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"Ich mag nicht mehr", jammert Maddie, als sie vor dem Spiegel steht und sich ansieht. "Ich seh aus wie ein Ballon auf Stelzen". Susanne muss sich ein Lachen verkneifen und geht zu ihr. "Süße, du siehst wunderbar aus. Am Ende geht es uns allen gleich und wir sind froh, wenn es vorbei ist. Aber wenn du das Kleine dann im Arm hältst, ist es das Beste, was dir passieren kann". Maddie trägt ein Kleid, das ihren Babybauch betont. Es hat ein cremefarbiges Spitzenoberteil mit U-Boot-Ausschnitt, der Rock ist bodenlang in taupe, über ihrem Bauch verläuft eine farblich passende Schärpe. Zweifelnd schaut Maddie sie an, dann hebt sie zwei Paar Schuhe hoch. "Welche?" Susanne überlegt nur kurz. "Die, mit denen du am besten laufen kannst" - "Aber das sind die Turnschuhe!" - "Maddie, du bist hochschwanger. Zieh an, was dir guttut. Dein Kleid ist lang genug, um die Schuhe zu verdecken". Maddie zögert noch etwas, doch dann schlüpft sie in die bequemen Sneakers, die farblich zu ihrem Kleid passen, aber ein totaler Stilbruch sind. "Zerbrich dir nicht den Kopf, Maddie. Du musst dich wohlfühlen" - "Sie werden sich die Mäuler zerreissen" - "Oder sie beneiden dich um den Mut, genau das zu tun, was sie selber gern getan hätten. Wir sind nicht mehr im Mittelalter. Ausserdem bin ich bei dir und Mike liebt dich auch mit Turnschuhen", zwinkert Susanne ihr zu, als es an der Türe klopft. "Herein". Thorsten steckt seinen Kopf ins Zimmer und schiebt seinen Körper hinterher. "Wow, Ladies, ihr seht echt toll aus. Eure Männer werden Augen machen!" Er mustert die beiden noch kurz, dann dreht er sich zu Connor, der hinter ihm steht. "Wir haben zwei wundervolle Lunas, findest du nicht?" Connor nickt. "Lass das bloß nicht Mike und Louis hören", grinst er. "Das ist nur die Wahrheit". An die Frauen gewandt, fragt Thorsten: "Können wir?" - "Ja".

In der Lobby des Hotels, in dem der Ball stattfindet, warten Louis und Mike schon aufgeregt auf ihre Gefährtinnen. Sie sind bis aufs Äußerste angespannt, aber im Moment ist noch alles ruhig. Als sich jetzt die Fahrstuhltür öffnet, spüren sie die Anwesenheit ihrer Lunas und sie drehen sich um. Thorsten und Connor betreten zuerst die Lobby, gefolgt von Maddie und Susanne, die alle Blicke auf sich ziehen. Mike hat Maddie bereits an seiner Seite, bis Louis bei Susanne ankommt. Er mustert sie lange, bis er ihr einen Kuss auf die Stirn gibt. "Deine Haare sind anders" - "Ja - nicht gut?", fragt sie verunsichert. "Doch! Ich mag es nur lieber, wenn du sie offen trägst. Aber für heute hast du die richtige Wahl getroffen. Elegant und etwas streng. Ich glaub, ich kann noch viel von dir lernen". Louis lächelt sie beruhigend an und legt ihre Hand in seine Armbeuge, um Mike und Maddie zu folgen, die bereits im Saal verschwunden sind.

Susanne traut ihren Augen nicht, als sie den Saal betreten. Bodentiefe Fenster mit dunkelroten Vorhängen säumen den Saal auf drei Seiten, Kronleuchter hängen von den Decken und um die riesige Tanzfläche herum sind kleine und größere Tischgruppen platziert. Schmunzelnd betrachtet Louis die Frau an seiner Seite und führt sie zu einem Sechsertisch, an dem Mike, Maddie, Thorsten und Connor bereits sitzen. Er bietet ihr einen Stuhl an und nachdem sie sitzt, nimmt er neben ihr Platz, auf ihrer anderen Seite sitzt Thorsten, Mike und Connor haben Maddie in ihre Mitte genommen.
Susanne versteht mittlerweile, warum Louis nicht wollte, dass sie ihr eigenes Abendkleid anzieht. Selbst jetzt hat sie eines des schlichtesten Kleider an. Die Damen tragen oft wallende Kleider, die Röcke aus mehreren Lagen, viel Glitzer, viele haben ein Hütchen oder gar ein Diadem auf dem Kopf. Nur ein paar wenige haben schlichtere Kleider an - aber diese Frauen verfügen über mehr Anmut und Ausstrahlung als die anderen. Louis beugt sich zu ihr. "Champagner?" Mit großen Augen schaut sie ihn an und nickt dann. "Ja ... ich glaub, ohne Alkohol pack ich das nicht". Er greift nach ihrer Hand und mit der anderen winkt er einen der Kellner an den Tisch, der bereits ein paar Champagnerflöten auf seinem Tablett stehen hat. Louis nimmt zwei Gläser, gibt eines davon Susanne und hebt seines an. "Auf uns, mein Schatz, und auf einen unvergesslichen Abend!" Beide trinken einen Schluck und Louis wird in Zukunft noch oft an diesen Spruch zurückdenken - denn es wird ein unvergesslicher Abend, nur anders als gedacht.

In der nächsten Zeit werden kleine Häppchen gereicht, von denen Maddie einige zurückweisen musste, da sie mit rohen Fisch oder ähnlichem waren. "Ich bin echt froh, wenn das Baby da ist", sagt sie immer wieder und verzieht das Gesicht. Mike versucht sie abzulenken, aber es gelingt ihm nur kurz. Auch die anderen am Tisch schaffen es nicht, Thorsten hat das ja mit Alex selbst schon erlebt und weiß, wie hilflos sich ein Mann fühlen kann, während Louis und Connor kaum Mitgefühl mit Mike zeigen. "Ihr seid keine große Hilfe", rügt Susanne die beiden, als Mike und Maddie kurz den Saal verlassen, um frische Luft zu schnappen. "Aber ..." - "Nix aber! Die letzten Wochen sind nicht leicht, man ist aufgebläht, alles tut weh, man kann nicht mehr richtig schlafen, hat immer wieder Übungswehen und so weiter. Für einen Mann ist das schwer zu verstehen, schon klar, aber ihr könntet euch wenigstens etwas Mühe geben und Mike ein wenig unterstützen und nicht noch Salz in die Wunde streuen mit doofen Kommentaren!" Verdutzt sehen Louis und Connor Susanne an, Thorsten grinst leise vor sich hin. Susanne trinkt noch einen Schluck Wasser, dann steht sie auf und wendet sich Richtung Ausgang. Sofort ist Louis bei ihr. "Wo gehst du hin?" - "Zur Toilette. Und das kann ich alleine, ich bin nämlich schon ein großes Mädchen, weisst du?!" Sprachlos bleibt Louis stehen, doch per Mindlink nimmt er Kontakt auf. "Bist du sauer?" Es dauert ein wenig, bis er eine Antwort bekommt. "Ja. Ich versteh einfach nicht, wie man im 21. Jahrhundert noch so chauvinistisch sein kann!" - "Susanne ... bitte, das war doch gar nicht so gemeint. Ich glaube auch nicht, dass Mike es böse aufgefasst hat" - "Denkst du wirklich, es geht um Mike? Hast du den verletzten Blick von Maddie nicht gesehen, als ihr ihn aufgezogen habt? Er gibt sich so viel Mühe, dass es ihr gut geht - und ihr habt nichts besseres zu tun als ihn damit aufzuziehen. Das ist wirklich das Allerletzte!" Susanne schottet sich wieder ab und Louis setzt sich nachdenklich zurück auf seinen Platz. So hatte er das Ganze nicht gesehen - diese Frotzeleien untereinander gab es schon immer und die waren eigentlich auch nie ein Problem ... aber jetzt war Maddie im Spiel und die sollte nicht unter ihren Neckereien (und mehr war das nie) leiden.

Alpha LouisWhere stories live. Discover now