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Auch am Dienstag wechselte Jaron kein Wort mit mir.
Als wäre es jetzt meine Schuld, dass er sich so anstellte.
Inzwischen war ich richtig genervt von ihm und seiner Dramatik.
Jamal hatte bereits eine fünfminütige Audio von mir erhalten, in der ich mich über meinen Bruder aufregte.
Er probierte mich aufzumuntern und erzählte von seinen Geschwistern, die sich aktuell auch extrem oft zanken sollten.
Amelie sprach normal mit Tara und mir. Ich war mir daher nicht sicher, ob Jaron ihr einfach nichts erzählt hatte, oder ob es sie lediglich nicht störte.
Vielleicht dachte ich mir das Verhältnis zwischen Amelie und Jaron auch einfach viel stärker aus, als es eigentlich war.
Jamal hatte mittlerweile wieder jeden Tag Training, da in zwei Wochen das nächste Spiel sein würde und die Minipause jetzt endgültig vorbei war.
Eigentlich wollte er, dass ich zu dem Spiel kam, aber da war ich leider mit meiner Familie im Urlaub.
Es dauerte nur noch eine Woche bis die Sommerferien anfangen würden, auf welche ich mich immens freute.
In der fünften Ferienwoche würde ich für ein paar Tage erneut nach München fahren, obwohl Jamal eigentlich wenig Zeit hatte, da er bald wieder jede Woche mindestens ein Spiel hätte. Aber wir wollten uns unbedingt nochmal in meinen Ferien treffen. Nach diesen hätte ich auch weniger Zeit, da für mich nach den Sommerferien offiziell mein Abi losgehen würde. Auch, wenn natürlich nicht durchgehend Klausurenphasen waren, erwarteten meine Eltern von Jaron und mir, dass wir uns ab Beginn der zwölften Klasse mehr auf die Schule konzentrierten, da wir bis jetzt immer ganz gut ohne großen Aufwand versetzt wurden.

Erst am Donnerstag, in der Stunde vor meinem Bandauftritt, entschied sich Jaron, wieder mit mir zu sprechen. Warum es so lange dauerte, zumal wir definitiv schon schlimmere Streitigkeiten hatten, war mir ein Rätsel. Aber ich wollte es einfach dabei belassen, um nicht noch mehr Stress zu haben.
„Ist der Eintritt umsonst?", fragte Jaron, während ich im Bad mein Make-Up machte.
„Ja, warum?"
„Kann ich vielleicht mitkommen? Ich war lange nicht mehr bei einem deiner Auftritte. Ich kann auch ein paar Fotos für dein Instagram machen?"
Das war wohl eine der ausgeprägtesten Charaktereigenschaften, die Jaron und ich von unseren Eltern mitbekommen hatten. Statt sich normal zu entschuldigen, tat man irgendwann einfach so, als wäre nie etwas passiert und machte vielleicht noch was nettes für den anderen. Ob ich diese Eigenschaft so gut finden sollte, wusste ich nicht. Dank des Einflusses von Tara, war dieser Stolz, die Worte ‚Entschuldigung' auszusprechen, nicht mehr ganz so stark bei mir. Aber Jaron hatte die komplette Ladung unserer Eltern abbekommen.
„Gerne. Ich muss aber schon gleich los. Moni holt mich in einer Viertelstunde ab. Schaffst du es, bis dahin fertig zu sein?"
Jaron nickte und rannte als Beweis schnell in sein Zimmer, aus dem er nach vier Minuten fertig umgezogen kam. Jetzt stand er neben mir im Bad und richtete sich nochmal schnell die Haare.
„Dein Outfit sieht übrigens sehr süß aus", meinte Jaron, nachdem er mit seinen Haaren zufrieden war.
„Echt? Danke, das war diesmal eher so ein Zufallstreffer", überrascht musterte ich mein Aussehen.
Ich hatte eine Hose im Schrank unseres Vaters gefunden, die sehr an eine Fallschirm-Hose erinnerte und trug dazu eines dieser typischen enganliegende bauchfreien H&M T-Shirts, die irgendwie retro oder so aussehen sollten. Dass ich so etwas besaß, verdankte ich Tara, die ihre Sachen andauernd hier vergaß.

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Behutsam packte ich meine E-Gitarre aus. Mit der Verkabelung waren wir schon fertig. Jetzt mussten nur noch alle Instrumente angeschlossen werden und der Soundcheck durchgeführt werden.
Jaron half währenddessen weiter, den Platz für den Auftritt vorzubereiten.
Moni, unsere Bassistin, übte noch ein bisschen, genau wie die anderen. Ich schickte schnell einen Snap an Jamal, bevor ich mich auch wieder meinem Notenpapier widmete.
„Hailey, du unterstützt mich doch jetzt bei dem dritten Lied, richtig?", nervös sah mich unsere Sängerin an.
„Klar. Soll ich da jetzt Melodie oder zweite Stimme singen? Das war bei den Proben immer unterschiedlich", dass ich ab und zu mitsang, war schon zur Gewohnheit geworden. Als unsere Sängerin mal kurz vor einem Auftritt krank wurde, musste ich sogar den kompletten Auftritt singen. Ich hatte kein Problem damit, konzentrierte mich aber lieber nur auf das Gitarrenspielen, als parallel dazu noch zu singen. Trotzdem übernahm ich seitdem oft die zweite Stimme in irgendwelchen Liedern, was auch ziemlichen Spaß machte. Trotzdem: meine Liebe galt weiterhin der Gitarre allein.

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Zu Hause angekommen, zeigte mir Jaron sofort alle Fotos und Videos. Die besten schickte er mir, die anderen wurden direkt gelöscht. Tatsächlich war sogar ein Bild dabei, welches ich posten wollte. Dazu packte ich noch ein paar Bilder, die ich selbst in letzter Zeit gemacht hatte, oder einfach in letzter Zeit entstanden waren und lud es dann hoch.
Jaron wollte unbedingt der erste sein, welcher den Post likte, weshalb er eilig Instagram öffnete.
Ich musste leicht lachen und war einfach froh, dass zwischen Jaron und mir wieder alles in Ordnung war.
Besonders, nachdem ich seinen wundervollen Kommentar gelesen hatte:

wow, was ein bezaubernder fotograf im ersten foto!!😍
eigenlob stinkt mein guter☝🏻

„Das ist kein Eigenlob, das ist ein Fakt", beschwörte Jaron, nachdem er meine Antwort gesehen hatte.
„Ja, natürlich. Aber dank meines Kommentars weiß jetzt jeder, dass du dieser bezaubernde Fotograf bist", grinsend sah ich ihn an.
„Ah ja, das war natürlich deine einzige Intention. Oh!Guck mal, wer gerade kommentiert hat!"
Verwirrt sah ich auf mein Handy.

très chic🤍
nächstes mal bin ich aber dabei!

„Und?", noch verwirrter sah ich wieder zu Jaron.
„Was ‚und'? Junge, da hat gerade Jamal fucking Musiala unter deinem Post kommentiert. Mit einem Herz!", aufgeregt schüttelte Jaron mich an den Schultern.
„Ja, wir sind ja auch befreundet. Warum sollte er also nicht kommentieren? Ich bin ja auch privat. Da ist das auch kein Drama, wenn er das tut"
„Trotzdem. Wenn die Leute aus unserem Jahrgang das sehen, wirst du einfach zum It-Girl unserer Schule"
Fuck, da hatte ich gerade gar nicht dran gedacht.
„Jaron, ich muss unbedingt Jamal anrufen. Nicht, dass irgendein Idiot einen Screenshot davon macht und das veröffentlicht"
„Noch nicht bereit, als Spielerfrau geoutet zu werden?", grinsend sah Jaron mich an.
„Alter! Nicht lustig, echt nicht"
„Ja okay, tut mir leid. Sonst stell doch erstmal die Kommentarfunktion aus und mach sie erst wieder an, nachdem du mit Jamal gesprochen hast", schlug Jaron vor, der bemerkt hatte, dass ich komplett am verzweifeln war.
Dankbar sah ich ihn an, während ich zuerst Jamal anrief und während es noch piepte, die Kommentare ausschaltete.

„Hey, was gibt's?", fragte Jamal außer Atem.
„Hast du gerade Training?"
„Mehr oder weniger. Ich bin gerade joggen", erklärte er.
„Oh, okay. Dann sorry wegen der Störung", entschuldigte ich mich.
„Alles gut. Was ist denn los? Du hörst dich voll upset an"
„Joa, naja. Ein bisschen vielleicht. Wegen deines Kommentars. Nicht, dass ich mich nicht gefreut hätte, aber alle Leute die mir folgen, können das sehen"
„Ja, ich weiß wie das funktioniert. Wieso bist du so aufgeregt?", Jamal hörte sich gerade wirklich so an, als hätte er kein Ahnung, weshalb ich ihn deshalb anrief.
„Naja, wenn wer einen Screenshot oder so macht? Außerdem will ich gar nicht wissen, wie viele mich morgen in der Schule deswegen ansprechen"
„Oh"
Danach war es kurz still. Ich wusste nicht, was ich hätte antworten sollen. Deswegen wartete ich einfach ab, ob Jamal noch was sagen würde.
„Soll ich die Kommentare löschen?"
„Musst du nicht. Ich will nur nicht, dass du deswegen irgendwie Stress bekommst. Ich kann absolut nicht einschätzen, was die Leute aus meinem Jahrgang machen könnten", überlegte ich laut.
„Livia würde es bestimmt auf ihrem TikTok-Account veröffentlichen", mischte sich Jaron ein, da das Gespräch auf Lautsprecher war und er somit alles mitgehört hatte.
„Jaron ist auch da?"
„Natürlich bin ich dabei. Ich muss meiner kleinen Schwester doch helfen", provozierend lächelte Jaron mich an.
„Ah, die neun Minuten. Aber Hailey, ich komm deswegen nicht in Trouble. Auch, wenn diese eine da was postet, würde das auf jeden Fall für mich nicht wirklich schlimm sein so. Aber für dich maybe?"
Ich überlegte kurz. Ich wüsste erst morgen, ob ich gerade überreagierte oder nicht. Und dann wäre es eh zu spät, um noch irgendwelche Kommentare zu löschen.
„Ach nein, alles gut. Ich guck einfach mal, wie es morgen wird. Und entweder ich hab halt Pech, oder es juckt niemanden. Tut mir nochmal leid, dass ich dich gestört hab", entschuldigte ich mich erneut, weil mir der Anruf gerade ein bisschen übertrieben vorkam.
„Du musst dich nicht entschuldigen. Hätte ja auch sein können, dass irgendein Idiot bei dir ist, der irgendwie Shit macht"

Ich stellte die Kommentarfunktion wieder an und antwortete Jamal mit einem ‚das will ich doch hoffen', bevor ich für's Erste mein Handy weglegte und den restlichen Abend etwas mit Jaron machte. Da eh bald Ferien waren, hatten wir nichts mehr an Schulsachen zu erledigen und konnten einfach unsere Freizeit genießen.

𝐓𝐨𝐩 𝐨𝐟 𝐭𝐡𝐞 𝐋𝐞𝐚𝐠𝐮𝐞Where stories live. Discover now