[E] Work in Progress

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Ich laufe durch eine verkehrsberuhigte Straße mit modernen Einfamilienhäusern und Doppelhäusern und kleinen, gepflegten Gärten. Vor den meisten von ihnen stehen neue, frisch gewaschene Autos und es hängt ein "Vorsicht vor dem Hund"-Schild an jeder zweiten Gartentür. An diesem heißen Nachmittag spielen Kinder auf der Straße, und ihr Lachen lässt die Umgebung wie einen familienfreundlichen Vorstadt-Traum erscheinen. Ich bin auf der Suche nach Marcos Haus.

Da das Büro heute so überfüllt und stickig war, beschlossen wir, dass es effizienter wäre, uns abends unter vier Augen zu treffen, um unseren Vortrag für die Präsentation nächste Woche noch diese Woche fertig zu bekommen. Jetzt da ich die Umgebung seines Hauses sehe, bin ich froh, dass ich ihn nicht in meine Wohnung eingeladen habe. Im Vergleich hierzu ist das wohl nicht mehr mit Altbau-Charme schönzureden.

Endlich finde ich sein Haus und klingle. Er öffnet die Tür. Ich stelle fest, dass er sein hellblaues Hemd gegen ein schwarzes T-Shirt getauscht hat und barfuß ist. Ich streife meine Schuhe im Flur ab und spüre die angenehm kühlen Fliesen unter meinen Sohlen.

Ich folge ihm ins Wohnzimmer. Das Zimmer ist hell eingerichtet, mit beigen Möbeln und einer großen Fensterfront zum gepflegten Garten. Der Raum wird von einem großen Sofa dominiert. Ich stelle fest, dass der Fernseher auf dem Boden steht und das Bücherregal halb leer ist. Stimmt, da war ja die Sache mit der Scheidung. Marco macht eine Geste in Richtung Esstisch und sagt mir, ich solle mich wie zuhause fühlen und er werde etwas zu trinken holen. Ich stelle meine Tasche mit meinem Laptop auf den Tisch und schaue mich im Zimmer um, während er den Raum verlässt.

Es gefällt mir, wie man die Leute an den Sachen, die sie im Wohnzimmer aufbewahren, kennen lernt, also gehe ich zu den Bücherregalen hinüber. Neben einigen professionellen und wissenschaftlichen Büchern sehe ich vor allem Romane; Krimis, aber auch Science-Fiction und eine ganze Sammlung von Stephen King Büchern.

Als ich mich von den Büchern abwende, sehe ich ein gut gefülltes Regal mit Schallplatten und einem Plattenspieler. Ich blättere vorsichtig durch die Platten und erkenne viele Rockklassiker von Pink Floyd, The Doors, Jimmy Hendrix und den Rolling Stones, aber auch einige Wave-Platten von Joy Division, The Cure und Depeche Mode. Erstaunlich, dass wir einen ganz ähnlichen Geschmack für Bücher und Musik haben, obwohl er zwanzig Jahre älter ist als ich. Marco betritt den Raum, um Gläser und eine Flasche Wasser auf den Tisch zu stellen: "Suche dir eine aus, wenn du möchtest, vielleicht macht etwas Musik die Arbeit ein bisschen erträglicher". Ich blättere die Platten noch einmal durch. Wer die Wahl hat, hat die Qual.

Ich hätte Lust auf Dark Side of the Moon von Pink Floyd, tatsächlich einer meiner absoluten Favoriten, aber ich entscheide, dass es dafür noch zu früh ist. Schließlich wähle ich Tommy von The Who. Ich habe einmal eine Live-Show der Rockoper gesehen und mochte die Musik wirklich gern.

Er schaltet den Plattenspieler ein, und ich gebe ihm die Platte. "Wow, ich hätte nicht erwartet, dass du die hier magst oder gar kennst!"

Ich lächle ihn an: "Es gibt vieles, was du nicht über mich weißt!". Vielleicht lerne ich ihn ja heute mal ein bisschen kennen.

Nachdem wir eine Weile intensiv an unserem Projekt gearbeitet haben, blieben wir in einer Kalkulation stecken. Marco lässt seinen Stift fallen und steht auf, um seinen Rücken zu strecken. "Ich brauche etwas zu essen, ich kann mich nicht mehr konzentrieren."

Ich schaue von der Kalkulation auf und stelle fest, dass die Sonne schon recht nah am Horizont steht und der Plattenspieler für eine ganze Weile still ist. Ich überprüfe mein Handy. Schon halb neun. Ich merke, dass ich auch Hunger habe und folge ihm in die Küche.

"Ich habe Gazpacho im Kühlschrank als Vorspeise. Und ich dachte an Thai-Curry als Hauptgericht. Aber wir können auch etwas bestellen, wenn du möchtest.

MinaWhere stories live. Discover now