Ich räusperte mich. »I-Ich dachte-«

»Du solltest nur zur Seite treten, damit Matt mir helfen kann.« Seine Mundwinkel zuckten.

Das erklärte, warum Matt auch hier und nicht an der Tür stand.

»Ach so«, quietschte ich peinlich berührt und eilte zwei Schritte zur Seite. »Tut mir leid.«

Matt presste die Lippen aufeinander, aber seine Lippen kräuselten sich verräterisch als er die Finger verschränkte und sie vor Jack hielt, damit er an die Glühbirne kam.

Ich sah auf meine Fingerspitzen, die dreckig waren von dem Boden. Wie schaffte ich es, mich überall zu blamieren?

»Hier« Jack reichte mir den Schlüssel, den ich entgegennahm ohne ihn dabei anzusehen.

»Danke«, räusperte ich mich und machte mich daran die Tür zu öffnen.

Es wehte mir ein wenig Staub entgegen als ich die schwere Tür aufmachte. Hustend stolperte ich in den nächsten Flur und schob die Tür weit genug auf, damit die Anderen ebenfalls durchschlüpfen konnten. Sobald ich die Finger von der Tür abließ, fiel diese von alleine zu und ließ uns im Dunkeln stehen. Mein Magen verkrampfte sich, aber ich ballte die Faust. Das war nicht der richtige Zeitpunkt sich vor der Dunkelheit zu fürchten, wenn hier im Moment viel mehr auf dem Spiel stand.

»Keine Angst«, sprach ich zu den Anderen, da man hier nicht einmal die eigene Hand vor dem Gesicht erkennen konnte. Ich wünschte ich hätte mein Handy dabei oder eine Taschenlampe dabei. »Der Raum wurde extra ohne einen Funken Licht konstruiert. Nur Leute, die sich hier auskennen, werden die nächste Tür finden. Folgt einfach meiner Stimme.«

Es herrschte kurz Stille, in der ich mir gut bildlich vorstellen konnte wie beide nickten, bis ihnen auffiel, dass ich ihr Nicken nicht registrieren konnte. »Okay«, hörte ich schließlich beide sagen.

Erneut ging ich in die Knie und kroch zur Wand links von mir. Mein Vater meinte, dass Wände in der Dunkelheit gut zur Orientierung dienten. Und er hatte Recht behalten. »Dieser Flur«, fing ich an zu reden damit sie stets meiner Stimme folgen konnten. »führt erst geradeaus und spaltet sich am Ende in zwei verschiedene Richtungen.« Wie gesagt kamen wir an dieser Abzweigung an. »Wir müssen den rechten nehmen«, lief ich voraus und hörte nur deren leise Atmung hinter mir. Mir lief es kalt den Rücken runter, als sich mir plötzlich der Gedanke in den Kopf schlich, dass ich nicht zu hundert Prozent davon ausgehen konnte, dass es Jack und Matt hinter mir waren. Sofort schüttelte ich den Gedanken ab und konzentrierte mich auf meine Finger, die weiter hastig den Rand abtasteten. »und an diesem Ende erwarten uns sieben Stufen aufwärts ehe es dann eine erneute Abzweigung gibt.«

Erst als wir an diesen Stufen ankamen, stellte ich mich wieder auf die Beine und schritt langsam den Weg entlang.

1.. 2.. 3.. 4.. 5.. plötzlich stolperte ich über einen unerwarteten Gegenstand und landete vorwärts auf dem Boden. Sofort spürte ich eine Hand an meinem Rücken, die mich versuchte wieder auf die Beine zu ziehen. Nur an dem Geruch erkannte ich, dass es Jack war, der zu mir geeilt war. »Was ist das?«, fragte er in die leise Runde. Auch er schien dieses etwas gespürt zu haben.

»Ich weiß es nicht.«, murmelte ich während ich mir von ihm hoch helfen ließ. »Sollen... sollen wir es mitnehmen?«

Ich hatte den schweren Drang, mich danach zu bücken und es abzutasten, aber das Feuchte an meinen Knien riet mir davon ab. Stattdessen fasste ich mir an die Hose und schnüffelte dann an meinen Fingern. Angeekelt verzog ich das Gesicht. Was war das?

»Nein«, hörte ich Jacks tiefe Stimme. »Wir konzentrieren uns nur auf den Ausweg. Geh weiter und ignorier das.«

Ich nickte obwohl ich ganz genau wusste, dass er es nicht sehen konnte, aber der Geruch hatte mir die Kehle zugeschnürt. Mit zitternden Gliedern stützte ich mich an der Wand ab, spürte immer noch Jacks warme Hand auf meinem Rücken als würde er mir damit Kraft schenken wollen, den Weg fortzusetzen.

6.. 7.. Ich atmete tief durch. In welche Richtung jetzt?

Unsicher presste ich die Zähne fest aufeinander.

»In einem echten Notfall wirst du nicht die Zeit haben erst zehn Stunden zu überlegen. Das muss schneller gehen!«, hörte ich die drängende Stimme meines Vaters dicht an meinem Ohr.

»Ich habe es vergessen!«, rief ich genervt. »Wieso muss ich überhaupt diesen dummen Weg lernen? Es wird doch sowieso nie etwas vorfallen.«

Mein Vater atmete genervt aus. »Belle, wenn du nicht jetzt sofort weiterläufst, überdenke ich meine Erziehungsmaßnahmen ohne Handgreiflichkeit noch einmal!«

Ich verdrehte die Augen und tastete meinen Weg nach links frei. Erneut seufzte mein Vater, aber folgte mir dennoch. Er folgte mir stumm, wohlwissend, was als Nächstes geschehen wird. Nämlich, dass ich volle Kraft voraus mit der Nase gegen eine Wand knallte. Ich fluchte leise und hielt mir mit Tränen in den Augen an die blutende Nase. »Wieso sagst du ni-«

»Von nun an, denk immer an deine Nase bevor du diesen Weg einschlägst.«, hörte ich die strenge Stimme meines Vaters, die gleichzeitig ein Lachen zu unterdrücken schien. Doch im Nächsten Moment zog er mich am Handgelenk in die richtige Richtung.

Automatisch fasste ich mir an die Nase und musste leicht lächeln. Kaum zu glauben, aber nur das erweckte in mir die Erinnerung, dass ich den rechten Weg zu wählen hatte. Das Lächeln auf meinen Lippen schwand jedoch augenblicklich mit dem Wissen, dass ich meinen Vater nicht mehr so schnell sehen würde. Vielleicht sogar nie.

Schnell schluckte ich und räusperte mich, um meinen Hals vom Kloß freizubekommen. »Wir sind gleich da.«, flüsterte ich. »Nur noch- nur noch eine Tür und wir sind im letzten Flur.«

Ich spürte einen leichten Druck an meinem Arm. Es war Jack. Und ob er es absichtlich tat oder nicht, wusste er, dass mir diese Geste etwas mehr Kraft spendete? Ohne es selbst richtig wahrzunehmen, suchte meine Hand seine und schob meine Finger zwischen seine. Mein Herz schlug mir aus Angst, er würde sie wieder zurückziehen, bis in die Ohren, aber das tat er nicht. Stattdessen drückte er sie kurz leicht wie zur Bestätigung, dass er bei mir bleiben würde.

Mit neu geschöpfter Kraft, gelang ich bis zur nächsten Tür und nur schweren Herzens, entzog ich mich der Wärme, die von Jacks Hand ausging, um nach dem Schlüssel zu greifen, der auch diese Tür öffnete. Erleichtert stemmte ich mich gegen die schwere Tür und trat wieder in einen beleuchteten Flur. Ich sah am Ende des Ganges die letzte Ecke, die uns vom Ausgang trennte. Gerade wollte ich darauf losstürmen, da hielt mich jemand am Arm auf. Fragend drehte ich mich zu den Anderen, die beide den Blick auf meine Hose geheftet hatten. Nun blickte auch ich an mir herab und schnappte schwer nach Luft. An mir klebte... Blut.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWhere stories live. Discover now