𝘼 | Die Kristallstadt

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Der Flug zum Königspalast des Himmels dauerte an. Die Landschaft änderte sich von waghalsigen Klippen zu bewohnten Inseln. Eine Verwirklichung von Kindheitsfantasien, wenn er in einen Himmel aus aufgebauschten Wolken geblickt und sie sich als verborgene Länder und Gebirge erträumt hatte. Der Spiegel einer fernen Dimension, von der Arthur im Innersten wohl immer wusste, dass es sie gab.

Er war noch immer nass von der Wanderung durch den tropischen Sumpf und hoffte, dass es bis zu Xandrians Palast trocknen würde. Die Aussage des Stammesanführers spukte durch seinen Kopf. Konnte es wirklich sein, dass Victorias Mutter aus diesem Volk kam? Hatte der Elf überhaupt sie gemeint? Wahrscheinlich nicht seine Cousine vierten Grades, oder? ,,Du siehst ihr ähnlich" war ein Satz, der alles und nichts bedeuten konnte. Ganz zu schweigen davon, dass auch Arthur Verwandtschaft in diesem Wolkenland haben könnte. Doch er konnte die äußerst spärlichen Erinnerungen an seinen Vater, sein Gesicht, seine Stimme und sein Verschwinden so oft wenden und drehen, wie er wollte. Am Ende blieb stets die Frage, wer dieser Mann gewesen war.

Arthurs Augen fuhren die Konturen der monströsen Klippen und wie aus Alabaster gemeißelten Städte nach, die an ihnen vorbeizogen. Flüsse und Plateaus züngelten sich durch das Profil, Samiel und Shari sausten an lärmenden Phönix-Kolonien vorbei. Für jemanden ohne Arthur Magie sahen sie sicherlich alle gleich aus, aber er konnte sogar aus der Ferne fühlen, dass sich diese Wesen von Samiel und voneinander unterschieden, genau wie Menschen. Die Nester der Lichtvögel waren auf zerklüfteten Inseln errichtet worden, jedes so einzigartig wie sein Bewohner.

Bei seinen Mitstreitern, also auf Sharis Rücken, fanden Gespräche statt, die verlockender klangen als ziellose Gedankenspiralen. Nell erzählte Gwen begeistert von ihrem Pixel-Stickerbuch, bei dem sie bunte Aufkleber zu viereckigen Tierbildern vervollständigte, und hatte eine Seite aufgeschlagen, die für Arthur aussah wie ein enthaupteter Truthahn. Oder ein Nilpferd. Vielleicht eher das.
Indes versuchte Victoria unter einem Lachanfall, Moore zu schildern, was ein Meme war, weil Estelle gesagt hatte, dass Moore ,,manchmal ein Meme ist". Maris kommentierte das Ganze weniger schmeichelhaft und es war unergründlich, auf wessen Seite er stand. Die Seher an Bord, Mevoron und Estelle, hatten einen telepathischen Bund zwischen Samiel und Shari geschlossen, der ein bisschen wie ein magisches Mikrofon war. Durch Mykais Schutzzauber wäre Arthur eigentlich wie in einer Echokammer und würde von seinen Freunden auf dem Drachen nichts hören. Aber der Zauber ermöglichte es ihnen, miteinander zu reden.

,,Und, ist es euch schon gelungen, Moore in die Welt der Internetphänomene einzuweihen?", fragte Arthur. Das ordentlich auszusprechen, war schwerer als gedacht. Die Tics waren heute besonders nervig. Sein Nacken und Kopf schmerzten schon von den vielen Krämpfen und Arthur sorgte sich wieder zu sehr darum, ob er in der Hauptstadt komische Blicke kassieren würde.
,,Nein", prustete Victoria. ,,Ohne Handy bleibe ich erfolglos, fürchte ich".
,,Also ich munkele, Estelle wollte damit ausdrücken, dass ich lustig bin?", sagte Moore verlegen schmunzelnd.
,,So in etwa", entgegnete Maris, der sich mit gespieltem Desinteresse seinen rot lackierten Nägeln zuwandte.
,,Und das ist ein Krokodil, das mache ich als Nächstes. Mit dem Einhorn bin ich schon fertig", quatschte Nell unberührt weiter an Gwen gerichtet, die permanent das Stickerbuch vor der Nase hatte.

Bevor Arthur sich einmischen konnte, kam ein gewisser Freund ihm zuvor.
,,Ich fühle, dass du traurig bist", schnurrte Samiel so behutsam, dass die anderen seine Laute wahrscheinlich überhörten.
Samiels Bemerkung war nicht bloß eime Sentimentalität. Arthur hatte mal subtil bei Mykai nachgehakt und es schien bei Bunden zwischen Magiern und ihren Drachen, beziehungsweise Phönixen, üblich zu sein, dass man die Gefühle seines Gefährten schubhaft mitbekam. Ihre Sensibilität füreinander nahm zu, je mehr Zeit Arthur und Samiel miteinander verbrachten.

,,Es ist wegen der Sache im Sumpf der Träume", sagte Arthur. ,,Schon unfair, dass je ein Elternteil von uns Dinge am Laufen hatte, von denen keiner wusste. Große Dinge. Und jetzt sind sie weg und wir müssen sie selbst herausfinden".
,,Man soll in Freundschaften ja auf Gemeinsamkeiten achten", gurrte Samiel. ,,William ist stiller geworden, seit Victorias Kräfte ans Licht gekommen sind. Denkst du, er kann verkraften, dass seine Tochter und seine verschollene Frau vermutlich Elfen sind?"
,,Ob er da eine Wahl hat?", entgegnete Arthur. ,,Vor meinen Eltern verstecke ich es noch, denn die würden umkippen, das kann ich dir sagen. Aber William? Die Liebe für seine Familie steht bei ihm an erster Stelle, daran rüttelt sich nichts".

HIMMELSPFORTENWhere stories live. Discover now