Ich senkte den Blick auf meine Finger. Bis jetzt hatte ich nie verstanden, wie einige Leute quasi in Geld schwimmen konnten, während Andere nicht einmal wussten, wann ihre nächste Mahlzeit anstand. Doch jetzt tat ich es. Wir konnten nur deswegen so unbesorgt leben, weil wir andere Menschen für unsere Gunsten ausnutzten. Ohne sie gäbe es dieses Luxus nicht. »Dabei kann ich dir nicht helfen. Ich weiß nicht, wo das Armband ist.«

Ich musste lügen.

»Halte mich nicht für einen Narren, Belle. Sonst werde ich noch wütend. Und das, meine Liebe, willst du sicher nicht.«

Stur entgegnete ich seinem Blick. »Ich sagte, ich weiß es nicht.«

Jason setzte ein falsches Lächeln auf, wandte den Blick schließlich ab und gab seinen Arbeitern, die hinter mir standen, ein kurzes Handzeichen, die darauf den Raum verließen. Nicht lange und sie kamen wieder zurück. Aber nicht allein. Im Schlepptau hatten sie Henry, den Gärtner, mit dem ich mich heute Abend über die Blumen in unserem Garten unterhalten hatte. Dieser hatte den Kopf gesenkt, die Arme hinten zusammengebunden. Er versprach mir, Sonnenblumen vor meinem Balkon zu pflanzen. Er war mit Abstand einer der liebsten Menschen, die ich hier kennengelernt hatte. Was wollten sie von ihm? Würden sie einem alten Mann etwas antun?

»Kennst du ihn?«, hörte ich Jasons Stimme dicht hinter meinem Ohr, während ich Henry immer noch anstarrte. Meine Knie fingen unerwartet das Zittern an. Was wollte er von einem alten Gärtner? Was könnte er schon von ihm wollen?

»Du hast jetzt die Auswahl. So wie ich sie deinem Vater damals gestellt habe. Entweder du verrätst mir, wo wir das rote Armband finden, oder du wirst einen Arbeiter weniger haben.« Ich merkte an seiner Stimme, was für einen Spaß es ihm bereitete, Menschen zu quälen, wie viel Freude er beim Leid Anderer empfand. »Oh, und er ist der Erste. Das heißt, wir spielen solange bis du damit rausrückst. Also tu deinen Arbeitern doch einen Gefallen und sag es uns direkt.«

Meine Atmung wurde plötzlich flach. Würde er für ein Armband soweit gehen? Ich hielt die Luft an als man Henry auf die Knie zwang und man ihm eine Waffe an den Kopf drückte. Mein Herz zog sich zusammen als mein Gärtner die Augen hob, die von den Tränen schimmerten. Er sagte nichts. Aber er schüttelte leicht den Kopf. Was würde geschehen, wenn ich Jason das Armband gab? Würde er sich auch an sein Wort halten? Würde er die Anderen in Frieden lassen? Oder log er? War das vielleicht alles ein Bluff?

Auch wenn. Ich konnte nicht riskieren, dass diesen Menschen etwas zustieß. Das würde ich sicherlich nicht riskieren.

Henry hatte die Augen geschlossen, den Kopf weit vor geneigt, sodass ich nur die Tränen sehen konnte, die auf seine helle Jeans tropften. Mein Herz schmerzte.

Und als der Mann die Waffe entlud, platzte mir der Kragen: »Es ist im Hauptquartier!«

Ich verbot es mir, Jason oder die Anderen anzusehen. Ich traute mich nicht, denn ich hatte Angst, sie würden meine Lüge durchschauen. Dabei war diese Lüge nur eine kleine Absicherung. Wenn er diese Waffe wegsteckte, würde ich ihm sagen, dass es hier in unserem geheimen Versteck war. Aber wenn sie ihm doch was taten und dann noch das Armband in die Hände bekämen, würde ich mir das niemals verzeihen.

»Im Hauptquartier? Wo genau, Belle?«

Ich schluckte. »Es gibt einen geheimen Trakt im Keller. So ähnlich wie beim blauen Krankenhaus.« Das war das Einzige, was mir in der Schnelle einfiel. Er musste es mir einfach glauben.

»Macht Sinn. Hätte mir schon viel eher einfallen sollen.«, rieb der Blaue sich am Kinn. Mein Herz schlug verräterisch laut in meiner Brust, jederzeit bereit mir in die Hose zu rutschen.

Der blaue Sicherheitsmann senkte die Waffe wieder und erst dann wagte es Henry die Augen zu öffnen. Seine Augen spiegelten pure Dankbarkeit wider als er mir kleines Lächeln schenkte. In seinem Alter musste er solch einen Schrecken durchmachen. Ich könnte mir nicht einmal im Geringsten vorstellen, welch furchtbare Gedanken ihm die ganze Zeit durch den Kopf gegangen haben mussten.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang