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Das Manuskript des Stücks lag vor mir und Adam blätterte bereits eifrig darin herum.
In der letzten Stunde haben wir unseren Text soweit einstudiert, dass wir bereits ein paar Szenen proben konnten.
Während Ich die arme Bäuerin und Adam den reichen Sohn eines Grafen spielte, machte sich Mr. Medina Notizen und ließ uns stets wissen, wenn wir etwas nicht richtig gemacht haben.
Ich war überrascht von Adams Leistung.
Wenn er seinen Text vor sich hatte, sprach er mit voller Überzeugung und Leidenschaft und ich erkannte den draufgängerischen Bad Boy gar nicht mehr wieder. Nächste Woche gab es ein erneutes Treffen aber diesmal mit den anderen Rollen. Wenn ich daran dachte, bebte ich vor Vorfreude. Was mit Adam und mir geschehen würde, wusste ich jedoch nicht.
Alles was ich spürte, war die leichte Berührung unserer Hände, als er von Mr. Medina entlassen wurde.
Die Stunde war vorbei und nachdem Adam fort war, wandte ich mich zum gehen.
Doch Mr. Medina winkte mich mit einer Geste zurück zu sich.
„Judy", Er atmete langsam aus.
Insgeheim wusste ich, warum er mich zurück gerufen hatte.
Doch ich wollte es nicht hören. Ich will nichts mehr von Adam hören.
Warum hast du es mir nicht erzählt?" Mr. Medina klang resigniert.
„Was habe ich Ihnen nicht erzählt?"  Ich setzte eine unschuldige, nichtswissende Ahnung auf.
„Ich habe euch draußen schreien gehört", klärte er mich auf.
„Ich habe nichts von eurer Feindschaft gewusst und das ist deine Schuld!"  Seine Stimme triefte vor Frustration.
Schuldbewusst senkte ich den Kopf. Ich hätte es ihm sagen müssen. Dumm gelaufen, Judy.
„Ihr habt keine Verbindung und bei eurem Hass ist es unmöglich mit euch beiden zu arbeiten!"  Ich hatte ihn noch nie so sauer erlebt. Mr. Medina war stets freundlich und sehr geduldig, doch jetzt war er das Gegenteil davon.
„Ihr könnt unmöglich ein Liebespaar spielen."
Er schnaufte.
„Aber jetzt kann ich nicht wieder alles ändern. Die Rollen sind ausgewählt."
„Dann machen Sie es nicht", schlug ich vor und senkte meine Augen, als ich wieder einen wütenden Blick von ihm abbekam.
„Du wirst dich mit ihm treffen", wies mich Mr. Medina an.
„Geht Kaffee trinken, lernt euren Text und freundet euch an."
„Mr. Medina..." , protestierte ich.
„Sonst ist das ganze Stück im Eimer!"
„Baut eine Verbindung auf und seid überzeugend", redete er etwas besänftigender weiter.
Ich nickte verkrampft. Heilige Scheiße.
Ich wusste, dass ich mir das selbst eingebrockt habe.
Hätte ich es ihm nur gesagt.

Doch als ich schließlich wütend auf mich selbst sein Büro verließ, machte ich mich trotzdem auf den Weg Adam zu finden.

Ich stieß zischend die Luft aus, als ich die Tür öffnete und mir in einer Handbewegung einen Zopf machte. Ein paar blonde Strähnen verdeckten mein Gesicht und ich eilte zielstrebig über den Schulhof, drängte mich durch die Menschenmenge, die mir in den Weg standen. Wie ich Menschen hasse.
Natürlich wusste ich genau, wo ich Adam finden konnte. Da er immer umringt von Mädchen war und sein Freund Trevor, auch nie fehlen durfte, schlenderte ich zu einer großen Gruppe, wo ich augenblicklich Adams blondes Haar erkannte.
„Adam!" Meine Stimme ging durch das viele Quietschen der Mädchen unter. Ich hatte keine Lust ihn nochmal zurufen, also blieb ich bei einer Bank im Schatten stehen und wartete, bis sich die vielen Mädchen endlich verzogen.

„Judy? Was machst du denn da?"

Bevor ich überhaupt blinzeln konnte, drückten sich Lippen auf meine und mein erstickter Laut ging darunter unter.
Stevens schwarze Haare fielen mir auf und ich erkannte, dass er derjenige war, der mich da küsste.
Ich versuchte ihn wegzustoßen, doch Steven verstärkte nur noch seinen Griff und nahm meinen Kopf in seine Hände.
„Steven!" Keuchend stieß ich ihn von mir und Steven wich zurück.
„Was soll die Scheiße?", fluchte ich und als Steven mich ansah, sah ich Begierde in seinen Augen.
„Was machst du hier, Judy? Warum bist du hier bei Adam? Wartest du auf ihn?"
„Nein..." Ich schluckte nervös.
„Gut", Seine Stimme klang heiser.
„Denn du gehörst mir."
Als er einen Arm um mich legte, scheute ich von ihm zurück.
„Was machst du da, Steven?" Meine Stimme zitterte leicht. Plötzlich
wich von mir zurück und schüttelte immer wieder den Kopf, als wäre er selbst verwirrt.
„Es tut mir leid, ich..."
Wieder schüttelte er sich.
„Du warst bei den ersten Proben des Theaters und ich habe nach dem Unterricht auf dich gewartet."
Er hob seine Hand und deutete auf den Kaffee, den er mir mit gebracht hat.
„Aber dann habe ich dich in der Nähe von Adam gesehen und ich..." Er suchte nach Worten, als könnte er selbst die Situation kaum begreifen.
„Ich habe diese Wut gespürt und dann musste ich dich einfach küssen."
„Steven, du bist mein Freund", betonte ich wieder.
„Ich weiß, Judy, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist."
Du gehörst mir. Steven war besitzergreifend, das wusste ich jetzt.
„Lass uns Kaffee trinken", schlug Steven vorsichtig vor.
„Vielleicht..."
„Nein!", unterbrach ich ihn heftig.
„Du machst mir Angst, Steven und ich will nicht in deiner Nähe sein."
„Aber..." Steven packte meinen Arm.
„Judy, bitte...", flehte er.
Ich riss mich von ihm los und kehrte in die andere Richtung um.
„Wohin gehst du?" Seine Stimme war nur noch ein Hauch, als ich mich rasch von ihm entfernte.

Schluchzend sank ich auf dem Boden zusammen und schlug die Hände über meinen Kopf. Steven war nicht mehr mein Freund, sondern ein völliger Besessener. Das Theater war für mich gestorben und Zoe ist tot. Schon seit langer Zeit war sie das, aber mein letzter Gedanke schmerze trotzdem am meisten. Ich vermisste sie so sehr, dass es mir schwerfiel zu atmen.
Ich wollte ihr von Adam erzählen von Steven, der mir eine Seite gezeigt hatte, die ich nie gekannt habe.
Ich wollte ihr sagen, dass ich sie vermisste und dass es mir leid tat. Denn ich habe sie nicht gerettet und hätte ich vielleicht anders gehandelt, wäre alles anders geworden.
Steven wäre nur ein Freund und wäre nicht mein bester Freund geworden, der mich jetzt völlig verletzte.
Adam wäre mein Feind geblieben und ich hätte nie ein Wort mit ihm gewechselt.
Steven hätte sich vermutlich nie in mich verliebt.
Ich wäre glücklicher gewesen.
Ich wäre wahrscheinlich nie auf die Idee gekommen meine Haare blond zu färben. (Auch wenn ich blond an mir liebte)
Doch die Tatsache ist, dass ich nie hier umgeben von so vielen Leuten weinen würde.

Ich war keine Heulsuse. So war ich noch nie gewesen. Und trotzdem schaffte ich es nicht, die Tränen aufzuhalten, als ich zusammenbrach. 

Kissing the Enemy Where stories live. Discover now