17.

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Helena wartete einige Minuten, bis sie sich sicher war, dass ihre Mutter weg war. Dann ließ sie angewidert den Lappen fallen, mit dem sie angefangen hatte, die Arbeitsfläche abzuwischen.
Ein gehässiges Grinsen setzte sich in ihr Gesicht. Hatte ihre Mutter nicht selbst gesagt, sie solle einen der anderen Diener fragen, wenn sie Hilfe brauchte?
Das Mädchen wischte sich die Hände an einem sauberen Tuch ab, wobei sie blutige Spuren an dem Stoff hinterließ, bevor sie die Küche verließ und einen bestimmten Raum im Erdgeschoss anzusteuern.

Ohne anzuklopfen stürmte sie in das Büro.
„Jonathan, ich brauche deine Hilfe."
Leicht genervt blickte der Vampir von dem Buch auf, in dem er gerade arbeitete.
„Prinzessin Helena... Wie kann ich Euch helfen?"
„Hast du die Diener für heute schon eingeteilt? Ich möchte, dass du mir heute Nuri zuteilst."
Jonathan hob skeptisch die Augenbraue und seufzte. Es widerstrebte ihm, das Mädchen Helena zuzuteilen.
„Prinzessin, die Dienstpläne stehen bereits mehrere Tage im Voraus fest."
Helena stemmte die Hände in die Hüften.
„Das ist mir egal. Ich will, dass Nuri heute mir zugeteilt wird. Kümmer dich darum, oder soll ich mich erst bei meinem Vater beschweren? Nuri war jetzt schon lange nicht mehr mir zugeteilt. Sie ist fast nur noch für meinen Bruder da. Das ist ungerecht."

Mit einem Seufzen blätterte Jonathan einige Seiten zum aktuellen Tag zurück und strich mit dem Finger suchend über das Blatt. Er wusste genau, wo Nuri heute arbeitete, und wollte sich so lediglich etwas Zeit verschaffen.
„Ihr habt Glück, Prinzessin. Sie ist heute lediglich zum Putzen der sensiblen Bereiche eingeteilt. Das lässt sich notfalls verschieben", erklärte er mit einem unzufriedenen Brummen.
Zufrieden nickte Helena. „Dann hol sie und schicke sie zu mir in die Eingangshalle."
Jonathan runzelte leicht die Stirn, doch dann zuckte er die Schultern.
Er hatte zwar Besseres zu tun, als für die Prinzessin den Laufburschen zu spielen, doch bevor er lange mit dem verwöhnten Gör diskutierte, hätte er den Auftrag längst ausgeführt. Und vielleicht war es besser, wenn er selbst es Nuri sagte.

Kurz darauf stand er in einem der privaten Büros.
„Nuri?", sprach er die junge Dienerin an. Sofort drehte sich das junge Mädchen um und verneigte sich mit einem Lächeln. „Ja, Jonathan?"
Der Vampir seufzte leicht. „Es hat sich für heute leider etwas bei deinem Aufgabenbereich geändert, Nuri. Die Prinzessin besteht darauf, dass ich dich heute ihr zuteile, es tut mir Leid, aber ich muss diesem Wunsch nachkommen."
Das Mädchen schien regelrecht zu versteinern, dann nickte sie langsam.
„Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig...", erwiderte sie mit einem Seufzen, lächelte dann jedoch schwach. „Dann habe ich es zumindest erst einmal wieder hinter mir... Wo soll ich hingehen?"

Jonathan nickte ihr aufmunternd zu. „Die Prinzessin wartet auf dich in der Eingangshalle. Ich konnte es leider nicht abwenden. Aber du wirst das schon schaffen. Und wenn nicht – du weißt, dass der Prinz sehr viel von dir hält. Scheue dich nicht, bei ihm Hilfe zu suchen, er wird sie dir gewähren."
Nuri lächelte. „Ich danke Euch, Jonathan, aber ich habt recht: Ich werde es schon schaffen."
Die Dienerin verneigte sich leicht vor dem gutmütigen Vampir.
„Dann lasse ich sie besser nicht warten. Ich räume nur noch schnell meine Sachen weg."

Wenige Minuten später kam Nuri in der Eingangshalle an, wo Helena schon ungeduldig auf sie wartete.
„Das hat ja gedauert. Ich dachte schon, ich müsste hier festwachsen", fuhr sie die Jüngere an.
„Komm mit in die Küche, wir haben dort zu tun – oder besser gesagt: DU. Denn ich werde mit Sicherheit keinen Finger mehr rühren."
Verwirrt zog Nuri die Augenbrauen hoch, doch wusste sie es besser, als der Prinzessin zu widersprechen.

Kurz darauf standen die beiden Mädchen in der Küche. Sofort deutete Helena gebieterisch auf die Arbeitsfläche.
„Mach hier sauber. Und wenn du damit fertig bist, wäscht du die Schürze in der Wanne und das Tuch dort drüben. Ich will danach keinen Tropfen Blut mehr sehen."
Verwundert und erstaunt blickte Nuri die Ältere an.
„Achja...und wenn du damit fertig bist, machst du alle Aufgaben, die normalerweise Lilia macht. Du weißt ja wohl noch wie das geht", fuhr das Mädchen süffisant grinsend fort.
Nuri setzte gerade an, etwas zu sagen, als Helena ihr das Wort abschnitt.
„Lilia hat gedroht zu kündigen. Und das nur, weil sie unfähig war, mir mein Blut zu richten. Jetzt soll ich ihre Aufgaben übernehmen. Aber meine Mutter hat gesagt, ich könnte ja die Diener fragen, wenn ich Hilfe brauche."

Die Julius Chroniken - Teil 1: Die ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt