1 Prolog

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Es war tiefe Nacht, doch der Himmel war vom roten Feuerschein brennender Gemäuer erhellt.
Julius eilte in sein Arbeitszimmer. Er hörte, wie das Knistern des Feuers langsam näher kam. Er roch den beißenden Rauch, der langsam durch alle Ritzen kroch und sich in der Burg verteilte, bis man kaum noch etwas sehen konnte.

Eilig griff Julius nach einem Pergament und seiner Feder. Deutlich spürte er die Hitze der Flammen, die inzwischen an der geschlossenen Türe leckten.
Er tauchte die Feder in das Tintenfass und ließ die Spitze dann über das Pergament gleiten. Immer wieder nahm er Tinte auf und schrieb weiter. Als er am Ende der Seite angekommen war, griff er blind nach einem weiteren Bogen Pergament und schrieb weiter. Schließlich setzte er das letzte Zeichen auf das Blatt.
Sorgfältig reinigte er die Feder. Eine im Grunde sinnlose Tätigkeit. Nie wieder würde jemand diese Feder benutzen. Dennoch legte er sie behutsam zurück in ihre Schatulle und blickte auf.
Er sah die ersten Flammen an der Türe züngeln. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit.
Er rollte die beiden Pergamentbögen einzeln zusammen und verschloss sie mit seinem Siegel.

Beide Rollen in der Hand trat er an die steinerne Rückwand des Raumes. Seine eine Hand glitt suchend über die Steine. Schließlich fand er, was er gesucht hatte, und drückte einen Stein nach innen. Langsam öffnete sich ein verborgenes Fach, in das Julius eilig die Rollen hinein legte. Er merkte nicht, dass eine der Rollen weit nach hinten rollte und verschloss das Geheimfach wieder.

Julius warf einen letzten Blick auf die Wand. Mit etwas Glück würden die Pergamentrollen das Feuer überstehen. Mit etwas Glück, würden sie auch die Jahre überdauern, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war. Julius trat an das hohe Fenster. Aus dem nahen Wald konnte er immer noch das Heulen des Wolfrudels hören. Mit leichtem Bedauern blickte er noch einmal zurück. Er hatte getan, was er konnte. Der Rest lag nicht mehr in seinen Händen. Für ihn gab es nichts mehr, was er noch tun konnte. Seine Zeit war vorbei. Julius stieg auf das Fenstersims. Es krachte. Die Tür war endgültig den Flammen zum Opfer gefallen. Im gleichen Augenblick verschwand Julius in den Schatten der Nacht.

Die Julius Chroniken - Teil 1: Die ProphezeiungWhere stories live. Discover now