Kapitel 20 - Dain

6 1 0
                                    

Ich stand vor Noahs Schule mit meinem Auto. Aussteigen brauchte ich nicht, Noah wusste wo ich immer stand, wenn ich ihn abholte. Sein Lehrer schien heute zu überziehen, da die meisten der Schüler schon aus dem Schulgebäude gestürmt kamen, er aber noch nirgends zu sehen war. Angespannt trommelte ich mit den Fingern, passend zur Musik auf meinem Lenkrad rum. Wann kommt er denn endlich? Ich muss ihn heute noch zum Fußballtraining bringen. Gerade als ich mein Handy aus meiner Jackentasche fischen wollte, sah ich ihn aus dem Schulgebäude kommen. Er sah bedrückt aus. Die Tür hinten öffnete sich, er stieg ein und schnallte sich schweigend an. Ich lächelte ihn aufmunternd an und fragte: "Wie war die Schule?" Eine einfache Frage, die ich ihn trotzdem jeden Tag fragte, da mich sein Leben interessierte. Zumeist kam ein genervtes 'Wie immer' oder nur ein Schulterzucken, weswegen ich in den Fragen meist variierte, aber heute kam von ihm nichts. Er sah mich nicht einmal an. Ich drehte mich wieder nach vorne und startete den Motor. Schweigend fuhren wir los. Während der Autofahrt sah ich ihn immer wieder aus dem Rückspiegel her an. Entweder war er am Handy und tippte wie wild drauf rum oder er sah aus dem Fenster. Er wusste ganz genau, dass ich ihn ansah, aber er schien nicht darauf zu reagieren. Ich seufzte schließlich und ließ es bleiben. Er war sauer auf mich wegen der Sache mit Kylie, dabei hat er nicht das Recht auf irgendwen sauer zu sein. Er kennt sie nicht einmal. Sie haben sich ein paar mal unterhalten und mehr auch nicht. Bei dem Gedanken, dass er sauer auf mich war, wegen einer Sache zwischen mir und jemand anderem, wurde ich angespannter. Meine Hände umklammerten das Lenkrad, dass meine Fingerknöchel sich weiß verfärbten.

Zuhause angekommen, wollte Noah direkt auf sein Zimmer verschwinden, aber ich pfiff ihn zurück. Widerwillig stampfte er die Treppe wieder runter. Mit einem Kopfnicken symbolisierte ich ihm, dass er sich aufs Sofa setzen soll. Ich folgte ihm und setzte mich an genau denselben Platz, den ich auch hatte, als Kylie hier war. Noah hatte seinen Rucksack noch auf den Schultern und sah aus, als würde er jeden Augenblick wegrennen wollen. Er würdigte mich keines Blickes. "Was ist los mit dir?", fragte ich. Von ihm kam nur ein 'Nichts' zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. "Du bist sauer, oder?" Ein Nicken. Okay, wenigstens etwas. "Du willst, dass ich mich bei Kylie entschuldige, oder?" Noch ein Nicken. "Warum?" Keine Antwort. Ich wischte mir mit einer Hand über mein Gesicht. "Hey, kleiner, ich möchte nicht, dass irgendwas zwischen uns ist. Wir waren doch immer so unzertrennlich."

"Dann entschuldige dich bei Kylie."

"Was hat Kylie denn mit unserer Beziehung zu tun?" Ich wurde lauter. Noah zog den Kopf ein. Ich atmete tief ein und aus. Dieses Gespräch muss vernünftig verlaufen, also muss ich mich beruhigen. Das Auftauchen von Kylie hat vieles in meinem Leben verändert, insbesondere meine Reizbarkeit. Ich versuchte es noch einmal, nur ruhiger. "Was hat Kylie damit zu tun?"

"Ich mag sie und du magst sie auch. Du hast mich, seitdem du sie das erste Mal im Café gesehen hast, mehr mitgenommen und mehr mit mir unternommen. Du saßt nicht mehr dauerhaft im Weingut." Noah sah auf seine Füße und seine Augen wurden wässrig. Manchmal vergaß ich, dass er erst zehn war. Ich stand auf und kniete mich vor ihm hin. Meine Hände legte ich ihm auf seine. "Hey, dass ich mit dir öfter etwas unternommen habe, habe ich nicht wegen Kylie gemacht. Ich habe es gemacht, weil ich etwas mit dir unternehmen wollte. Du hast recht, ich bin zu oft im Weingut, aber wenn ich nicht da bin, dann läuft da auch gefühlt nichts."

"Das stimmt nicht. Joseph hat oft genug gesagt, dass du dir mal frei nehmen sollst und seitdem du mit Kylie ärger hast, machst du auch nichts mehr mit mir." Er hatte recht, ich saß wieder mehr in meinem Büro, auch wenn ich es nicht will. "Gut, dann fahren wir morgen zusammen in die Stadt und machen uns einen schönen Tag, wie klingt das?" Er nickte und schniefte. "Aber wir gehen auch ins Café und ich bekomme einen Kakao."

"Nagut." Ich lächelte ihn an und strich ihm eine Träne aus dem Gesicht. "Jetzt mach dich fertig fürs Training." Ich ging ihm aus dem Weg und er rannte freudig nach oben.

Kurze Zeit später kam er in seinen Fußball Sachen nach unten und sprang mir direkt in die Arme. "Womit hab ich das denn jetzt verdient?", fragte ich ihn freudig und strich ihm seine Haare von der Stirn. "Weil du mit mir morgen in die Stadt gehst", rief er aus und fiel mir um den Hals. Ich lachte und sammelte, mit ihm auf dem Arm, seine Sachen wieder auf. "Kommst du mit mir zum Training?", fragte Noah daraufhin. "Oh, ich weiß nicht, ich habe noch einiges zu tun." Ich setzte Noah ab und er sah mich mit seinem Hundeblick an. Seine Unterlippe fing an zu zittern und er starrte mich weiterhin an. Verdammt ich werde bei disem blick immer schwach. "Nagut, aber ich nehme meinen Laptop mit, ok?"

"Yay", schrie Noah und nahm mir seine Sachen aus dem Arm, um sie in seine Sporttasche zu packen. Noah schien auf der Autofahrt bei weitem glücklicher als nach der Schule. Als wir am Sportplatz angekommen waren, rannte er sofort zu seinen Teamkameraden und ließ mich alleine am Rand stehen. Ich war nicht die einzige Erwachsene Person, die mitgekommen war zum Training, aber im Gegensatz zu mir, waren alle relativ casual gekleidet, ich trug währenddessen immer noch einen Anzug. Ich setzte mich etwas entfernt von den anderen auf die Tribüne und legte meinen Laptop auf meinen Schoß, bevor ich anfing zu arbeiten. Ich musste noch einige Emails beantworten und unsere Einnahmen überprüfen, bevor mein Team und ich neue Sorten an Weintrauben anpflanzen konnten. Wir hatten vor ein paar Sachen zu ändern, aber hatten noch nicht wirklich eine Ahnung was wir ändern wollten. Zwischenzeitlich sah ich auf, die Jungs waren gerade fertig geworden mit dem Aufwärmen und setzten sich nun daran, ihre Schuß Fertigkeiten zu verbessern. Ich entdeckte Noah zwischen ihnen und auch er entdeckte mich. Freudig winkt er mir zu. Ich lächelte ihn an und winkte zurück. Die anderen Eltern, die hier saßen, sahen mich komisch an. Vermutlich, weil sie mich noch nie wirklich gesehen hatten. Ich habe zumeist Noah nur hingebracht und wieder abgeholt, aber bin noch nie beim Training dabei geblieben. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich einfach zu formell gekleidet war und einen Laptop auf dem Schoß hatte.

Über die nächsten zwei Stunden hinweg erwischte ich mich immer häufiger dabei zuzuschauen und Noah zu beobachten. In der letzten halben Stunde klappte ich sogar meinen Laptop zu. Noah sah glücklich aus. Seine Augen waren richtig am Strahlen. Ich hoffe, das liegt nicht einfach nur daran, dass ich hier bin und ihm zusah, sondern daran, dass ihm der Sport Spaß macht. Als das Training vorbei war, rannte Noah mir in die Arme. "Dain, hast du gesehen, ich habe Tore geschossen."

"Ich weiß, ich hab dir zugesehen. Das hast du wirklich super gemacht." Ich hob ihn hoch und trug ihn und unsere Sachen zum Auto. Im Auto schlief er fast ein vor Erschöpfung, aber bevor er das tat, sagte er noch: "Danke, dass du heute da warst." Im Rückspiegel konnte ich dann sehen, wie sein Kopf leicht nach vorne fiel und er einschlief.

Ich will dich nicht verlierenNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ