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Ich versuche meine Augen zu schließen und einzuschlafen, doch ich kann meine Gedanken für die Nacht nicht zum Schweigen bringen. Zu viel war heute passiert und passiert immer noch. Morgen ist die Pressekonferenz, die den Obduktionsbericht veröffentlichen wird, und der Fall wird offiziell wieder eröffnet sein. Ich soll Harry vor der Schule auf dem Friedhof treffen, aber ich kann mir nicht vorstellen das ich in die Schule gehen werde. Es geht zu viel vor sich.

Ich setze mich in meinem Bett auf und sehe aus meinem Fenster. Über den Baumgipfeln, wo ich weiß das dort die Lichtung ist, ist ein schwacher Lichtschimmer. Die Polizei untersucht die Waldlichtung immer noch und versucht den Dreck, der durch das Ausgraben der Leiche entstanden ist, zu beseitigen. Mir gefällt es nicht, dass die kleine Lichtung, die bislang nur von Harry und mir betreten wurde, jetzt öffentlich ist. Fotojournalisten machen ohne Zweifel für die Zeitungen und die Nachrichten Bilder davon, und Reporter kritzeln Beobachtungen für die morgigen Nachrichten nieder.

Ich bin mir sicher, dass es morgen unzählige Geschichten auf lokalen Nachrichtensendern und in Zeitungen geben wird, und vielleicht sogar in den nationalen Nachrichten. Ich kann es bereits vor mir sehen: Harry Styles Mordfall nach Leichenfund wieder eröffnet.

Sein Bild wird auf der Titelseite sein, vielleicht das selbe das ich von ihm habe. Es wird möglicherweise Zitate von seinen Eltern geben, oder vielleicht von Detective Whitmore. Vielleicht wird mein Vater die Geschichte beim Frühstück lesen, seine Stirn runzeln, sich fragen wieso die Leiche von dieser Person in einer Lichtung hinter unserem Haus vergaben war. Und ich würde gegenüber von ihm am Tisch sitzen, mich das selbe fragen.

Ich lehne mich zu meinem Nachttisch, greife nach der Halskette. Meine Finger streifen über die Kette und ich nehme sie in meine Hand, das Silber glatt und kühl. Ich fahre den lateinischen Schriftzug mit meinen Fingerspitzen nach, höre in meinem Kopf wie der Satz mit Harrys Stimme gesprochen wird.

Mors non est finis.

Der Tod ist nicht das Ende.

Ich stelle mir vor wie Harry die Halskette in seiner Hand hält, nachdem er von dem Tod seiner Großmutter gehört hat, auf die selben Worte die in die winzigen silbernen Knochen eingraviert sind, starrt, und sich fragt ob der Satz stimmt.

Ich bin anders. Wegen Harry.

Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich dafür dankbar bin oder nicht.

Ich schlafe mit der Halskette um meine Finger gewickelt ein, der Totenkopfanhänger in meine Handfläche gedrückt.

-

"Ich mache mich auf den Weg zur Arbeit. Bist du dir sicher, dass du hier klarkommst?"

Ich nicke meinem Vater vom Küchentisch zu, als ich mir eine volle Schüssel mit Lucky Charms einschütte. Meine Mutter ist bereits zur Arbeit gegangen, und mein Vater nimmt gerade seine Haferflocken aus der Mikrowelle. Sie haben entschieden mich heute zuhause zu lassen, nachdem ich um vier Uhr morgens aufgewacht bin und sie bedrängt habe, bis sie einwilligten. Mit allem was gestern passiert war ist es unmöglich, dass ich heute zur Schule gehen würde.

Also ließen sie mich widerwillig zuhause bleiben.

Einen Löffel aus der Schublade nehmend nimmt mein Vater seine Jacke und seine Haferflocken, ehe er meine Stirn küsst und aus der Hintertür läuft.

Ich esse mein Frühstück zu Ende und tue mein Geschirr weg, bewege mich ins Wohnzimmer und mache den Fernseher an. Ich zappe durch die Kanäle, bis ich den lokalen Nachrichtensender finde.

Die Pressekonferenz sollte bald beginnen. Nerven bilden sich in mir und ich kaue unruhig auf meinen Fingernägeln herum, frage mich ob ich genug Zeit habe um Harry auf dem Friedhof zu treffen, bevor die Übertragung der Pressekonferenz anfängt.

Phantom » German TranslationOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz