schlechter Deal

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Ich klingle bei Ben, erhalte jedoch keine Reaktion, also krame ich den Schlüssel aus der Tasche und öffne selbst die Tür. Auch die Wohnungstür ist zu, als ich sie erreiche, also schließe ich auch diese auf.

Es ist still in der Wohnung. Ist er überhaupt da? Ich sehe mich im Raum um und sehe Bens Beine über die Lehne der Couch hängen. Ich gehe um das Möbelstück herum und mustere Ben, der mit dem Rücken auf der Sitzfläche liegt, seine Beine nach oben über die Lehne gelegt hat, während er seinen Kopf in den Nacken gelegt hat und so von der Sitzfläche hängen lässt. Ich bleibe neben ihm stehen, während ich bewundere, wie er die Asche von seiner Zigarette in den Aschenbecher am Boden schnippt und trotz seiner Position trifft.

"Ich dachte, du rauchst nicht in der Wohnung."

Er zuckt mit den Schultern. "Perspektivwechsel."

Sehr informativ. Ich gehe zur Küchenzeile, nehme mir ein Glas Wasser und ziehe dann den Klavierhocker zur Couch, um mich neben Ben zu setzen um ihn zu beobachten. Ich stelle das Glas auf dem Couchtisch ab, verschränke die Arme und beobachte ihn. Er wollte, dass ich herkomme, also warte ich, was er zu sagen hat.

Er seufzt, nimmt einen weiteren Zug von seiner Zigarette und fragt mich dann: "Wusstest du, dass die meisten Giraffen bisexuell sind?"

Ich muss lachen. "Nein, wusste ich nicht. Willst du mir damit etwas Bestimmtes sagen?"

Er zuckt wieder mit den Schultern. "Nein, kam mir nur so in den Sinn."

"Okay... das ist aber nicht der Grund, warum ich zu dir kommen sollte?"

"Nein."

Ich warte ab, ob er von selbst weiterspricht. Er schließt kurz die Augen und atmet tief ein, dann schaut er mich an und erklärt dann: "Claire hat mir gestern Abend gestanden, dass sie hin und wieder mit Kai fickt."

Ich bin irritiert. "Ich dachte, das zwischen euch wäre exklusiv?"

"Ja, genau das dachte ich auch. Und selbst, wenn nicht. Mit meinem Kumpel? Ohne das vorher abzuklären? Und der Wichser hat auch nichts gesagt!"

Ben drückt die Zigarette aus, rappelt sich auf und setzt sich richtig herum auf die Couch.

"Klingt, als ob du betrogen wurdest. Sowohl von Claire, als auch von Kai. Was machst du jetzt?"

"Ich weiß nicht. Irgendwie will ich nicht so einfach Schluss machen, Claire ist mir echt wichtig geworden. Aber so ist es eben auch scheiße. Und außerdem besteht sie trotzdem darauf, dass ich mich nicht mit anderen Frauen treffe."

"Das klingt ehrlich gesagt nach einem ziemlich schlechten Deal."

"Ganz deiner Meinung."

"Aber sie findet das nicht problematisch, was sie da tut?"

"Sie hat schon eingesehen, dass das scheiße ist, dass sie einen meiner Kumpels fickt aber dass sie generell mit Anderen Sex hat, um sich die Bestätigung zu holen, die sie braucht, ist für sie wohl in Ordnung. Vor allem, weil ich mich ja beim Feiern jetzt etwas zurückhalte und sie deshalb öfter mal mit den Jungs alleine im Club ist."

Ben hält sich beim Feiern zurück?

"Haben die Anderen das etwa auch gewusst?"

Ben zuckt mit den Schultern. Er zündet sich eine weitere Zigarette an.

"Und was sagt Kai?"

"Mit dem habe ich noch nicht gesprochen. Aber ich ahne schon, dass er mir nur erklären wird, ich soll mich nicht so aufregen und es sei ja nicht schlimm."

"Tolle Freunde hast du da."

"Ein Freund ist Kai sicher nicht. War er auch noch nie. Trotzdem ist das scheiße."

Ich nicke, weiß aber nicht, was ich dazu noch sagen soll.

Ben seufzt und steht vom Sofa auf. Er nimmt den Aschenbecher mit und geht zum Klavier. Ich schiebe die Klavierbank zurück und er setzt sich.

Mit der Zigarette zwischen den Lippen fängt er an, zu spielen. Mr. Brightside von den Killers. Ich entscheide mich, ihn ein bisschen in seinem Selbstmitleid baden zu lassen, setze mich neben ihn und höre ihm zu. Ich höre ihn einfach gerne spielen. Als nächstes spielt er I Heard It Through The Grapevine von Marvin Gaye, gefolgt von Back to Black von Amy Winehouse.

Als er anfängt, Grenade von Bruno Mars zu spielen, nehme die Ukulele von der Wand und spiele ein bisschen mit. Er drückt die Zigarette aus und spielt dann Tainted Love von Soft Cell. Seine Miene hellt sich langsam auf und bei Escape von Rupert Holmes lächelt er.

Danach lässt er die Hände sinken und schaut mich an. "Danke."

"Für was denn?"

"Dass du da bist. Das hat echt gutgetan. Ich weiß zwar nicht, wie ich mit Claire weitermachen soll, aber das hier war echt gut."

Er stellt den Aschenbecher auf den Balkon und setzt sich wieder aufs Sofa. Ich setze mich neben ihn und er nimmt mich in den Arm.

"Was hast du mit Lilly gemacht, als sie mit Sven Schluss gemacht hat?"

"Ich habe Sushi, Eis, Schokolade und Wein besorgt und mit ihr zusammen festgestellt, wie scheiße Männer sind." Was danach passiert ist, muss Ben nicht unbedingt wissen.

"Sushi und Wein klingt gut. Hast du Lust und noch ein bisschen Zeit?"

"Klar, gerne."

Wir bestellen Sushi und Ben öffnet einen Wein. Dann machen wir es uns auf dem Sofa gemütlich.

Ich frage ihn: "Willst du eine romantische Komödie schauen?" Ben schaut mich irritiert an und ich muss lachen. "Das hat Lilly geholfen."

"Danke, aber ich passe."

"Oder willst du was von Taylor Swift hören?"

Ben verdreht die Augen und schenkt sich Wein nach.

Das Sushi kommt und wir essen, während wir uns über missglückte Beziehungen und die Freiheit des Single-Daseins unterhalten.

Als ich heimgehe, hat Ben, der von den zwei Flaschen Wein etwa 1 ½ alleine getrunken hat, den Entschluss gefasst, mit Claire Schluss zu machen.

"Hallo Mina" Ich schaue von meinem Bildschirm auf und Judith steht in der Tür zu meinem Büro. "ich habe das Hotel für die Geschäftsreise zu Petersen gebucht. Hier ist die Buchungsbestätigung für dich. Bezahlt ist schon, du musst nichts Weiteres tun."

"Danke Judith."

"Ist es für dich in Ordnung, wenn du zusammen mit Marco fährst? Er hat gemeint, er könnte fahren und so würden wir Fahrkosten sparen, wenn ihr gemeinsam fahrt."

"Ja klar, kein Problem."

"Gut, danke." Als sie das Büro verlassen hat, schaue ich mir die Bestätigung an. Die Buchung ist für das Hotel 'zur Post', welches sich nach einer kurzen Recherche als gehobenes Hotel in der Altstadt entpuppt. Die Zimmer sehen trotzdem modern und hell aus, das Bild des Frühstücksbuffets spricht für einen guten Start in den Tag.

Christina fragt "Und, was ist es für ein Hotel?"

"'Zur Post.' Sieht ganz gut aus."

"Darf ich sehen?" sie kommt zu mir und schaut die Bilder an. "Ich glaube, das ist das, von dem Selina erzählt hat." Selina ist Sachbearbeiterin in einem anderen Team. "Sie hat gemeint, das Frühstück war gut, aber das Zimmer sei so gar nicht wie das auf den Bildern gewesen. Die renovieren das Hotel wohl Stück für Stück. Ich hoffe, du bekommst eins von den coolen neuen Zimmern!" sie geht wieder zu ihrem Schreibtisch und lässt mich etwas desillusioniert zurück.

MinaOnde histórias criam vida. Descubra agora