Kapitel 12

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Ich ging wieder zur Schule, da ich nicht schon wieder eine Woche fehlen konnte. Es war okay, da Tora mich immer ablenkte und alles in der Macht stehende tat, damit mich nichts belastet. Es war eigentlich alles wie immer, weil Kuro beim Training so tat als wäre alles in Ordnung. Aber ich merkte einfach, dass in seinem Blick Wut lag. Wir sind solche Idioten. Wir können uns nicht mal entschuldigen. Okay, es tat mir nicht wirklich leid, immer hin war das nur die Wahrheit. Es tat mir leid, dass ich ihn die ganze Zeit aufgehalten hab. Anscheinend kann er ganz gut ohne mich, weshalb ich mich eigentlich entschuldigen wollte, dass es unnötig Zeit mit mir verbracht hat. So einfach kann eine jahrlange Freundschaft also Enden. Ich saß gerade auf einer Bank und hörte halbwegs Kuro zu, wie er über das Qualifikationsturnier für die Nationalen redete. Die würden im November glaube stattfinden und das bisschen nach Shoyos Turnier. Ich hab jetzt schon keine Lust. Ich will nicht.

Ich trat aus der Duschkabine und zog mich langsam an. Es war eigentlich immer so, dass ich der letzte war und das störte mich nicht. Während alle sich umziehen hocke ich an meinem Handy und fange erst dann mit dem Umziehen an, wenn kaum einer noch da ist. Ich wollte einfach nur Ruhe. Energielos trat ich in die Umkleide, doch schlagartig kam Übelkeit in mir auf. Wieso ist er noch hier? Er geht doch sonst immer früher, na ja, in den letzten Tagen. Er musste ja nicht mehr auf mich warten. „So erschrocken mich zu sehen? Ich bin der Kapitän und muss abschließen, also beeile dich, Kozume." Kozume, so hatte er mich schon lange nicht mehr genannt. Es traf mich wie eine eiskalt Klinge ins Herz. „Es tut mir leid.", murmelte ich und versteckte mein Gesicht hinter meinen Haaren, denn Tränen kamen auf.

Doch mein Kopf schnellte nach oben, als er voller Zorn seine Faust gegen die Wand knallen ließ. „Beeil dich!" Angst stieg in mir auf und wieder schnürte etwas meine Luftröhre ab. Ich verlor, wie vor paar Tagen, die Kontrolle über mein Körper und ein Fluss aus Tränen kam aus meinen Augen. Ich griff nach meiner Sporttasche und rannte an diesem behinderten Bastard vorbei. Jeder Schritt schmerzte wie ein Messerstich, doch ich achtete nicht darauf. Ich achtete auf nichts mehr. So schnell bin ich noch nie gerannt. Nein, das war kein rennen, sondern flüchten. Ich flüchte vor meiner ersten Liebe.

Ich wollte mich nie mit ihm streiten. Es lief doch alles so gut. Was hab ich getan, dass Karma mir so in die Fresse schlug. Karma, du Hurensohn! Ich klatsche elendig zu Boden und noch mehr Tränen fanden ihren weg nach draußen. Ich hob mein Kopf und hielt mein Atem an, als ich den neun jährigen Kuro sah, der mir die Hand ausstreckte, um mir zu helfen. Nun sehe ich schon Illusionen. Früher half er mir bei jeder Kleinigkeit, aber wir sind nun in der Oberschule. Zeiten ändern sich. Voller Schmerzen richtete ich mich auf und rannte weiter in Richtung meines Hauses. Ich fühlte mich beobachtet und beschleunigte mein Gang. Meine Luft ging langsam aus, doch ich war fast da. Ich öffnete die Tür und ging in mein Zimmer, wo ich mich einschloss.

„Es tut mir leid! Es tut mir leid! Kuro!" Ich brach zusammen und lag zitternd am Boden. Schweiß lief an meinen Körper runter und vermischten sich mit den Tränen. Armselig, minderwertig, lächerlich und jämmerlich. Das bin ich. Ich bin ein niemand. Langsam regenerierte sich meine kraft wieder und ich zog mich in mein Bad. Ertrinken. Ein Gefühl, das ich paar Mal erlebte, aber immer nur als Umschreibung, doch nun wünschte ich es mir aus vollem Herzen. Ich wollte nach einem Deo greifen, aber ein Handspiegel fiel wie in Zeitlupe zu oben und zersprang in seine Einzelteile. Es fehlte mir noch immer an Kraft das aufzuräumen, weshalb ich mich stumm Umzug. Egal bei welcher Bewegung, meine Augen richteten sich intensiv auf die Scherben. Mein Verlangen schrie mich an, eins zu nehmen und anzusetzen. Nein! Entsetzt ging ich aus dem Raum und verkroch mich in mein Bett. Ich verliere nicht meine Kontrolle. Nicht mehr.

„Kenma, alles okay?", ich hörte die Stimme meiner Mutter aus der Richtung der Tür. Mit schlaffer Stimme erwiderte ich darauf: „Ja, bin nur müde. Das Training war anstrengend." Das war keine Lüge, nur nicht die vollkommene Wahrheit. „Okay, hast du Hunger?" Ich verneinte, doch das war nun eine Lüge. Ich hatte unglaublichen Hunger, nur kein Appetit. Wir essen nur, damit unsere Herzen auf dem Maximum sind. Doch ich schaff es auch mit einem halben dieses Spiel zu gewinnen. Eigentlich nicht, mir war es egal. Ja, Kenma Kozume war es egal, ob er das Spiel verlor oder gewann. Wäre der Tod nicht sowas wie ein Neustart? Ein neues Konto und so ein neuer Versuch. Vielleicht hab ich in den Spieleinstellungen „Extrem schwer" eingegeben. Seufzten legte ich mein Gesicht in mein Kissen und erzwang mir den Schlaf, was leider nicht ging. Wenn etwas nicht passt, wird es passend gemacht. Ich öffnete eine Schublade und nahm mir zwei Tabletten. Ich weiß nicht mehr, was welche Wirkung hat, doch das ist egal. Ruhe, mehr will ich nicht.

Ein schrilles Geräusch weckte mich aggressiv und ich stand automatisch auf. Mein Kopf fühlte sich leer an und sonst nahm ich nichts wahr, außer den Hunger. Erst jetzt merkte ich, dass das nicht mein Wecker war. Akaashi rief mich an. Kacke. „Ja?" Meine Stimme klang brüchig und kraftlos, vielleicht auch ängstlich. „Kuro hat gestern mit mir telefoniert und mir erzählt, was deine Mutter seinen Eltern berichtet hat. Dir geht es nicht gut und ich glaube Kuro spielt da eine sehr große Rolle. Wenn du wissen willst, wie er sich dabei fühlte. Er war voller Sorgen, Scham und Trauer. Ihm tut es leid, doch du kennst sein Ego." Mein Herz blieb stehen und alles um mich zerfiel wie ein Kartenhaus. Er weiß Bescheid, dann auch Bokuto. Der Typ hält nie seine Fresse also müssten es noch mehr wissen. Also Akaashi, Kuro, Yamamoto und Bokuto, ich erweitere den Kreis auf noch weitere acht. Bokuto du Arschloch!

„Kenma?" Ich begab mich wieder in die Realität und atmete einmal tief durch. „Ich gehe heute nicht in die Schule. Ich-... Ich kann nicht. Was denkt er nur jetzt von mir?! Erst weiß er durch dich über meine Gefühle Bescheid, dann benimmt er sich wie ein Bastard, paar Tage später verfolgt er mich in eine andere Präfektur. Und dann verliebte ich mich nochmal in ihn, als er mir so viel Nähe schenkte und jetzt... Jetzt ist alles zerstört. Ich bin ein schrecklicher Mensch." Ich hörte Akaashis ruhige Atmung. „Wärst du Bokuto wärst du nun bei Depressionsphase Nummer 26 und das heißt: kritisch. Oh Mann... bleib Zuhause und konzentrier dich nur auf dich. Atme, entspanne dich und such dir Ruhe. Umgib dich mit denen, die dir guttun. Ich würde gern vorbeikommen, aber es ist stressig im Internat und Bokuto lässt mich kaum allein irgendwo hin und ich würde keine Eule auf dich loslassen." Er sagte noch paar aufmunternde Worte, ehe er auflegte und ich ins Bad stampfte.

Ich würde gern mit Shoyo etwas machen, aber er kann nicht. Tora reagiert zu dramatisch und Yaku würde mich bemuttern. Es gibt nur einen bei dem ich mich nun Wohl fühlen würde, doch dieser... Nein! Es ist meine Schuld und nicht sein. Als ich in das Badezimmer trat, sah ich die Scherben von gestern und räumte alles auf. Doch eine Scherbe wickelte ich in Klopapier ein und verstaute sie in meiner Nachtkomode. Da schaut eh niemand rein. Mit kurzen Bewegungen wusch ich mein Gesicht und sagte meiner Mutter Bescheid, dass ich mich nicht gut fühlte und nicht in die Schule möchte. Sie akzeptierte das, doch mein Vater sah mich seltsam an, aber der interessiert mich nicht.

Nun denn, jetzt spende ich meine Seele Videogames bis ich an übermüden sterbe.
Oder einschlafe, je nachdem was zuerst eintritt.

Love-GameWhere stories live. Discover now