𝘼 | Kuss des Todes

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,,Victoria! Arthur! Geht es euch gut?", rief William. Sein ungewöhnliches Nuscheln erklärte Arthur sich mit dem magischen Narkosemittel, das Nirmala ihm, Mykai und Shari verpasst hatte. William war dabei, von Shari zu springen, überlegte es sich aber anders, als er zu den Schwarzen Kobras schaute.
,,Kommt drauf an, wie man es definiert", beantwortete Victoria die Frage ihres Vaters.
,,Tut mir leid, dass wir so spät zur Party hinzustoßen", sagte Mykai und spickte Nirmala, welche wie eine Wachsfigur am Kieswall stand, mit Blicken.
,,Was heißt hier ,zu spät', die Dame? Das war der ideale Zeitpunkt", erwiderte Maris. Ein Schmunzeln umrahmte sein blasses Gesicht.

,,Stimmt. Das erste Treffen mit unserer werten Gastgeberin verlief recht holprig, also wieso kein nächster Anlauf?", fragte Mykai, verlassen von der Freude, die sie normalerweise auszeichnete. Ihr glockenklarer, lauter Tonfall schien einen frostigen Sturm auf Nirmala loszuschicken. Die Ghule muckten knurrend auf, aber ein Fauchen von Shari brachte sie zum Verstummen. Die Widerhaken ihres filigranen Schweifs glänzten im Sonnenlicht wie Skalpelle und waren besprenkelt vom Blut des Greifen, welcher schlaff im dornigen Geäst des Kaktusses lag.
,,Meine Leute haben nicht, was du suchst, und wir sind dir im Kampf überlegen. Zu deinem eigenen Wohl: Gib auf", fuhr Mykai an Nirmala gerichtet fort, immer noch ohne Antwort.

Arthur entging nicht, dass die Magierin vom Artefakt gesprochen hatte, und in seinem Kopf blinkte ein rotes Error-Symbol auf. >>Woher weiß sie das?<<, dachte er.
>>Ich habe es ihr zugesteckt<<, entgegnete Estelle und machte nicht mal ein Geheimnis darum, dass sie in Arthurs Gedanken geschnüffelt hatte. >>Und es könnte sein, dass Mykai, William und Shari wussten, dass wir hier sind, weil ich sie erreicht habe, als wir uns zum zweiten Mal durch den Tempel gebuddelt haben.<<
>>Wieso hast du uns das nicht erzählt?<<, dachte Arthur empört.
>>Das hätte die Überraschung verdorben.<<
Er stöhnte leise. >>Du bist ein Genie.<<
>>I know<<, bestätigte Estelle und erhob die Stimme. ,,Ich habe soeben Auryn Sildas über unser schmeichelhaftes Meeting informiert. Er wird uns auf dem griechischen Festland stationierte Drachentruppen zu Hilfe schicken. Es wäre vorteilhaft, euch aus dem Staub zu machen, denn sie werden bald hier sein".

Nirmalas Starre bröckelte. Ihre Hände umklammerten schlotternd ihre Jackenärmel. ,,Der alte Auryn? Ihr lasst euch vom Königsdrachen der Hölle unter die Arme greifen?", fragte sie, als wäre Auryn eine Kakerlake.
,,Nicht nur du bist gut vernetzt", sagte Maris und ging auf Nirmala zu, wie sie es vorher bei ihm gemacht hatte. ,,Wenn ihr uns jetzt entwischen würdet, was sehr schade wäre, hätten wir andere Prioritäten als die Fahndung. Also: Verzieht euch einfach und bleibt fürs Erste verschont".
Als sie Maris' Starren erwiderte, wirkte Nirmala wie ein in die Enge getriebener Jagdhund: Niederträchtig und ausgeliefert, aber darauf ausharrend, um sich zu beißen. Prüfend lunste sie in den unbewölkten Himmel, und dann zu Shari, als wünsche sie sich, irgendeine Chance gegen das verdammt schnelle Drachenweibchen zu haben. ,,Schön. Ihr habt gewonnen", verkündete Nirmala trocken. ,,Ich hoffe, ihr leidet darunter, diesen einmaligen Trumpf zu vergeuden. Suhlt euch doch in eurer Einfältigkeit, mich bekommt ihr niemals zu fassen".

Sie spuckte Maris auf den Stiefel, was dieser ungerührt hinnahm. Mit einem Schnipsen humpelte Nirmala zum Fahrstreifen und die Handlanger der Hexenmeisterin schlörten lustlos hinterher. Nach und nach wurde der Strand, welchen Krater und Schneisen aus Prankenspuren verunstalteten, um Juniper und die Ghule erleichtert. Ein penetranter Gestank belästigte Arthur, als die Höllenbestien knurrend an ihm vorbeitrotteten. Juniper spendierte ihm und Samiel einige Gehässigkeiten. Mit einem verstörten Blick zu seinem toten Artgenossen wandte auch der Greif sich ab, der Nell und Gwen auf die Pelle gerückt war, und gesellte sich zu Nirmala.
,,Den Säbel", verlangte sie und streckte ihre knöchernen Finger Estelle zu. ,,Damit ihr uns nicht orten könnt".
Es widerstrebte Estelle deutlich, als sie die Waffe aus ihrem Gürtel zog und über den heißen Asphalt zu Nirmala schlittern ließ, aber jetzt war eine friedliche Trennung das oberste Gebot. Bis genügend Unterstützung da war, wollten sie kein Risiko eingehen.

HIMMELSPFORTENWhere stories live. Discover now