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Sebastian saß über ein Dokument gebeugt an einem kleinen Pult neben dem Kerkerzugang.
Als Simon und Leon die Wendeltreppe hinaufstiegen, blickte er überrascht auf.
„Ist Fürst Yannik noch im Keller geblieben, Hoheit?"
Leons Mundwinkel zuckten leicht.
„Yannik kommt gerade in den ‚Genuss', die von ihm vorbereitete Zelle persönlich zu testen."
Die Wache zog die Stirn kraus.
„Ich verstehe nicht ganz, Hoheit?"
Leon grinste. „Der Mann ist uns schon lange ein Dorn im Auge mit seinem Gehabe. Aber heute hat er den Bogen bei Weitem überspannt.
Dazu dann noch die Zelle, die er für das Mädchen vorgesehen hat. Sie wird zwar unsere Gefangene sein, doch eine gewisse Würde hat sie dennoch verdient. Daher hat mein Vater Yannik selbst dort eingesperrt und ihm dazu sämtliche Titel und Ämter entzogen."
„Das heißt aber auch, dass wir jetzt keine angemessene Zelle für die Wandlerin haben", ergriff Simon das Wort.
Die Wache verneigte sich leicht. „Wenn Ihr mir sagt, welchen Ansprüchen das Verlies genügen soll, wird es mir eine Ehre sein, sie vorzubereiten."
Zufrieden nickte der König. „Ich wusste, dass ich mich auf Euch verlassen kann. Wir benötigen eine erhöhte Sicherheitsstufe, am besten mit einer Silbertür. Da das Mädchen aber eine politische Gefangene sein wird, sollte ihre Zelle zumindest etwas Tageslicht haben."
Noch während Simon sprach, griff Sebastian nach einem Kohlestift und machte sich Notizen.
„Ich werde sie im ersten Untergeschoss unterbringen. Die Zellen dort erhalten über die Lichtschächte an der Decke immerhin noch etwas Tageslicht.
Mehr Licht gibt es nur hier im Erdgeschoss, aber die Sicherheit ist deutlich geringer. Welche Ausstattung wünscht Ihr für die Zelle selbst?"
Nachdenklich rieb Simon sich das Kinn.
„Eine einfache Matratze am Boden. Und an den Wänden Silberketten, um sie notfalls anzuketten."
Sebastian lächelte. „Bis heute Abend sollte das Verließ vorbereitet sein. Reicht das, Hoheit?"
„Ja, das reicht, Sebastian. Wenn alles gut geht, bringen wir sie morgen Nacht, spätestens übermorgen früh hierher."
Die Wache salutierte. „Es wird alles bereit sein, Hoheit. Habt Ihr noch irgendwelche Anweisungen Yannik betreffend?"
Simon schüttelte den Kopf. „Bis auf Weiteres bleibt er gefesselt in der Zelle."

Wieder im Büro rief Samuel nach Linus.
„Ich möchte, dass du für heute Abend eine Versammlung aller Fürsten einberufst. Im großen Besprechungsraum."
Der junge Vampir verneigte sich leicht. „Ich werde sofort alle informieren, Hoheit."
Bevor er sich jedoch abwenden konnte, hielt Simon ihn auf.
„Eine Sache noch, Linus. Yannik braucht ihr nicht zu suchen. Er sitzt im Kerker und trägt auch nicht mehr länger den Titel ‚Fürst'."
Überrascht blickte der Vampir auf.
„Er ist kein Fürst mehr, Hoheit? Was hat er getan? Ich dachte, Euer Vater war immer sehr zufrieden mit ihm?"
Mit einem Brummen ließ Simon sich an seinem Schreibtisch nieder.
„Ja. Mein Vater war sehr zufrieden mit ihm. Allerdings verhält Yannik sich mir gegenüber mehr als nur respektlos. Er ist ein selbstverliebter Schnösel mit abartigen und veralteten Vorstellungen. Oft genug habe ich ihn gewarnt, sich zu mäßigen, doch was er sich heute erlaubt hat, war endgültig zu viel. Ich bin nicht gewillt, ihm noch eine weitere Chance zu gewähren. Und ich bezweifle, dass mein Vater DIESES Gebaren gutgeheißen hätte."
Linus nickte.
„Dann werde ich jetzt zuerst die übrigen Fürsten über das Treffen informieren und danach die Entlassungs- und Inhaftierungspapiere für den Mann fertigmachen."
Entspannt lehnte sich Simon zurück.
„Ich weiß schon, warum ich dich zu meinem Adjutanten gemacht habe, Linus. Du denkst mit, das gefällt mir."
Er beugte sich nach vorne, stützte die Ellbogen auf den Tisch und sah dem jungen Vampir entgegen. „Wenn du schon dabei bist, die Unterlagen vorzubereiten: Ich habe Yannik zudem noch enteignet. Erstelle bitte eine Aufstellung seiner Besitztümer. Außerdem benötige ich eine Liste der Kandidaten für seine Nachfolge."
Linus nickte, dann zögerte er kurz. „Bis wann braucht Ihr die Dokumente, Hoheit?"
Simon schmunzelte. „Je früher, desto besser. Aber Priorität hat jetzt erst einmal das Treffen mit den Fürsten. Alles andere eilt nicht und hat notfalls Zeit, bis wieder mehr Ruhe eingekehrt ist."

Die Julius Chroniken - Teil 1: Die ProphezeiungOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz