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Zitternd überlegte ich, ob ich meinen Vater anrufen sollte. Der kleine Kreis hatte sich aufgelöst und nun begann es langsam zu regnen. Wäre Steven nicht einfach so abgehauen, wäre ich jetzt schon längst Zuhause. Regen tropfte auf mein Gesicht und verschmierte die Mascara. Küss mich. Schaudernd erinnerte ich mich an Adams Worten und spürte dann seine weichen Lippen auf meinen Mund. Was habe ich mir nur gedacht?! Ich habe Adam geküsst. Adam, der mich mit vierzehn mies verarscht hat. Adam, das größte Arschloch der Welt. Adam, der schon jahrelang mein größter Feind war. „Brauchst du Hilfe?" Erschrocken wirbelte ich herum und unterdrückte einen hilflosen Schrei, als ich sah, wer da vor mir stand. Adam. „Nein", entgegnete ich schnippisch. „Ich brauche deine Hilfe nicht." Adams Augen funkelten und er trat an meiner Seite. „Bist du dir da sicher? Du stehst hier ziemlich verloren herum." „Das geht dich nichts an!", wies ich ihn ungehalten zurecht. „Okay, okay." Er hob abwehrend die Hände. „Ich wollte nur sichergehen, dass dich jemand abholt." „Mich holt niemand ab", murmelte ich. „Mein Freund ist abgehauen, weil ich ihm gesagt habe, dass ich nichts für ihn fühle." Adam prustete los. Was ist daran lustig? Dann sah er meine Miene und verstummte schlagartig. „Oh."  „Ich könnte dich nach Hause bringen, wenn du willst", schlug er mir vor und ich musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Meinte er das wirklich ernst?  Er schien wirklich keine Witze zu machen. „Was soll das werden? Eine Entschuldigung?"  Er lachte. „Wofür sollte ich mich entschuldigen?" Erbost bestrafte ich ihn mit wütenden Blicken. „Weil du meinen Kuss erwidert hast!" Verblüfft erwiderte er meinen Blick. „Was sollte ich sonst tun?" „Ich sollte dich küssen. Nicht du mich! Außerdem war das nicht freiwillig und du hast alles nur noch schlimmer gemacht!" Wutschnaubend wandte ich mich ab. Adam folgte mir. „Was ist das Problem?" Er scheint es wirklich nicht zu verstehen. „Ich hasse dich, Adam!", schleuderte ich ihm in seine arrogante Fresse. „Und du hast meinen Kuss erwidert, obwohl ich das nicht wollte!" Als er immer noch nicht verstand, brüllte ich los. „Als ich vierzehn war, war ich so verliebt in dich und du hast mich geküsst und mich ausgelacht!" Mir stiegen Zorntränen in die Augen. „Und du hast gewusst, dass es mich beschädigt zurück gelassen hat!" Er erstarrte. Sah ich da Reue in seinen Augen? Er biss sich auf die Unterlippe und suchte nach Worten. „Damals war ich... Ich war ein Arschloch und habe mich nur um mich selbst gekümmert", entschuldigte er sich.  „Ich wusste nicht, dass unser Kuss vorhin dir so viele Flashbacks gegeben hat."  Hat es aber. Ich entfernte mich von ihm. Ich würde Dad anrufen, um ihn zu sagen, dass er mich abholen sollte. Ich bringe dich nach Hause."  Adam folgte mir. „Nein!"  „Nimm es als Entschuldigung an." Adam ignoriere meinen Protest einfach. „Bitte.". „Na schön!" Mit blitzenden Augen drehte ich mich zu ihm um. Er nickte zufrieden. „Geht doch." 

„Darfst du überhaupt fahren?", fragte ich ihn plötzlich schüchtern, als wir vor seinem Auto stehen blieben. Zum Glück ist es kein schwarzer Van. „Ich habe keinen Schluck Alkohol getrunken", beteuerte er amüsiert. „Und das soll ich dir glauben?", schnaubte ich. Er zuckte mit den Schultern. „Ich meine es ernst."  Seufzend öffnete ich die Autotür und ließ mich auf dem Sitz vorne nieder. „Ich werde dir sagen, wo ich wohne", fing ich an. Adam sah mich nicht an. „Das wäre angemessen", stimmte er zu. „Aber danach wirst du meine Adresse aus deinem Gehirn löschen!" Er sah mich von der Seite stirnrunzelnd an, eine blonde Strähne fiel ihm ins Gesicht. „Du sollst nicht wie ein Stalker um mein Haus herum schleichen." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an. „Warum sollte ich das tun?" Adam lachte über meine Worte, als wäre es Blödsinn. „Man kann ja nie wissen." „Du bist gestört." Kopfschüttelnd startete er den Motor. „Das ist eine Ausnahme!", machte ich ihm energisch klar, bevor er losfuhr. „Du hast es deutlich gemacht." Adam grinste verschmitzt. „Mein Feind wird mich nämlich nicht nach Hause fahren.", wiederholte ich mit zusammengebissenen Zähnen. „Ach ja?" Adam beugte sich immer noch spöttisch grinsend zu mir herüber. „Küssen zwei Feinde sich auch?" „Halt deinen Mund und fahr los!", fluchte ich und Adam tat, was ich verlangte.

Eine Weile fuhr er einfach nur und wir schwiegen. Doch dann ergriff Adam schließlich das Wort und brach das wunderbare Schweigen zwischen uns. „Warum hat dich dein Freund im Stich gelassen?", fragte er neugierig und ich sah ihn verwundert an. „Was geht dich das an?" Er zuckte die Achseln. „Nur Neugier." „Er hat sich in mich verliebt und ich habe ihm gesagt, dass ich es nicht bin. Dann ist er weggegangen." Ich wusste nicht, warum ich das überhaupt erzählte. Vielleicht fühlte es sich einfach gut an mit jemanden zu reden. Auch wenn es dein Feind ist?? Adam schüttelte fassungslos den Kopf. „Man lässt kein Mädchen einfach so alleine, wenn sie keine Möglichkeit hat nach Hause zu kommen."  Ich presste die Lippen aufeinander. „Was du nicht sagst."  Sein Blick galt der Straße und ich folgte seinem Blick. Es war, als würde er die blanke Panik in meinen Augen spüren. Seine Augen verdunkelten sich, nervös blickte er zu mir. Es war die Straße, auf der Zoe gestorben war. Unwillkürlich schloss ich die Augen. Mein Körber bebte. Die Schreie. Der Van. Das Blut. Ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. Der Schrei von Zoe drang an meine Ohren und ich unterdrückte einen panischen Schrei. „Alles okay?" Hilflos sah mich Adam an und ich nickte krampfhaft. „Fahr langsamer", flüsterte ich tonlos. Mir wurde eiskalt, doch Adam tat wie geheißen. „Kann ich irgendwas tun?", fragte er ungeschickt, als ich zu schwitzen begann. „Nein." Ich schüttelte den Kopf. Der Van fuhr schneller, warf Zoe um. Ich hörte meinen eigenen Schrei. Ich hätte dazwischen treten sollen. Ich hätte Zoe wegstoßen sollen. Adam betrachtete mich gequält, als könnte er mich nicht leiden sehen. „Es tut mir leid", flüsterte er heiser. Tränen rollten mir über die Wangen. „Sie ist gestorben", hauchte ich. „Ich hätte mich dazwischen werfen sollen."  Er schüttelte entschieden den Kopf. „Es ist nicht deine Schuld."  Als er abbog und die Straße hinter uns lag, atmete ich auf und ließ meine Tränen laufen. Adam ließ mich weinen, bis ich mich beruhigt hatte. Er hielt an und ich erkannte, dass wir vor meinem Haus standen. „Danke", nuschelte ich, wischte mir schniefend über die Augen und stieg aus. Adam tat es mir gleich. Als ich zur Haustür wankte, sah er so aus, als wollte er noch etwas sagen, drehte sich dann aber um und verließ mich.  Langsam öffnete ich die Tür und schloss sie hinter mir, als ich meine Schuhe auszog. Dann betrachtete ich im Spiegel mein verheultes Gesicht und meine schwarzen Haare, die strähnig an mir herunterhingen. Das war nicht ich. Der Tag war gekommen. Ich werde mich verändern. Kraftlos ließ ich mich auf den Küchenstuhl fallen. Aber bis dahin mache ich eine lange Pause.

Kissing the Enemy Where stories live. Discover now