Kapitel 45

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„Guten Morgen", wisperte ich, jedoch ging mein Blick stur zu Boden. Mit einem Ruck zog er mich zu sich. Er roch nach einer seltsamen Kombination, wie Vanille und einer Straße, die durch die Sommerhitze erwärmt wurde. Ich würde nicht sagen, dass Tokuma stinkt, aber er müffelt auch nicht angenehm. Vielleicht hätte ich doch nicht heute aufstehen sollen. „Es freut mich, dass du wieder zur Schule kommst. Tora-senpai hat sich immer darüber aufgeregt, jedoch haben es alle verstanden. Ich bin stolz, dass du den ersten Schritt eingeleitet hast, Kenma. Ich bin stolz auf dich. Du bist ein echt starker, Gamer", redete der schwarzhaarige auf mich ein. Ich bin dankbar für diese Worte. Seine Worte schenkten mir eine gewisse Ruhe, die den hellen Sonnenstrahlen vor einem heftigen Gewitter ähneln. Nein, so ist es auch. Ich muss mich echt zusammenreißen und alles geben. Sonst riskiere ich doch auch viel in Games. „Danke, aber geh jetzt mal auf Abstand. War mir zu viel Körperkontakt", grummelte ich, während ich ihn von mir schupste. Ich mag sowas nicht. Ich mochte es nur bei Kuroo, doch das muss ich vergessen. „Ach, komm schon, die Umarmung hat dir gefallen!" Ich schaute ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Toku ist ein guter Freund, aber auf Abstand bleibe ich dann doch ehr. „Du stinkst", gab ich ehrlich zu. Sein Gesicht wurde von einem fröhlichen Lächeln schnell zu einer verstörten Grimasse. Damit könnte man Kinder zum Heulen bringen. Der Erstklässler fasste sich theatralisch an die Brust und verkrampfte sich: „Drei Tage nicht gesehen und wieder bist du so kalt zu mir!" Ich musste nach seiner Aussage schmunzeln. Er hat wirklich das Team bereichert, nicht nur als provokanter Mittelblocker, sondern auch als sympathisches Arschloch und Freund. „Reg dich ab. Bei Fuß, wir müssen zur Schule", sagte ich zu Tokuma und lief schon unseren gewohnten Schulweg lang. Bald verlasse ich auch die Schule und dann ist Tokuma allein, jedoch denke ich nicht, dass es ihm stört. Er ist ein echt offener Mensch, der mit allen klar kommt und wirklich positiv in ein Match geht. Ein Freigeist und Idiot, wie bei Produkten: zwei in eins. „Ich bin kein Hund! Sondern ein Schüler der Nekoma-High! Nekoma, verstehst du", brüllte er, als er mir nach lief. Kuroo mochte immer Hunde mehr als Katzen, was ich nicht verstehen kann. „Du denkst an ihn, das sieht man an deinem Lächeln. Du willst nicht loslassen, oder? Obwohl du so ein cooler Youtuber nun bist!" Röte stieg in mir auf und ich hatte sofort das Bedürfnis Tokumas Nase zu brechen. Wieso weiß er über alles Bescheid?! Ach ja, er hat kein leben, weshalb er nur auf dieser Plattform ist. „Noch ein Kommentar und ich bring dich um. Aber ist es seltsam, dass ich Videos hochlade?", wollte ich nun wissen. Ich will Bestätigung, dass ich nicht alles falsch mache. „Kozu-..." „Nenn mich nicht beim Nachnamen, du scheiß Hurensohn!" Sofort rannte der Riese von mir weg, weshalb ich ihm nachlief. Der lernt es nie! „Ich bring dich um!" Er machte keine Anstalt stehen zu bleiben, sondern sprang nach wenigen Minuten Laufen über einen Zaun und eilte in sein Schulgebäude. Fuck, so ein Bastard! Ich hab Seitenstechen. Ich bin echt unsportlich. Keuchend hielt ich mir meine rechte Seite, ehe schon Tora zu mir kam und mich volllaberte. Ich hab komplett vergessen, wieso ich Schule so sehr hasse: Unterricht und soziale Kontakte.

„Ich hasse Training!", stöhnte ich genervt und ließ mich auf dem Boden nieder. Alles ist so nervig und anstrengend. „Aber, Kenma-senpai, du bist der Vize und dazu der Zuspieler, wie kannst du immer so demotiviert sein?" Ikutos Frage ist schon berechtigt, aber ich hab so starke Muskelschmerzen, dass ich nicht mal reden will. Die sollen sich einfach verpissen. „Ach, der war schon immer so. Geht euch doch alle langsam umziehen. Für heute sind wir fertig, aber bald sind die wichtigen Turniere für die Nationalen, also bleibt am Ball und du auch, Kenma!", rief Nekomata zu mir, wodurch eine schreckliche Gänsehaut sich auf meiner Haut ausbreitete. Kuroo hat mich auch immer deshalb ermahnt. Die sollen mich in Ruhe lassen. „Alles gut, Kenken? Wollen wir hier reden, dann kann ich gleich Nekomata-Sensei Bescheid sagen", bat unsere Managerin mir an und ich nickte kurz, ehe ich meine Augen schloss. Ich will jetzt echt gern zocken. Vielleicht lade ich heute noch ein Video hoch. Ich hörte, wie einige die Halle verließen und wie Sato mit den Trainern sprach. Das heißt aber dann auch dass wir alles abräumen müssen. Scheiße! Gar kein Bock... Plötzlich hörte ich ein dumpfes Geräusch und öffnete wieder meine Augen. Tokuma und Tora saßen im Schneidersitz neben mir, dabei beobachteten sie genau jeden Schritt den die Zweitklässlerin machte. Das nenne ich mal Stalker. „So okay, ich bin fertig. Kenma, du kannst jetzt gern alles erzählen." Jetzt will ich doch nicht mehr. Mit einem Ruck setzte ich mich nun auch auf und blickte in die Runde. Jetzt oder nie. Eigentlich lieber nie, aber wem interessierts.

„Ich wollte ihn besuchen gehen, um mit ihm zu reden, sah aber wie Mikasa ihn oder er sie küsst, dabei sah er nicht mal so aus als würde es ihn stören. Ich bin dann zu Mako gegangen, die mir sagte, was ich tun soll und deshalb hab ich angefangen Videos zu posten. Jetzt hab ich begriffen, dass ich ihm nur hinterhergelaufen bin und nun selbst alles auf die Reihe kriegen muss. Deshalb hab ich ihn blockiert, um mich seelisch darauf vorzubereiten. Aber mir geht es wieder besser, würde ich mal so sagen. Ich weiß nicht, ob es das richtige ist, aber ich will nun mehr auf mich achten", berichtete ich kurz die letzten Tage. Die drei sahen kurz verwirrt aus, ehe Yuyu anfing zu reden: „Egal, was du machst, wir stehen hinter dir. Das ist definitiv das richtige. Zeig ihm wer du bist und was du schaffen kannst!" Ein Stein viel mir vom Herzen. Aber ich spüre noch immer den Schmerz oder ehr das Gefühl, was ich für ihn empfinde. Es gibt kein zurück mehr, aber es ist okay. Oder?

„Willst du nun mit ihm Schluss machen?", war nun Yamamotos Frage. Er schien echt geistig abwesend. Er kennt Tetsuro ganz gut, weshalb ich verstehen kann, dass es für ihm seltsam ist. Ich weiß es noch nicht so ganz. Es ist eigentlich klar, das hat mein Gehirn verstanden, doch mein Herz ist komplett zerbrochen. Ich brauchte ihn doch immer. Er ist alles für mich und das lasse ich so einfach fallen. Irgendwie wird mir wieder alles zu viel.  „Bald, vielleicht. Ich weiß noch nicht", gestand ich schulterzuckend. Immerhin-... „Was dein Ernst?! DU HAST JETZT ANGEFANGEN, ALSO ZIEH DURCH!" Mein bester Freund packte mich am Kragen und schüttelte mich einmal tief durch.

Unter dem Mond küssten wir uns zum ersten Mal.
Er verfolgte mich nach Miyagi.
Er versprach mir die Zukunft.
Wir besiegelten das mit einem Ring.
Zusammen verbrachten wir die Ewigkeit, ehe die Sonne unterging.

Das alles und viele weitere Erinnerungen schmeiß ich weg. Weil ich leben will. Wieso ist das Leben so unfair? Warum ist Liebe so schwer?! Meine größte Angst ist wahrscheinlich die Veränderung, die leider nun eintritt. Egal, was ich tue, es fühlt sich falsch an, obwohl es alle befürworten. Ich hab mich am Anfang distanziert und mich so einsam gefühlt, weil ich ihn wollte und nun fühle ich mich fasch, weil ich nicht mehr mit ihm kann. Meine Rettung waren wieder Videospiele und meine Freunde, aber wovon haben sie mich geredet? Von dem Fall? Nein, das war meine Schuld und dennoch suche ich einen Grund ihn zu hassen, doch es gibt keinen. Ich brauche ihn und ich bin ihm für all die Jahre so dankbar, was ich nun aber zerstöre. Ich werde ihm sein Herz brechen und ich hab Angst ihn weinen zu sehen, denn ich weiß, dass bei mir keine Tränen mehr fließen werden. Es ist vorbei. Das alles muss ich ihm erzählen und dann... Dann muss ich meinen Weg gehen. Einen Weg ohne Kuroo, wo ich aber nicht weinen werde. Ich versuche stark zu bleiben.

„Wir sind das Blut, was stätig weiterfließt und Sauerstoff zum Gehirn bringt, damit dieses gut arbeiten kann. Das sagte er doch immer, oder? Wir brauchen jeden einzelnen, deshalb unterstützen wir dich. Zieh dein Ding durch!" Toku löste Tora von mir und stand dann auf. Sie unterstützen ich, während ich ihn verlasse. Sie sind nun meine Stütze mit denen ich neue Erinnerungen mache. Aber dieser Spruch löst wieder etwas Unerklärliches in mir aus. Wie ein großes Ausrufezeichen, was mich davon abhalten will, diesen Schritt zu tun.

„Das klingt nach einem guten Plan unseres Gehirns. Viel Glück, Vize Kapitän!"

Love-GameWhere stories live. Discover now