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„Du kannst alles machen, was du willst, Schatz, aber.." 
Wehmütig seufzend beäugte Dad mein blondes, neues  Haar.
„Deine schwarzen Haare waren doch so schön."
„Ja, aber ich will jetzt jemand anders sein", versuchte ich ihm so gut wie möglich zu erklären.
Ich schluckte. „Meine schwarzen Haaren erinnern mich an die Judy, die Zoe verloren hat.
„Judy mit den blonden Haaren, wird immer traurig sein, schafft es aber sich davon loszureißen."
„Judy.." Mein Vater musterte mich besorgt. 
„Ich weiß, Dad. Versuch mich einfach zu verstehen, okay?"
Bevor er etwas erwidern konnte, schnappte ich mir meinen Rucksack und beeilte mich zum Schulbus zu kommen.

„Hey.." Wie hypnotisiert starrte ich auf mein Handy und begann eine Sprachnachricht für Zoe aufzunehmen. „Hier ist Judy, Du weißt, welche Judy. Die, die dich fürchterlich vermisst und nicht weiß, wie sie das ohne dich schaffen kann." Ich stockte und fühlte mich unsagbar dumm. Doch dann sprach ich weiter. „Warum hast du mich allein gelassen? Du warst die Stärkere von uns und du weißt, dass ich das nicht ohne dich schaffen kann. Ich hätte auf dieser Straße liegen soll und nicht du, okay? Du hättest Luke heiraten sollen und..." Ich verstummte, als ich Luke sah, der gegenüber von mir saß. „Judy", hob er an, als auch er mich erblickte. „Wie geht es dir?" Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Ich lebe noch. Du?" Er nickte zustimmend, seine Augen waren gerötet. Ich wusste, dass er Zoe sehr vermisste. „Ich auch."

„Judy, hi!" Dunkle Haare blitzten vor mir auf, dann drängte sich Steven neben mir. Ihm blieb der Mund offen stehen, als er meine blonden Haare sah. „Heiß", murmelte er beeindruckt. Als der Bus stehen blieb, stieg ich wortlos aus. „Judy, warte doch!" „Ich rede kein einziges Wort mit dir", verkündete ich kühl. „Was habe ich getan?" Stevens Stimme klang erstaunt und ungläubig zugleich. Ich wirbelte zu ihm herum. „Was sollte das, Steven? War das gestern nur ein mieser Witz? Du erzählst mir, dass du in mich verliebt bist und danach verschwindest du einfach?!" Ich lachte ungläubig. „Ich musste mit Adam nach Hause fahren, weil ich nicht wusste, wie ich sonst nach Hause komme!" Er kaute verzweifelt auf seine Unterlippe. ."Es tut mir leid, okay? Ich habe mich wirklich in dich verliebt, Judy. Ich weiß es. Wenn deine Augen mich ansehen..." Er legte eine Hand auf meine Wange und ich sträubte mich sofort gegen seine Berührung. „Ich weiß einfach, dass es real ist. Und ich wollte es dir schon früher sagen und als ich es schließlich tat... Ich habe nicht gedacht, dass du so abwehrend auf meine Gefühle reagieren würdest. Ich weiß, dass war nicht richtig, aber in dem Moment, konnte ich dich nicht ansehen. In dem Moment spürte ich nur den Wunsch irgendwas kaputt zu machen." „Du warst solange mein Freund..." „Gegen Gefühle kann man nichts tun, Judy!", schnauzte er. „Du solltest das wissen." „Dann weißt du hoffentlich, dass ich deine Gefühle nicht erwidern werde", murmelte ich spitz. Was für ein Schwachsinn. Steven hatte nie über seine Gefühle gesprochen und jetzt war er plötzlich in mich verliebt? Mit großen Schritten lief ich zum Schulhof. Steven folgte mir nicht. Und darüber war ich unheimlich froh.

Als ich durch den Schuleingang lief, entdeckte ich Adam in der Nähe eines anderen Mädchens. Kurz versetzte es mir einen Stich, dann erinnerte ich mich schlagartig, dass wir immer noch die gleichen waren. Adam und Judy. Nur weil er mich nach Hause gebracht hat, hieß es nicht, dass sich irgendetwas verändert hatte. Aber warum spüre ich dann so ein Kribbeln? Als ich an Adam vorbei lief, wissend, dass er mich ansah, wagte ich es ihn anzusehen. Seine Augen waren aufgerissen, als er mich sah und in seinen Augen funkelten gemischte Gefühle, die ich nicht deuten konnte. Sein Blick glitt hingerissen über meine blonden Haare hinweg. Hingerissen?? Das Mädchen neben ihm, musterte mich verächtlich. Was für eine Ironie. Adam schenkte mir ungläubige, faszinierende Blicke und die Verliebte neben ihm, passte das überhaupt nicht. Adam öffnete den Mund, zu erstaunt um irgendetwas zu sagen. „Deine Haare...", flüsterte er. „Ja, ich habe sie gefärbt. Bin ich plötzlich eine Heilige, oder was?" Genervt verdrehte ich die Augen. Ich verstand seine fesselnden Blicke nicht. Einmal behandelte er mich herablassend, so als wäre ich nichts wert und dann denkt er, ich wäre eine Göttin, nur weil ich meine Haare verändert hatte. „Judy...", flüsterte Adam meinen Namen. Ruckartig drehte ich mich zu ihm um. Seine blauen Augen hatten eine Tiefe, die ich noch nie bemerkt hatte. Lass dich nicht von den hübschen Augen ablenken. „Ich bin dir dankbar, dass du mich letztens nach Hause gebracht hast, okay? Trotzdem ändert sich zwischen uns nichts. Nur weil du für mich eine gute Sache getan hast, heißt es nicht, dass ich all deine anderen Taten vergesse, die du mir angetan hast." Für eine Sekunde starrte er mich nur ungläubig an. Dann veränderte sich seine Miene, er schien zu begreifen. Gut.  Seine Lippen waren nur noch ein schmaler Strich, dann wandte er sich ab. Adam schlang einen Arm um das Mädchen, das mich aus schmalen Augen musterte. Dann warf er mir einen abfälligen Blick zu und verschwand, während ich ihm argwöhnisch hinterher sah. Warum zum Teufel war ich plötzlich die, die jeder wollte?

Zack! Ein Plakat landete in mein Gesicht und ich kniff entgeistert die Augen zusammen. „Time for Theater!", johlte eine bekannte Stimme und ich schloss entnervt die Augen. Hol mich aus der Hölle, Zoe. Nach vier Stunden mit Mr. Austin, (die Qual)  saß ich jetzt in der Cafeteria und aß schweigend einen ekeligen Kartoffelbrei. Ich hatte mich damit abgefunden, dass Adam nach meiner Ansage ganz der Alte war und Steven, den ich anscheinend wegen seiner Gefühle verletzt hatte, ebenfalls nun weg war. Doch jetzt wedelte mir der mit irgendeiner beschissenen Werbung im Gesicht herum und ich verfluchte ihn zur Hölle. „Okay", Steven atmete einmal tief aus. Dann setzte er sich neben mich und ich weichte leicht zurück. „Es tut mir leid, Judy. Für alles. Meine Gefühle für dich sind real, aber wenn du nichts davon wissen willst, können wir auch einfach wieder Freunde sein. Und wenn du mich dann doch willst..." Er zwinkerte mir verführerisch zu und ich öffnete fassungslos den Mund. „Oder auch nicht..." Er schluckte. „Wir sind Freunde." Ich nickte. „Danke." Kurz danach schnappte ich ihm das Plakat aus der Hand. Alice & Chris - one love that will forever last.  Ich verdrehte innerlich die Augen bei dem kitschigen Titel. „Es ist ein Drama,und?" Ich zuckte nur mit den Schultern.  „Und?" Steven schnappte empört nach Luft. „Du redest schon seit Ewigkeiten von diesem Theater!" Das war noch bevor Zoe gestorben ist. „Du wolltest unbedingt vorsprechen!"  Steven gab nicht so schnell auf. Er schien mich wirklich überzeugen zu wollen. „Ich habe vorgesprochen", ergänzte ich langsam. „Ich habe vor einem Jahr vorgesprochen, falls sie mich für ein Theater nehmen wollen." Steven klatschte begeistert in die Hände. „Dann wäre das ja geregelt! Sie werden dich nehmen." Wie konnte er in einer Minute ein verliebtes Arschloch sein und in der nächsten wieder mein bester Freund werden? Ich bewunderte, wie schnell er Rollen wechseln konnte.  „Zoe und Ich wollten beim Theater mit spielen", erinnerte ich ihn niedergeschlagen. „Ich kann das nicht ohne sie machen."  Steven seufzte ungeduldig. „Kannst du schon! Du wirst es für sie machen."  Stolz auf sich selbst, glänzten seine Augen zufrieden. Als wäre alles so einfach.  „Ich überlege es mir", verkündete ich und seine Augen leuchteten. „Ich werde in der ersten Reihe sitzen, wenn du die Hauptrolle spielst."

Kissing the Enemy Where stories live. Discover now