Kapitel 22

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Stacy und ich haben uns mal wieder, während unserer freien Zeit, in der Bibliothek verkrochen. Wir waren hier ungestört und es war sehr ruhig. Stacy konnte in Ruhe mit ihrem Freund schreiben und ich hatte die Chance zu lernen. Der Naturwissenschafts-Trakt der Bibliothek war recht schäbig aufgebaut, es waren keine richtigen Regale wie bei dem Trakt für die Jurastudenten, sondern Schwerlastregale. Es liegt wahrscheinlich daran, dass die Regale bei der Menge einfach günstiger sind und dass wir uns gerade im alten Gebäude der Uni befinden, hier sieht alles recht schäbig aus. Vor mir lag, auf einem Buchständer, ein dickes Buch über die Ökologie. Ich hatte mir Professor Werron ausgemacht, eine Vorlesung zu übernehmen als Tutor, um meine Note zu verbessern. Er wird sich währenddessen das alles anschauen. Alleine der Gedanke daran macht mich nervös, aber nur wegen unserem Professor, meine Kommilitonen sind mir dabei egal. Es war Ende des Semesters, da ist kaum noch einer in den Vorlesungen.

"Kylie", sagte Stacy plötzlich. Ich sehe auf und gucke Stacy dabei zu, wie sie auf ihrem Stuhl umher rutscht und immer wieder von ihrem Handy zu mir sieht. "Was ist los?"

"Schau mal." Sie hält mir ihr Handy unter die Nase. Es war ein Privatchat auf Instagram. Um genauer zu sein, war es ihr Chat mit Dain. Ich sah sie verwirrt an. "Les die Nachricht." Meine Augen wanderten wieder nach unten auf das Handy. Ich sah einige Nachrichten, die von Stacy gesendet wurden, aber nur gelesen wurden. Nur eine Nachricht ging nicht von Stacy aus. In ihr stand:

Noah möchte Kylie gerne bei seinem Geburtstag in

drei Wochen dabei haben.

Wäre es dir möglich, ihr das zu sagen?

"Das ist nicht sein ernst." Ich gab Stacy ihr Handy wieder. "Warum sollte er da lügen? Du hast mir doch schon gesagt, dass sein kleiner Bruder absolut vernarrt in dich ist."

"Schon, aber denkst du nicht, dass er genau das ausnutzt, um mich irgendwie in seiner Nähe zu haben?" Bevor Stacy zu Wort kam, redete ich weiter. "Ich habe nicht den Nerv dazu, mich mit der ganzen Sache auseinanderzusetzen. Zudem wenn ich da jetzt hingehe um Dain weiterhin die kalte Schulter zu zeigen, was manchmal echt Spaß macht, weil er es nicht erwartet, dann bin ich doch nicht besser als er. Ich nutze Noah dann doch auch nur aus."

"Ganz ehrlich, bei dir würde ich es nicht ausnutzen nennen. Ich meine, du wärst ja wegen Noah da und würdest ihm deine Aufmerksamkeit geben, Dain muss sich da halt hinten anstellen." Ich musste schmunzeln. "Was soll ich ihm denn jetzt schreiben?"

"Vielleicht, dass wenn er etwas von mir möchte, er mich selber kontaktieren könnte." Stacy sah mich verwirrt an, aber zuckte dann mit den Schultern und tippte drauf los. Als sie die Nachricht absendete, sah sie sehr zufrieden mit sich selbst aus. Ich schätze sie hat ihre eigenen Worte benutzt, was so viel bedeutet wie: "Ich bin nicht dein Dienstmädchen, wenn du etwas von ihr willst, dann kontaktiere sie gefälligst selber." Ich nahm an, dass das Gespräch vorerst beendet war und machte mich wieder daran, die Vorlesung vorzubereiten. Fachlektüre war extrem langweilig zu lesen, aber Werron meinte, dass ich dieses Buch benutzen soll, also tat ich das auch. Es verging einige Zeit, bis ich abgelenkt wurde durch mein Handy. Es lag neben meinem Collegeblock, auf dem ich Notizen machte und leuchtete gerade auf. Jetzt hatte ich eine Nachricht auf Instagram. Als ich sie mir außerhalb der App ansah, traute ich meinen Augen kaum. Sie war von Dain. Ich weiß nicht, ob ich gerade lachen oder schreien soll. Stacy schien meine Reaktion bemerkt zu haben und sah mich fragend an. Ich las ihr die Nachricht vor:

Hi, du hast es mit sicherheit schon mitbekommen,

aber ich wurde darauf hingewiesen, dass ich dir doch

besser selber schreiben soll. Noah würde gerne,

dass du in drei Wochen zu seinem Geburtstag kommst.

Falls du Fragen hast oder so, kannst du mir gerne schreiben! :)

"Nein, oder?", rief Stacy aus und konnte sich kaum noch halten vor Lachen. Von einer Gruppe in unserer Nähe wurden wir genervt angesehen. "Was hast du ihm geschrieben?"

"Nur, dass er dir selbst schreiben soll."

"Hast du ihm meinen Account gegeben?"

"Nö, aber du bist leicht zu finden, wenn man deinen Namen kennt." Sie warf mir ein Lächeln zu. "Er hat dir doch erst vor ein paar Minuten geschrieben."

"Dann hat er es halt sofort gesehen und nach dir gesucht." Sie zuckte mit den Schultern. "Ich finde es nur lustig, wie er schon direkt davon ausgegangen ist, dass du es gelesen hast."

"Natürlich geht er davon aus. Er weiß schließlich, dass du eine Freundin von mir bist."

"Eine?", stieß sie beleidigt aus. "Ich bin seine beste Freundin, ok? Genau so habe ich das auch geschrieben." Sie drehte sich beleidigt weg. "Ja, dann geht er sowieso noch mehr davon aus, dass du mir die Chats zeigst." Ich seufze. Was mich am meisten irritierte, war dieser Smiley. Was war sein Gedanke dabei? Denkt er jetzt, ist alles wieder gut? "Was guckst du so böse auf dein Handy?" Ich sah auf. "Deine Stirn hat sich richtig in Falten gelegt, was ist los? Was stört dich?" Ich schob ihr mein Handy rüber. Sie tippte auf die Nachricht und gelangte direkt in unseren Chat. "Nein, was machst du denn da?"

"Du hattest doch nicht vor ihn zu Ghosten, oder?" Sie sah mich angewidert an. Doch genau das hatte ich vor, ich sagte es allerdings nicht. "Wenn du richtig effektiv sein willst, dann liest du es und reagierst nicht, das lässt ihn verzweifeln." Sie zwinkerte mir zu. "Aber das ist nicht viel besser."

"Soll ich ihm antworten?"

"Bloß nicht", sagte ich schnell und entriss ihr mein Handy. Dain war noch online und hat jetzt sehr wahrscheinlich schon mitbekommen, dass ich die Nachricht gelesen hatte. Ich schloss Instagram und legte mein Handy wieder zur Seite. "Also willst du gar nicht drauf reagieren?"

"Nein, ich habe nicht vor, zu Noahs Geburtstag zu gehen, auch wenn mir Noah leid tut, aber ich will einfach nicht noch einmal einen Fuß in sein Zuhause setzen."

"Armer Noah."

"Was soll ich denn deiner Meinung nach machen?" Ich sah sie vielversprechend an. "Hingehen, Noah alles gute wünschen, ihm sein Geschenk geben, zu Dain gehen und vor versammelter Mannschaft in die Fresse schlagen." Ihre Amre waren vor ihrer Brust verschränkt und sie sah mich mit einem Was-Denn-Auch-Sonst-Blick an. "Du weißt, dass ich so nicht drauf bin."

"Und? Wäre mal was Neues." Ich fing an zu grinsen. "Nein, sowas tue ich nicht."

"Komm schon, dein Blick sagt mir, dass du es dir gerade vorgestellt hast und ich eine super Idee fändest." Mein Grinsen wurde stärker und ich fing an zu nicken. Ja, ich habe es mir vorgestellt, aber es ist nicht wie ich handeln würde. Zumal will ich Noah den Anblick ersparen.

Ich will dich nicht verlierenWhere stories live. Discover now