Kapitel 10

2.4K 77 0
                                    

„Du solltest trainiert werden. Zumindest hätten unsere Eltern das so gewollt, wie bei mir und dann auch bei Marco.", eröffnete mir Matteo seine Gedanken. Wir standen beide in der Küche, da ich gerade Frühstück gemacht hatte. Ich stand immer am frühsten auf, warum dann nicht nützlich machen? Außerdem hatte ich dann was zu tun und musste nicht an ihn denken.

„Und wie soll das aussehen? Hast du dir da was vorgestellt?", entgegnete ich. Ich war nicht abgeneigt, jede Ablenkung nahm ich dankend an. Mit den anderen hatte ich nicht über den Vorfall gesprochen, ich hoffte auch dass man mich Abends nicht weinen hörte. Abends vor dem Schlafen war ich immer meinen Gedanken ausgeliefert. „Also da Vater ja nicht mehr da ist... wollte ich das wieder übernehmen wie bei Marco damals.", er klang leicht niedergeschlagen. Auch er hatte sehr unter dem Tod unserer Eltern gelitten. „Musst nur sagen wann wir anfangen können.", versuchte ich ihn abzulenken. Ein lächeln breitete sich auf seinem Gesicht: „Ich dachte an heute.". Ich zuckte zustimmend mit den Schultern. „Willst du was essen? Mal so nebenbei?", fragte ich nun und deutete auf den gedeckten Tisch. Ich hatte Pfannkuchen gemacht, zudem roch es hier nach frisch gebrühtem Kaffee. Matteo wollte schon zugreifen da hielt ich ihn auf: „Schau erst ob die anderen schon wach sind, sonst isst du denen ja alles weg.". Dabei musste ich schmunzeln. Matteo anscheinend auch aber er huschte hinaus und ich hörte ihn dann durchs Haus brüllen: „Aufstehen, es gibt Frühstück!". Dann kam er wieder lachend in die Küche und setzte sich. „Schreien kann ich selbst, danke.", meinte ich nur belustigt. Nach einigen Minuten kamen die anderen drei verschlafen und murrend in die Küche, doch sobald alle angefangen hatten zu essen, hob sich die Stimmung schnell. Matteo weihte Mia in seinen Plan ein und fragte ob sie nicht mitmachen wollen würde. Sie war natürlich direkt am Start. Marco und Noelle meinten sie würden dann vielleicht einkaufen gehen können und so.

Matteo war mit Mia und mir rausgefahren, weiter weg, auf eine kleine mir bis dahin unbekannte Lichtung. Diese war klein und viele Wildblumen blühten hier. „Na dann, ich denke zum Verwandeln muss ich dir nicht mehr viel sagen, außer, denk einfach daran ein Wolf zu werden. Ich geh schon mal vor.", meinte Matteo. Dann zog er sich bis auf die Boxer aus und verwandelte sich. Er rannte auf die Lichtung während Mia und ich noch im Schutz der Bäume standen. Mia zwinkerte mir zu und zog sich bis auf die Unterwäsche aus und verwandelte sich dann auch. Okay, ich tat es ihr gleich, doch ich schaffte es nicht so schnell mich zu verwandeln. Es dauerte und war wieder schmerzhaft, doch gar nicht so schlimm wie beim ersten mal. Ich rannte dann auch auf die Lichtung zu den anderen.

‚Über ein Gedankenband können wir miteinander kommunizieren, dabei denkst du daran WEM du das mitteilen willst. Einige schaffen es am Anfang nur wenn sie dem Wolf in die Augen schauen, aber irgendwann solltest du es auch schaffen, zwei bis drei Leute damit zu erreichen. Je nach dem wie stark du und dein Wolf seid, über desto größere Entfernungen kannst du dann kommunizieren. Als Alpha zum Beispiel kann man auch dem ganzen Rudel über Gedankenband etwas mitteilen, der Alpha ist aber auch der mächtigste im Rudel, liegt meistens in der Familie und wird dementsprechend weitervererbt.', vernahm ich Matteos Stimme in meinem Kopf. Ich schaute ihm in die Augen und dachte daran mit ihm zu kommunizieren: ‚Das klingt plausibel, ich hoffe ich mach das hier richtig. Kannst du mich überhaupt verstehen?'. ‚Ri du bist gerade wie ein offenes Buch für mich, aber das machst du gut. Gedankenband sollte man immer beherrschen und je öfter du das übst, desto besser wird es. Geht zwar nur in Wolfsgestalt aber manche Mates, mit einer sehr starken Bindung sollen dies wohl auch untereinander in Menschengestalt können.', hörte ich Matteo wieder. Ich nickte. Also etwas was ich nicht erfahren werden könnte... nein Konzentration aufs Training! ‚Fangen wir doch damit an wie man am besten seine Umgebung wahrnehmen kann, das ist natürlich ganz wichtig, in egal welcher Situation.', machte Matteo weiter.

Er erklärte mir ich solle einfach mal meine Augen schließen und versuchen die Natur wahrzunehmen, in allen Facetten. Ich konzentrierte mich auf die Erde unter meinen Pfoten. Ich hatte das Gefühl selbst die kleinen Insekten hier wahrzunehmen. Wie tausend kleine Schritte, sowie das summen und brummen. Ich glaubte auch zu hören wie der Wind durch die Gräser wehte. Zudem hatte ich das Gefühl als würden sich Matteo und Mia bewegen, auch weil ich ihren Geruch aus einer anderen Richtung nun wahr nahm. Plötzlich hatte ich ein komisches Gefühl. Als wäre da ein weiterer Wolf, welcher aus dem Wald auf uns zu rannte. Ich öffnete die Augen und knurrte in die Richtung. ‚Was ist los?', hörte ich Matteo verwundert. ‚Da kommt jemand.', knurrte ich. Der Wolf kam immer näher und nun merkten das auch Mia und Matteo. Ich knurrte lauter. ‚Gott hör doch auf zu knurren Auri! Das ist nur Tristan.', Matteo klang ein wenig verwirrt. Ich schaute ihm in die Augen. ‚Dann geh ich lieber mal. Ich denke ich hab sowieso genug trainiert für heute.', dann machte ich mich auf den Weg zum Auto.

Ich verwandelte mich zurück, es tat wieder etwas weh aber es ging recht schnell. Ich hatte mir gerade meine Sachen übergezogen, als ich drei Wölfe auf mich zulaufen sah. Das kann doch nicht sein! Ich drehte mich weg und schlüpfte in meine Schuhe. Ich wusste ja genau wer das war. Davon wollte ich mir echt nicht meine Laune vermiesen lassen. Das Training hatte echt Spaß gemacht und es war sehr interessant wie ich meine Umgebung wahrnehmen konnte. Blöd bloß, dass ich jetzt schon wieder so genervt bin, weil er da war. Immerhin besser als wenn ich meine Trauer zeigen würde. Bei der Mondgöttin ich hatte keine Lust mich vor Mia und Matteo zu erklären. Ich ging los in die Richtung der Stadt. Autofahren konnte ich ja nicht. Mir auch egal. Genauso egal wie, dass man mir scheinbar noch folgte, ich blickte mich nicht um aber ich hörte die Schritte. Es schien als hätte sich jemand zurückverwandelt. Mir egal. Ich lief weiter. In mir der brennende Schmerz des Alleinseins. Ich unterdrückte die Tränen. Ich wollte doch nicht daran denken, doch wie Blitze schossen mir die Erinnerungen an das letzte Gespräch mit Tristan in den Kopf.

SilvermoonWhere stories live. Discover now