Prolog.

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Nervös blickte ich auf die Uhr. Es waren bereits zwei Stunden vergangen und Zoe hat  sich immer noch nicht gemeldet. Normalerweise, wenn wir Streit hatten, konnte sie mir nie lange böse sein und entschuldigte sich sofort, auch wenn sie keine Schuld hatte. Diesmal war es anders. Ich wunderte mich nicht, denn dieser Streit war so viel heftiger gewesen, so surreal. Ich konnte mich kaum noch daran erinnern. Alles was ich wusste, war dass Zoe mich angeschrien hatte, weil ich unsere gemeinsame Tradition vergessen hatte. Jedes Jahr am 15. Oktober würden wir uns im Café treffen und so viel essen, wie wir nur konnten. Dann würden wir uns an Erinnerungen erinnern, die wir zusammen erlebt haben. Zum Schluss würden wir zu Zoe nach Hause gehen und so viel Harry Potter gucken, bis wir einschliefen. Jetzt würde man sich gewisse Fragen stellen. Warum unbedingt der 15. Oktober? Warum kein anderer Tag? Am 15. Oktober haben wir uns im Kindergarten kenngelernt und genau an diesem Tag haben wir beschlossen, dass es unser Tag sein wird. Doch heute hatte ich es vergessen. Nach den ganzen Jahren. Nachdem wir solange befreundet waren. Ich hasste mich dafür, dass ich Zoe hatte warten lassen, während ich mit Steven im Kino saß. Steven war ebenfalls mein Freund, doch ich hätte wissen müssen, dass dieser Tag besonders war. Dieser Tag war unser Tag und keine andere Person war wichtiger. Ich habe es vermasselt und hatte keine geringste Ahnung, wie ich das wieder gut machen konnte. Ich starrte erneut auf die Uhr. Es war halb acht. Langsam wurde es schon dunkel. Meine Gedanken rasten. Ich musste jetzt einfach zu Zoe gehen, sonst würde ich noch ausrasten.

Ich zog mir meine Schuhe an und purzelte die Treppen herunter, während ich erneut auf eine Nachricht von Zoe wartete. Meine Ungeduld wuchs, aber ich gab die Hoffnung nicht so leicht auf. Als mein Handy Minuten später immer noch nicht vibrierte, riss ich die Tür auf und rannte nach draußen.

Ich fröstelte, während ich eine weitere Straße überquerte. Wie konnte ich auch so dumm sein? Es war Mitte Oktober und ich rannte mit einem T-Shirt durch die Gegend. Aber das war nicht wichtig. Ich musste zu Zoe gelangen, damit ich mich bei ihr entschuldigen konnte. Damit alles wieder in Ordnung war. Ich sputete weiter, bis ich plötzlich wie gelähmt stehen blieb. Dort stand sie. Auf der anderen Straßenseite. Zoe. „Hey, Zoe!" Ich winkte wild, doch bezweifelte, dass sie mich hören konnte. Ihre braunen Haare fielen ihr ins Gesicht und ihre Wangen waren wegen der Kälte gerötet. „Zoe!" Ich startete einen erneuten Versuch, um sie auf mich aufmerksam zu machen. Es funktionierte. Sie drehte sich zu mir um und ich sah Erkennung in ihren Augen. War sie wütend auf mich? Enttäuscht? Ich konnte nichts in ihrem Gesichtsausdruck erkennen. „Es tut mir leid, dass ich unsere Tradition vergessen habe!", brüllte ich. „Ich bin eine Idiotin!"   „Was?", hörte ich ihre Stimme und ich versuchte es nochmal. „Es tut mir leid, dass..."   Aber Zoe schritt bereits entschlossen über die Straße, ihr Ziel mich zu erreichen. Genau in diesem Moment bog ein Van um die Ecke und raste blitzschnell auf Zoe zu. Ich keuchte entsetzt auf. „Zoe!", schrie ich. „Pass auf!" Sie wirbelte herum und den angsterfüllten Blick auf ihrem Gesicht, würde ich niemals vergessen. Der Van machte keine Anstalten anzuhalten und fuhr Zoe um. „Nein!" Mein Schrei ging durch das Keuchen von Zoe unter. Dann hörte ich nur noch drei Dinge. Geräusche, an die ich mich für immer erinnern würde.  Der Schrei von Zoe. Der brutale Stoß des Vans, der Zoe auf die Straße schleuderte. Die entsetzliche Stille.
Ich begann zu schreien.
Alles passierte so schnell.
Meine Knie zitterten wie verrückt, als ich zu ihr auf die Straße rannte.
Meine Beine brachen vor ihr zusammen und ein Schluchzen brach aus mir hervor.
Da war so viel Blut.
Zoe, die reglos auf der Straße lag.
Zoe!", schluchzte ich. „Zoe, wach auf!"
Doch sie hatte die Augen geschlossen und eine panische Angst um ihr Leben ließ mich erzittern.
Wen sollte ich anrufen?
Meine Eltern?
Den Notruf?
Meine Aufmerksamkeit galt plötzlich dem Van. Wer saß hinter dem Steuer?
Ich konnte nur Augen sehen, die vor Furcht geweitet waren. Dann quietschten die Reifen und der Van fuhr rasch davon und verschwand hinter einer Ecke.
Tränen strömten mir über das Gesicht und ich wandte mich wieder Zoe zu. „Bitte," schluchzte ich.
Es tut mir so leid, Zoe." Ich rang nach Luft, als das Blut von ihr meine Hände berührte. „Bitte, wach auf." Ich wünschte, ich wäre diejenige die auf dieser Straße lag.
Ich wollte diese Hilflosigkeit nicht.
Nein", flüsterte ich verzweifelt, als sie sich immer noch nicht regte.
Zoe!"

Kissing the Enemy Donde viven las historias. Descúbrelo ahora