16.

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Die Beine in der Luft baumelnd, saß Helena auf der Arbeitsfläche in der Mitte der Küche.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen und so war bisher nur wenig los in der großen Schlossküche.
Ungeduldig blickte die Prinzessin zu der Dienerin, die gerade damit beschäftigt war, ihr einen Becher Blut zuzubereiten.
Genervt von der Wartezeit ließ sie ihre Füße baumeln und trat immer wieder gegen ein Tischbein, sodass die Schüsseln auf der Arbeitsplatte anfingen zu klirren.
„Wie lange dauert das denn noch, Lilia? Das kann doch nicht so schwer sein, einen Becher Blut zu richten...", wandte sich die junge Vampirin an die ältere Dienerin.
Diese kniff die Mundwinkel zusammen und unterdrückte den Impuls, etwas zu erwidern, was sie im Nachhinein wohl bereuen würde. Statt dessen wandte sie sich mit einem Becher in der Hand zu Helena um.

„Ich bin schon fertig, Prinzessin. Bitte, hier."
Sie reichte dem Mädchen den Becher und strich sich erst nervös ihre Schürze glatt, dann die roten, lockigen Haare aus dem Gesicht.
Helena setzte den Becher an den Mund, doch kaum, dass die rote Flüssigkeit ihre Lippen berührte, verzog sie angewidert das Gesicht.
„Zu kalt", kommentierte sie trocken und reichte der Dienerin den Becher zurück.
Diese unterdrückte ein Seufzen und wandte sich mit dem Becher wieder ab.
Bereits kurz darauf kehrte sie zu Helena zurück. „Jetzt ist es wärmer, Hoheit."
Erneut setzte Helena den Becher an. Und erneut verzog sie das Gesicht. „Jetzt ist es zu warm, Lilia. Ist es denn so schwer, das Blut auf die richtige Temperatur zu bringen?"
Mit zusammengekniffenen Lippen nahm Lilia erneut den Becher entgegen.
Kaum, dass sie sich abgewandt hatte, begann sie beinahe gehässig zu Grinsen.
Anstatt das Blut auf irgendeine Weise abzukühlen, tat sie nur so, als ob sie schwer beschäftigt wäre und wandte sich kurz darauf wieder an Helena.
„Bitte Hoheit, jetzt sollte es richtig sein."
„Das will ich auch hoffen, Lilia. Sonst werde ich mich über dich beschweren."

Hinter ihrem Rücken ballte die Dienerin die Fäuste. Schon lange war sie mit ihrer Anstellung nicht mehr zufrieden – zumindest nicht, mit einer gehässigen und schikanierenden Jungvampirin auf der Burg. Viel fehlte nicht mehr, und sie würde diese eigentlich gute Anstellung kündigen, doch sie hatte besseres verdient, als sich von einer verzogenen Prinzessin herum scheuchen und schikanieren zu lassen.
Angespannt beobachtete sie das Mädchen, wie es erneut das Blut probierte, nur um im nächsten Moment zurück zu springen.
Helena schleuderte ihr den Becher entgegen und der ganze Inhalt ergoss sich über ihre Schürze.
„Jetzt ist es wieder zu kalt, Lilia. Du bist einfach nur unfähig."
Dieses Mal unterdrückte die Dienerin ihr Knurren nicht.
Statt dessen riss sie sich die Schürze vom Hals und warf sie auf die Arbeitsfläche.
„Es reicht. Jetzt habt Ihr den Bogen eindeutig überspannt, Prinzessin. Ich kündige."

Sprachlos klappte Helenas Mund auf. Dann wurde sie blass, als ihr die Worte ihrer Mutter vom Vortag wieder einfielen. Leise fluchte sie vor sich hin, bevor sie sich an die Dienerin wandte.
„Das war doch alles nicht so gemeint, Lilia...", versuchte sie die junge Frau zu beschwichtigen.
„Du kennst mich doch...."
Die Dienerin blitzte Helena lediglich verärgert an. „Ja, Prinzessin. Ich kenne Euch. Und eben deshalb steht mein Entschluss fest. Ich kündige und davon wird mich keiner abbringen."
Vor lauter Wut und unterdrücktem Ärger war Lilia so laut geworden, dass man sie bis weit außerhalb der Küche hören konnte.
Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Helena die ältere Frau an.
„Schrei doch nicht so, sonst ..."

„Sonst was ...?", erklang die strenge Stimme ihrer Mutter, die auf einmal in der Tür stand.
Nur kurz ließ Indra den Blick durch die Küche gleiten.
„Was ist hier passiert?"
Sofort lief Helena auf ihre Mutter zu und drückte krampfhaft ein paar Tränen hervor.
„Es ist ganz furchtbar, Mutter. Lilia wollte mir gerade meinen Becher mit Blut geben, als sie gestolpert ist und sich das ganze Blut über ihre Schürze geschüttet hat. Und jetzt behauptet sie, ich hätte ihr ein Bein gestellt und will kündigen."
Helena setzte noch ein gekonntes Schniefen hinzu und blickte ihre Mutter mit großen Augen an.
Einen Moment lang musterte die Königin ihre Tochter, bevor sie prüfend zu Lilia sah.
„Was hast du dazu zu sagen, Lilia?"

Die Dienerin atmete tief durch und ballte leicht die Fäuste vor Wut. Dann riss sie sich jedoch zusammen und knickste vor der Königin.
„Es tut mir Leid, Hoheit, aber ich sehe das etwas anderes..."
Indra lächelte sanft und nickte Lilia aufmunternd zu. „Davon bin ich bereits ausgegangen, Lilia. Sprich offen und erzähle mir, was passiert ist."
„Eure Tochter, die Prinzessin, hat mich gebeten, ihr einen Becher Blut zu geben. Das habe ich auch gemacht. Nunja...zuerst war ihr das Blut zu kalt, dann zu warm. Als nächstes, und das obwohl ich nichts verändert habe, hat sich die Prinzessin beschwert es wäre wieder zu kalt und hat mir das Blut über meine Schürze geschüttet, Hoheit. Ich habe daraufhin meine Schürze ausgezogen und gesagt, dass ich kündigen werde. Prinzessin Helena hat jedoch sehr seltsam reagiert und versucht, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Und dann wart Ihr schon da, Hoheit."

Nur kurz wanderte Indras Blick zu ihrer Tochter. Ihre Augen blitzten sie sichtlich verärgert an.
„Erst gestern haben wir darüber gesprochen, junge Dame. Und erst gestern habe ich dir angedroht, welche Konsequenz es haben wird, wenn erneut einer aus der Dienerschaft wegen dir kündigt."
Helena schob die Unterlippe vor und ließ sie leicht zittern.
„Aber Mutter...das war doch alles nur ein Missverständnis. Ich wollte doch nur einen Spaß machen und..."
„Genug!", schnitt Indra ihrer Tochter das Wort ab. „Welche Strafe habe ich dir gestern angedroht?"
Betreten senkte Helena den Kopf. Dieses Mal würde sie Nichts vor der angekündigten Strafe bewahren. „Dass ich die Aufgaben des betreffenden Dieners übernehmen muss, bis ein Ersatz gefunden ist, Mutter."
„Richtig, Helena. Und du wirst jetzt sofort damit anfangen. Deine erste Aufgabe wird sein, die Arbeitsfläche und die Schürze vom Blut zu reinigen."
„Aber Mutter...es ist BLUT. Wie soll ich das denn aus der Schürze heraus bekommen?"
Indra zuckte nur leicht die Schultern. „Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du dich wie ein kleines Kind aufgeführt hast. Du kannst jederzeit einen der Diener fragen..."
Zögerlich nickte Helena und ging auf den Tisch zu um mit spitzen Fingern die Schürze zu greifen und sie in eine Wanne für dreckige Kleidung zu werfen.

Zufrieden über diese Einsicht nickte Indra und wandte sich erneut an Lilia.
„Und dich bitte ich, mich zu begleiten. Vielleicht finden wir ja doch eine Lösung, ohne dass du kündigen musst..."
Die Dienerin zog leicht die Augenbrauen zusammen. Eigentlich hatte sie kein großes Interesse daran, diese Anstellung fortzuführen, solange die Prinzessin auf der Burg war. Allerdings schien zumindest die Königin gewillt, nun strengere Saiten bei ihrer Tochter aufzuziehen.
Lilia seufzte leicht und nickte schließlich. „... aber das ist noch keine Zusage, dass ich meine Kündigung zurück ziehe, Hoheit."
Die Königin neigte leicht den Kopf. „Wir werden reden. Solltest du danach immer noch deinen Dienst quittieren lassen, werde ich dir eine angemessene Abfindung auszahlen lassen."
Mit vor Wut blitzenden Augen blickte Helena ihrer Mutter hinterher. Vorerst blieb ihr nichts anderes übrig, als dem Auftrag ihrer Mutter nachzukommen, doch sie hatte bereits eine Idee. Dafür musste ihre Mutter aber zuerst sicher weit weg von der Küche sein.

Die Julius Chroniken - Teil 1: Die ProphezeiungNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ