Kapitel 8

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Selbst nachdem ich die Wahrheit über ihn erfahren hatte, 

konnte ich keine echte Angst verspüren.

>> Harlow <<

Dieser Schmerz saß ungeschliffen in meinem Herzen wie ein dicker Rohdiamant. Kantig und rau durchbohrte er meine Brust und setzte sich in meinem Fleisch fest. Es blutete. Alles in mir blutete und schmerzte.

Ich wollte schreien. Ich wollte weinen. Ich wollte rennen. Solange, bis Licht am Ende des Tunnels erschiene. Nur war da kein Licht. Ich sah nur Dunkelheit. Pure, undurchdringliche Schwärze.

Schmerz. Was bedeutete dieses Wort eigentlich? Jeder nahm dieses Empfinden anders wahr. Genauso wie Stress. Bei zu viel Stress schaltete der Körper in den Überlebensmodus und man reagierte nur noch. Das nahm man so gar nicht wahr. Erst im Nachhinein konnte man sich selbst reflektieren und verstehen, dass man nicht richtig reagiert hatte. Es handelte sich hierbei um einen Urinstinkt, den man nicht einfach abstellen konnte.

So fühlte ich mich gerade. Ich wollte das Problem lösen, damit es mir keine Schmerzen mehr bereiten konnte. Es war aber Nichts, was man in ein paar Minuten ändern könnte.

Es war nichts, was in meiner Macht stand, und das stresste mich nur noch mehr. Es war unkontrollierbar.

Schwer schlug das Herz in meiner Brust. Die Kurzatmigkeit schaffte es nicht genug Sauerstoff in meine Lunge zu jagen. Ich fühlte mich in die Ecke gedrängt. Ich war so allein. Ich war so allein auf dieser fucking, unfassbaren Welt.

Waylen handelte immer wieder gegen meinen Willen. Er hielt sich nicht von mir fern. Selbst jetzt mischte er sich in meine Angelegenheiten ein, obwohl ich ihn immer wieder von mir gestoßen hatte. Wenn ich ihn nicht an mich heranließ, dann musste eben Jemand anderes diesen unliebsamen Job für ihn übernehmen.

Ich konnte das alles nicht mehr. Ich ertrug mich ja kaum selbst. Plötzlich fühlte ich mich in meine Teenagerzeit zurückversetzt. Ich wusste nicht, wie ich mit der Krankheit meiner Mutter umgehen sollte. Ich wollte gar nicht mit dieser umgehen müssen. Ich wollte einfach nur meine Mom. Oder Dad. Eine Person, die mich in den Arm nähme und mir sagte, dass alles gut werden würde.

Ich wünschte mir mein sechsjähriges Ich zurück. Zu gern säße ich jetzt auf der Couch in meinem Pyjama und sähe mir Pokémon im alten Röhrenfernseher an. Weder die Serie noch das Gerät kannten die meisten Jugendlichen mittlerweile, doch für mich bedeuteten diese Dinge meine Kindheit. Es erinnerte mich an eine behütete Zeit.

Ich wusste nicht, wie ich hierhergekommen war und dennoch stand ich jetzt vor dem alten grauen Stein. Sein Name war nach all der Zeit deutlich zu erkennen. Ich hatte dafür gesorgt, dass alles gepflegt wurde. Ich wollte, dass er seine verdiente letzte Ruhe genießen konnte.

Meine Mutter hatte nicht gelogen. Sie hatte sich tatsächlich um das Grab meines Vaters gekümmert, denn das Laub war vom Grab verschwunden und ein paar Rosen lagen vor dem Grabstein.

Sanft fuhr ich über den kalten Stein und wünschte, ich könnte mich einfach auf den Boden neben meinen Vater legen und die Welt um mich herum abschalten. Vielleicht klang das merkwürdig. Für mich war es nur allzu verlockend.

„Du solltest an der Straße warten und nicht durch die Gegend marschieren", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.

Schwer atmete ich durch. Natürlich hatten sie mich gefunden. Ich hätte nichts anderes erwarten dürfen.

„Ich wollte allein sein", erwiderte ich.

Wir hatten uns nicht einmal begrüßt, aber das war auch gar nicht nötig. Ich wollte ihn nicht hier haben und wahrscheinlich konnte er sich auch besseres vorstellen als auf mich aufzupassen.

Ihr wahnsinniges HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt