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„Da ist ein Lagerfeuer heute Abend und..." Stevens Worte prallten an mir ab, ich hörte sie kaum. Finster beobachtete ich wie Adam sich ein Tablett holte, Essen drauf lud und dann zusammen mit Trevor, dicht gefolgt von einem Rudel Mädchen zu einer der Tischen zustrebte. Natürlich himmelten all die Mädchen ihn an und lächelten, als er sie nur einen Blick zuwarf. Kotz. „Mir wird schlecht", beklagte ich mich bei Steven und tat so, als müsste ich würgen. „Kann ich dir nicht verübeln, wenn du Adam beobachtest." Er grinste. „Warum muss er nur blonde Haare haben?", stöhnte ich. „Und warum müssen sie nur so perfekt aussehen?" „Was meinst du?" Steven runzelte die Stirn, er schien irritiert. „Ich liebe blond!", jammerte ich laut. „Wäre er nicht mein größter Feind, wäre er hundertprozentig mein Typ!" Mit einem dramatischen Seufzer ließ ich meinen Kopf auf die
Tischplatte knallen. Steven blickte skeptisch zu Adam hinüber, als wollte er herausfinden, was ich in ihn sah. „Also liegt es nur an seinen Haaren?" „Es ist doch offensichtlich, oder? Diese Augen sind natürlich super blau und ich liebe blau, aber..." Ich seufzte. „Es ist schon krass, oder? Ich meine, ich kenne ihn besser, als diese verdammten Mädchen, die um ihn herumschwirren, als wäre er ein Star oder so." Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. „Und obwohl ich ihn so verabscheue, weiß ich alles über ihn."  „Alles?", bezweifelte Steven. „Alles", beteuerte ich. „Sein erster Kuss hatte er mit zwölf und das mit... Ava." Steven hob eine Augenbraue, aber ich redete weiter. „Seine Familie ist ziemlich kaputt, seit seine Mutter gestorben ist. Sein älterer Bruder ist verschwunden und sein Vater..." Ich hielt inne. In diesem Punkt tat mir Adam leid und ich wusste nicht, ob ich einfach so weiter plappern sollte wie ein verwöhntes Mädchen. „Sein Vater trinkt viel und schlägt ihn." Steven stieß einen Fluch aus. „Woher weißt du das?" „Ich war auch mal vierzehn und war ziemlich in ihn verliebt." „Ich weiß sogar, dass seine Lieblingsfarbe neongrün ist", kicherte ich. Steven rollte mit den Augen. „Wenn du so viele Dinge über ihn weißt.... Warum hasst du ihn dann so sehr?"  „Weil er mich mit vierzehn geküsst hat und mich danach verlassen hat. Als ich so ein Loser war und in ihn verliebt war, hat er mich im Kino geküsst und mich mit Popcorn abgeworfen. Und dann hat er mich allein sitzen lassen."  Ich schluckte, Tränen sammelten sich in meinen Augen. Mein vierzehnjähriges Ich würde sich immer an diesen Tag erinnern können. Und mein siebzehnjähriges Ich würde es ihm nie verzeihen. „Zoe und Ich haben uns danach ein Versprechen gegeben. Dass wir ihn niemals mehr vertrauen werden  und wir ihn für immer hassen werden."   „Krasses Versprechen", stimmte Steven zu. Ich wischte mir über die Augen. „Nun ist sie tot und ich muss unser Versprechen nur noch stärker bewahren."  Ich schüttelte fassungslos den Kopf, als ich beobachtete, wie ein Mädchen Adam etwas ins Ohr flüsterte und ihn dann auf den Mund küsste. Steven legte einen Arm um mich und ich lehnte mich für einen Moment an ihn. „Lagerfeuer heute Abend?", fragte er mich und ich nickte nur.

Lautes Jubeln, viele Teenager und ein großes Lagerfeuer. Seufzend stieg ich aus Stevens Auto und wartete, bis er ausgestiegen war. Kurz schaute er zu mir hinüber, dann nahm er meine Hand und führte mich zum Lagerfeuer. Ich versuchte ihm meine Hand zu entziehen, doch er verstärkte seinen Griff nur noch. „Steven, was soll das?!" Seine Augen huschten zu meinem schmerzverzerrtem Gesicht und er lockerte seinen Griff. „Ich wollte mit dir zusammen zum Lagerfeuer gehen, okay?", blaffte er.  „Was?" Verwirrt trat ich einen Schritt zurück. „Wovon redest du, Steven?" Er stöhnte gereizt auf. „Komm schon, Judy! Ich war ständig für dich da, als es dir so schlecht ging, dass du nicht einmal essen konntest! Ich habe mich in dich verliebt und wollte es dir sagen, dachte aber, das Lagerfeuer wäre der perfekte Ort dafür."  Ich stockte. Das war ein entsetzlicher Traum, oder? „Steven, du... du warst die ganze Zeit mein bester Freund und..."  Stevens Gesicht verhärtete sich. „Ich habe verstanden, Judy." „Steven, warte!"  Aber er drehte sich um und marschierte mit großen Schritten zurück zu seinem Auto. Verdammt! „Steven!", brüllte ich. Als der Motor aufbrüllte und er wegfuhr, raufte ich mir verzweifelt die Haare. Wie sollte ich nun später nach Hause kommen?   

„Judy!" „W-Was?" Komplett überrumpelt griff Stanley, mein Mitschüler nach meinem Arm. „Tut mir leid wegen deiner Freundin, ja?", rief er mir zu und zerrte mich mit sich. „Du standest da ziemlich verloren herum", erklärte er mir, als er meine wütende Miene bemerkte. „Ich dachte, du hättest Lust auf etwas Ablenkung." „Ablenkung?", quietschte ich und zwang ihn anzuhalten. „Wohin gehen wir, Stanley?" Warum zum Teufel klingt meine Stimme so ängstlich? „Entspann dich. Wir spielen nur Wahrheit oder Pflicht." Erwartungsvoll sah er mich an. „Was sagst du?" „Naja..." „Super!" Grinsend zerrte er mich weiter, in die Nähe des Lagerfeuers. „Wer spielt denn mit?", wagte ich zu fragen und Stanley grinste breiter. „Taylor, Ellie, Clara, Adam..." „ADAM?!" Meine Stimme klang so schrill, dass Stanley lachte. „Sag nicht, dass du in ihn verliebt bist." Ich schüttelte unmerklich den Kopf. „Nicht das." „Er ist..." „HEY!" Stanley ruderte mit den Armen in der Luft herum. „Judy macht mit!" Eine kleiner Kreis voll mit Teenagern drehten sich zu mir um und ich fühlte mich plötzlich fehl am Platz. „Das kann ja nur gut werden", murmelte Clara und rollte die Augen. „Die Depressive kommt aus ihrer Ecke gekrochen", flüsterte Taylor Louis ins Ohr. Stanley hatte den unbehaglichen Blick auf meinem Gesicht nicht bemerkt, denn er packte meinen Arm und führte mich zu ihnen. Ich holte tief Luft. Ich schaffe das.

Taylor hüpfte auf und ab grinste und führte einen peinlichen Tanz vor. Ich konnte nur erraten, dass sie betrunken war. Stanley saß neben mir und fragte mich jetzt, ob ich ebenfalls etwas trinken wollte. Ich schüttelte dankend den Kopf, während Taylor sich setzte und jetzt atemlos auf mich zeigte. „Du",  lallte sie. „Du hast den ganzen Abend noch kein Wort gesagt. Wahrheit oder Pflicht?" War sie zu betrunken um sich an meinen Namen erinnern zu können? Gesichter starrten mich an, manche kannte ich  kaum. Mein ganzer Körper kribbelte unheilvoll, als ich Adams eisblaue Augen auf mir spürte. „Pflicht", antwortete ich überzeugend, obwohl meine Stimme zitterte. Ellie klatschte jubelnd. „Küss Adam." Ich lachte. „Guter Witz, Ellie." Doch ihre Miene blieb ernst. Wie bitte?? Ich lachte nervös. „Ellie?" „Das ist kein Witz", informierte sie mich freundlich. Mein Blick huschte zu Adam, der anfing zu grinsen. „Ich kann ihn nicht küssen!", protestierte ich verzweifelt. „Er..." Adam hob den Kopf. „Was bin ich für dich, Judy?" Schalk lag in seinen Augen. Mir blieb der Mund offen stehen. Wie konnte er nur so respektlos sein? „Jeder weiß, dass du ihn hasst, Judy", lallte Taylor. „Das ist Pflicht." Heilige Scheiße. „Komm schon, Judy." Adam grinste überschwänglich. „Beweg deinen Arsch hier her." Mir wurde schlecht, Hitze schoss mir ins Gesicht. Wissend, dass alle mich anstarrten, lief ich zu ihm und setzte mich. „Tu nicht so, als würdest du das nicht genießen", spöttelte Adam. „Komm schon, Süße", raunte er mir ins Ohr und lachte kehlig. „Küss mich." Kotz. Kotz. Kotz! „Jedes Mädchen würde das hier lieben", säuselte er. „Ich bin aber nicht wie jedes Mädchen!", stellte ich gehässig fest. „Verstanden?!" „Verstanden." Er lachte polternd. „Gott. Du bist so selbstverliebt, dass du denkst jedes Mädchen würde über dich herfallen!" Wutentbrannt funkelte ich ihn an und verpasste ihm eine Backpfeife. Stanley und die anderen im Kreis schnappten keuchend nach Luft. Doch Adam verging das Lachen immer noch nicht. „Autsch." Er rieb sich schmollend die Wange und klagte: „Wie konntest du das tun, Judy?" Clara und Louis gackerten wie wilde Hühner los. Vielleicht sind sie das ja auch. Ellie seufzte. „Komm schon, Judy. Küss ihn jetzt." „Genau." Adams Stimme klang heiser. „Küss mich." Oh mein Gott! Ich hatte das Gefühl, als würde ich eine Panikattacke bekommen. Hilfe! Langsam näherte ich mich ihm, schloss die Augen und legte meine Lippen auf seine. Adams Augen leuchteten überrascht auf. Er hat nicht gedacht, dass ich ihn küssen werde. „Du hast mich unterschätzt", raunte ich in sein Ohr und küsste ihn. Erst leicht, dann entschlossen. Ich hasste es, dass seine Lippen weich waren. Ich drängte meine Lippen noch fester auf seinen Mund und betete, dass jemand mir sagen würde, dass ich meine Pflicht erfüllt habe. Ich genieße das nämlich nicht! Adam schlang seine Arme um meine Taille und zog mich so fest an sich heran, dass ich überrascht nach Luft schnappte. Was machte er da?! Als er seine Lippen auf meine drängte, war es vorbei. Abrupt löste ich mich von ihm, die Wangen knallrot. „Du hast recht." Adam lächelte stolz. „Ich habe dich unterschätzt." Ich mied seinen Blick und setzte mich wieder neben Stanley. Trotzdem spürte ich immer noch Adams Lippen auf mir und sein stechender Blick, der mich zu verschlingen drohte.

Kissing the Enemy Where stories live. Discover now