Kapitel 60

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(02.04.2017)

Ich richtete meine Krawatte und zog beim Laufen mein grauen Jackett an. Heute muss ich alles vorbereiten. Koffer sollte ich auch langsam packen, letztendlich fliege ich schon morgen. Andererseits muss ich Überstunden heute wieder nehmen. Wieso kann ich mich nicht Klonen, so würde die Arbeit schneller von statten gehen. Für einen reibungslosen Ablauf sollten die anderen Mitarbeiter und Assistenten sorgen. Als Chefmanager hab ich schon so Stress am Hals und ich kann nicht mehr die Kleinigkeiten anderer abnehmen. Bestimmt muss ich anfangen strenger zu werden, sonst geht es den Bach runter und das wäre eine Katastrophe. Meine Abteilung ist in den letzten Tagen echt überstrapaziert und dazu fängt bald wieder die Saison für Volleyball an. Zwar liebe ich diesen Job, dennoch raubt es mir den letzten Nerv. Es gibt Tage an denen ich mich stolz schätze das Studium durchgezogen zu haben und an manchen Tagen will ich mit dem Kopf durch die Wand.

„Kuroo-sama, haben sie die Unterlagen für den Volleyballer aus Amerika erhalten?" Ein Assistent stürzte aus einem Beratungsraum und folgte mir die Flure entlang. „Natürlich, Tamaki-san, aufgrund des Abfluges Morgen ist das schon eingetroffen. Der junge Mann scheint qualifiziert für die japanische Nationalmannschaft und das werde ich ihm persönlich überbringen. Finde Ito-san für mich und schick sie zu mir. Ich mache mich zu Halle drei auf", berichtete ich dem jungen Angestellten mein Vorhaben, woraufhin er sich gleich aufmachte, um meine Anweisung auszuführen. Ich kann mich glücklich schätzen ein Team hinter mir zu haben. Ein einzigen auf dieser Anlage zu finden ist schwer, dazu wenn man noch andere Ziele auf der To-Do-Liste stehen hat, scheint das unmöglich. Erstmal muss ich den Trainer finden und dann die wichtigsten Ordner mitnehmen. Ito-san stößt noch zu mir, darum mache ich mir jetzt erstmal keinen Kopf. Meine Schritte hallen im leeren Gang auf. Die Ruhe lässt mich kurz runter kommen, jedoch die Vorahnung, welche Lautstärke gleich auf mich trifft, bereitet mir jetzt schon Kopfschmerzen. Ja, der Tag war bis jetzt ein Chaos und erst die Hälfte ist geschafft. Meine Augen erfassten schon die große Tür, als ich in den rechten Gang einbog.

Ach, ich erinnere mich noch an meinen ersten Tag hier, an dem ich mich verlaufen hab. Wie überfordert ich mit dem Aufbau des Gebäudes war und verzweifelt nach Plänen suchte, vergeblich. Nun kann ich die Gänge mit geschlossenen Augen langlaufen ohne auf Probleme zu stoßen. Die Vermutung ist, dass sowas mit der Zeit kommt. In den drei Jahren, seitdem ich mich zu dieser Sportgemeinschaft zähle, hab ich einiges dazugelernt und mich hochgearbeitet. Chefmanager der Abteilung Sportförderung und Mitarbeiter der japanischen Volleyball Gesellschaft, verbunden mit dem hiersitzigen Nationalteam, ist nun meine Arbeit. So viele Stunden von Schlaf opferte ich dafür und so einige Stunden warten darauf für die Arbeit draufgehen zu müssen. Am Ende wurde ich das, was Japan wollte: ein treuer Mitarbeiter. Meine täglichen Träumereien muss ich jetzt aber erstmal lassen und mich auf die Aufgaben konzentrieren. Ich stieß die schwere Tür auf und der Geruch vom Linoleum-Boden stieg sofortig in meine Nase. Die quietschenden Schuhe, der Aufprall ältlicher Bälle und die wirren Gespräche ließen die Lautstärke steigern. So sehr ich diesen Sport liebe, gegen Anspannung auf der Arbeit hilft der Lärm nicht. Das muss ich aber jetzt ertragen. Wenn der Tag gelaufen ist, kann ich in mein Apartment und in angenehmer Geschwindigkeit packen, ehe ich in einem Flieger sitze.

Meine Füße trugen mich zum Haupttrainer, welcher mit verschränkten Armen die Profis beobachtete. Alle waren in ihrer Welt und gaben ihr Bestes. Unter diesen Spielern entdeckte ich meinen weißhaarigen besten Freund, den ich aber nicht ablenken werde, sonst macht mich Iwaizumi ein Kopf kürzer. „Hallo, Iwaizumi-san, wie läuft es beim Training?", sprach in den Trainer an, der nun seine Aufmerksamkeit mir schenkte, trotzdem ging er auf meine höfliche Frage nicht ein. „Hiro-san, übernahm du meine Gruppe kurz", rief er seiner rechten Hand zu, der augenblicklich seine Arbeit übernahm und die Gruppe aus sechs Mann analysierte. „Hey, Kuroo, was gibt's?" Er zeigte mir kurz zur Seite zu gehen, damit wir keinen Volleyballer ablenkten. Der Trainer mit den stacheligen braunen Haaren sah sehr zufrieden aus, erstaunlich, immerhin liegt seine Stirn oft in Falten wegen dem konzentrierten Blick. Er ist ein strenger, aber hervorragender Coach, der in seiner Jugend auf der Aoba-Johsai-Oberschule in Miyagi war, diese Information hatte ich von Tsukishima. „Ich bin hier für die kurze Besprechung über den neuen Spieler aus Amerika. Übermorgen ist das Treffen und wenn alles so kommt, wie du es Prophezeit hast, siehst du ihn in fünf Tagen. Es wäre zwar praktischer in einem Konferenzraum darüber zu reden, leider finde ich dafür keine Zeit. Wir beide haben einen strengen Plan", erklärte ich ihm. Verständnisvoll nickte er. „Ja, ich weiß und so passt es auch mir am besten. Für ihn ist Amerika nur eine Zwischenlösung gewesen, weshalb ich davon ausgehe, dass er annimmt. Jeder würde gern für sein Heimatland spielen. Wir hatten einige Telefonate, die alle sehr vielversprechend waren. Mehr hab ich nicht zu sagen, vermutlich hast du meine Berichte gelesen. Somit gibt es nicht so viel zu erzählen und dich sollte man an stressigen Tagen nicht aufhalten." Die Berichte und das Gehörte fand ich auch einwandfrei. Dazu ist er Japaner, wodurch die kleine Sprachbarriere komplett weg ist und wir so uns unproblematisch einigen können. Mein Englisch ist fließend, dennoch nur meine Zweitsprache und so kann es kommen, dass ich in internationalen Gesprächen aus Versehen auf meine Muttersprache wechsle. „Die Unterlagen wurden mir gestern gegeben und die passen, deshalb übernahm ich den Job ihn endgültig entscheiden zu lassen. Kommen Fragen auf, kontaktiere ich dich, zu dem Thema gibt es mehr nicht zu sagen. Mein nächstes Ziel ist Ito", seufzte ich. Der Mann lächelte aufmunternd. „Da kommt sie schon. Viel Glück! Ich Übernahme mein Team wieder. Man sieht sich und mach keine zu großen Überstunden, Kuroo", forderte Iwaizumi und ich lachte kurz.

Mein Blick wanderte zur Rothaarigen, jene mir zu Wank. Mit schnellen Schritten durchquerte ich die Turnhalle und lief an ihr vorbei, um wieder auf den ruhigen Gang zu gelangen. Meine Ohren dröhnen! „Sie wollten mich sprechen, Kuroo-san?" Ito Teiko, Vize-Managerin meiner Abteilung und somit meine größte Rettung. Sie ist genauso verplant wie ich, jedoch ist sie ein Mensch, welche das Wort 'Stress' nicht kennt. Bin ich nicht im Land, dann übernimmt Ito mein Part. Oft zur Entschädigung gingen wir zusammen trinken, sonst hätte ich eine zu große Schuld. „Ich bin ab morgen nicht da und so übernehmen sie wieder die Abteilung." Ich muss jetzt noch in mein Büro, deshalb lief ich wieder los, dicht gefolgt von der fast Ende zwanzig Jährigen. Auch wenn sie älter ist als ich, bin ich ihr Vorgesetzter. Am Anfang war es seltsam, nun ist es was ganz Normales. Die Beförderung vom Direktor kam plötzlich und so hatte ich kaum Zeit mich an Ito zu gewöhnen, glücklicherweise fanden wir schnell einen geeigneten Umgang. „Ich hab davon schon gehört, dennoch sehr spontan. Das schaffen wir aber! Haben sie schon gehört, dass nächste Woche ein Meeting stattfindet, an dem sie teilhaben müssen?", kam die Frage auf. Was?! Wieso erfahre ich solch wichtigen Termine immer als letzter, obwohl ich der Chefmanager bin? „Nein, führen sie das bitte aus. Ich bin bis Dienstag nächster Woche nicht da. Sie könnten es als Chef übernehmen, wohlmögliche stoße ich dazu, wenn die Zeit es hergibt."

„Das würde gehen. Ihr Rückflug wäre am Montag um sechs am Abend, da kämen sie rechtzeitig an. Das Meeting ist siebzehn Uhr am Dienstag. Ich könnte sie entschuldigen und vertreten, aber wie ich es von den Assistenten vernahm, wollte der Manager der Company uns beide vorfinden. Mehr Informationen hab ich nicht. Die schicke ich ihnen zu, wenn sie in Amerika sind." Ich bedankte mich. Die nächste Woche klingt genauso schwer, wie die jetzige. „Gut, dann verabschiede ich mich, Kuroo-sama", die rothaarige eilte schnell zum Aufzug, wo sich schon drei Arbeiter befanden. Schnell zu meinem Büro und dann einige Anrufe tätigen.

Die Tür fiel zu und ich konnte mir ein lautes Aufatmen gönnen. Hier bin ich allein und kann in meinem Tempo weitermachen. Dieser Raum scheint wie abgekapselt, das ist nur eine Illusion, aufgrund der Lage. In der ersten Etage im Herzen des Gebäudes, damit jeder mich sofort finden kann. Mit schmerzendem Rücken ließ ich mich auf meinem Drehstuhl nieder und las die Termine auf meinem Computer.

Meine Augen brennen, wodurch ich über sie rieb, aber die Müdigkeit verschwand nicht. Gleich hole ich mir ein Kaffee, wenn meine Füße bisschen leichter werden. Ich legte mein Kopf auf meinen gefalteten Händen ab und begutachtete dieses Zimmer. Vor mir war die Tür und rechts von ihr zwei Regale voller Dokumente. Ein Zahlensystem machte das Finden von Formularen einfacher. Gegenüber diesem hingen an der Wand meine Urkunden und Abschlüsse, die im goldenen Rahmen präsentiert sind. Der Raum wurde durch ein großes Fenster erhellt, das hinter mir war. Mein Büro hatte kaum persönliches, zumal das mein Arbeitsort ist. Nur eine Sache zeigt mein Herzenswunsch an, aber das liegt in der untersten Schublade meines Tisches. Abgeschlossen, das zeigt noch mehr die Privatsphäre an. In diesem Unternehmen arbeiten einige meiner Freunde, wie Yamamoto, Bokuto und, den ich nun dazuzähle, Iwaizumi. Aber ich trenne das Private mit der Arbeit, sonst könnte der Druck schlimmer werden. Dennoch leiste ich mir diese Kleinigkeit, wenn ich in meinem Büro bin. Aus meiner Tasche holte ich einen kleinen Schlüssel raus, mit dem ich die Schublade öffnete und ein Foto rausholte.

Das Foto meiner Kindheit. Ein Zuspiel meines ehemaligen besten Freundes und ich, der auf den Schlag in der Luft wartete, wurde aufgenommen. Wenn ich es betrachte fühle ich mich wie zurückversetzt. Er hat seine Ziele geschafft, genauso wie ich. Meine Berufsträume sind Realität und mein Einkommen passt perfekt zu meinem Lebensstil, nun fehlt eine Sache. Er.

Vor vier Jahren haben wie Schluss gemacht.
Seit drei Jahren sah ich ihn nicht.
Vor zwei Jahren hörte ich auf seine Videos zu sehen.
Seit einem Jahr trage ich den Ring nicht mehr.

Meine Hänge ballten sich zu Fäusten. Egal, was ich tat, um ihn loszulassen, mein Herz schlägt weiter für ihn. In kurzer Zeit beendete ich die Uni, kam hierher und arbeitete als normaler Manager, bis ich ein Jahr danach zum Chef-Manager dieser Abteilung wurde. Meine Konzentration lag darauf und ich dachte, wenn ich alles für mich gebe, vergesse ich ihn, das geschah nie. Wie kann es sein, dass ich jemanden liebe, obwohl wir uns fast verloren haben? Was hält uns bitte noch zusammen? Das Band wurde vor Jahren zerschnitten und dennoch hänge ich an ihm, möglicherweise fühlt er das auch.

„Kuroo-sama, Akiyama-sama möchte sie sprechen!" Eine Assistentin stürzte in mein Büro ohne zu klopfen und ließ mich so aufschrecken. Herzinfarkt! Schnell verstaute ich das Bild wieder. „Was will der Direktor jetzt von mir? Er kann mir nicht noch mehr Arbeit geben", beschwerte ich mich. Die blondhaarige entschuldigte sich.

Und weiter geht es mit meinem Job. Ein nie endender Kreislauf!

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