sich selbst verwenden können. Ich war mein Leben lang eine Gefangene und eine Waffe. Ich lasse mir das nicht noch einmal antun, egal was es bedeutet."
Schluckend sehe ich die Entschlossenheit in ihr. Sie würde sich lieber umbringen, als noch einmal als Waffe missbraucht zu werden. Was ich eigentlich auch tun sollte. 
„Was dir zugestoßen ist, ist unaussprechlich. Aber ich versichere dir, wir finden einen Weg", versuche ich es trotzdem.
„Der einzige Weg in dieser Welt nicht gefangen genommen zu werden ist ein Leben auf der Flucht. Madripoor ist der einzige Ort, an dem ich mich nicht durchgehend verstecken muss. Es ist das Beste, was ich bekommen kann, Bucky. Ich kann das nicht aufgeben. Tut mir leid."
Betroffen nicke ich und sehe zu dem indischen Kleidergeschäft. Hier ist jede Nation vertreten.
Irgendwie kann ich sie verstehen, immerhin habe ich auch nur dem Sokovia-Abkommen zugestimmt, um endlich in Ruhe gelassen zu werden. Das hat mich hierhergebracht. Als Mittel, damit die Kinder die Agenten nicht sofort erschießen.
Etwas verblüfft erkenne ich, dass ich sie noch immer Kinder nenne. Obwohl sie inzwischen über dreißig sind. Aber sie sehen noch immer so jung aus. Alle von ihnen. Hat Hydra etwas damit zu tun?
„Es tut mir leid. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das für dich sein muss. Mit allem, was du erlebt hast. Ich weiß nur, wie es für mich war", gebe ich zu.
„Selbst du hast dich zwei Jahre lang in Europa versteckt. Ich denke, du kannst es dir wenigstens denken", gibt sie trocken zur Antwort.
Schluckend senke ich den Kopf und schiele auf den Hund. Dieser sieht glücklich hechelnd zu mir auf und hat keine Ahnung von der Ernsthaftigkeit der Lage und des Gesprächs. Schluckend gehe ich weiterhin neben Riley her.

„Warst du schon in einem Einkaufszentrum? Das wolltest du doch", versuche ich ein lockereres Gespräch anzufangen.
Riley lächelt traurig und schüttelt den Kopf.
„In den Staaten kam ich nicht mehr dazu und hier gibt es keine. Nur kleine Lebensmittelläden und solche Einkaufspassagen", erklärt sie mir.
Zur Antwort summe ich etwas. Vorsichtig schiele ich zu Riley, welche von ihrem Hund neben mir hergeführt wird.
„Es tut mir leid, dass ich dich acht Jahre lang habe leiden lassen. Aber es musste sein, um die Welt von meinem Tod zu überzeugen. Tja und jetzt wird eure Agentin überall herumerzählen, dass ich noch lebe und wer ich bin. Madripoor wird sich auf einiges gefasst machen müssen", meint sie plötzlich.
Mit dieser Entschuldigung habe ich als letztes gerechnet. Fassungslos sehe ich zu Riley und versuche ihre Worte zu verarbeiten. 

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Hier wieder einmal ein Update :)

Tut mir leid, dass ihr so lange warten müsst momentan, ich finde nur kaum noch Zeit zum Schreiben :/

Wie denn auch sei, ich hoffe es hat euch gefallen!

Alpha - New MissionWhere stories live. Discover now