Kapitel 24

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„Sensei, legen Sie die Scherbe weg", versuchte ihn nun jemand anderes darum zu bitten. „Ich kann nicht", presste Shota leise hervor, verzweifelt versuchend dagegen anzukämpfen und der Bitte doch nachzukommen, ehe er bemerkte, dass er sich plötzlich seltsam starr fühlte und gar nicht mehr bewegen konnte. Die Stimme schien ihre Macht verloren zu haben, doch dafür schien jemand anderes die Kontrolle zu übernehmen. „Lassen Sie sie los", befahl man ihm erneut, sehr direkt und streng klingend. Diesmal lösten sich seine Finger tatsächlich von dem Stück Glas und es fiel klappernd zu Boden, nachdem sein Arm langsam gesunken war.

Kurz darauf ließ ihn jemand los und Denki und Hitoshi traten in das Blickfeld des erstarrten Lehrers, der keinen Mucks mehr von sich gab und leer vor sich hinstarrte. Während der Blondschopf die blutverschmierte Scherbe in die nächste Ecke trat, damit sie keinen Schaden mehr anrichten konnte, zwickte Shinsou seinen Lehrer sachte in den Arm, um ihn von der Gehirnwäsche zu befreien.

Beide sahen besorgt auf Aizawa, der leicht schwankte und schließlich an der gefliesten Wand hinter ihm zu Boden glitt. Er war vollkommen bleich im Gesicht. Leicht verwirrt sah er auf seine blutende rechte Hand und schließlich hoch zum Spiegel und zu den Schülern. „Was ist passiert?", fragte er vollkommen außer Atem, als ob er gelaufen wäre. Die letzten Minuten schienen wie verschwommen in seinen Erinnerungen, als ob sein Gehirn es sofort zu verdrängen versuchte und sich etwas zurückgezogen hatte, was Besitz von ihm ergriffen hatte.

Die beiden Schüler tauschten kurz einen besorgten Blick aus, ehe beide in die Hocke gingen, um mit Eraserhead auf einer Augenhöhe zu sein. „Wir wollten nach ihnen sehen, aber Sie waren nicht im Gemeinschaftsraum. Dann haben wir ein ziemlich lautes Geräusch gehört, und haben Sie hier mit einer Glasscherbe in der Hand gefunden!", berichtete Denki und warf die Arme hoch, „was hatten Sie denn vor? Sind Sie verrückt geworden?" Kaminari wusste nicht genau, wieso er wütend wurde. Alle machten sich sorgen um den Lehrer und er zog so eine Nummer ab, während die anderen zum Teil schon schliefen. Doch so gern er ihm auch eine Gardinenpredigt halten würde, hielt ihn der verstörende Anblick des Mannes davon ab. Er wollte nicht noch mehr auf jemanden einhacken, der ohnehin schon so wirkte, als wäre er knapp davor in tausend Scherben zu zerbrechen.

Geistesabwesend starrte Shota auf die Schnitte, die seine Handfläche zierten. Es schmerzte höllisch, doch er bewegte jeden Finger einzeln, nur um sicher zu gehen, dass sie darauf reagierten, wenn er es wollte und er die Kontrolle über seine Bewegungen zurückhatte. „Ich fürchte schon", antwortete er leise auf die Frage seines Schülers, der eigentlich keine Antwort erwartet hätte, „ich hatte keine Kontrolle ... ich wollte nicht ... aber meine Hand ... es ..." Auch wenn er es nicht laut aussprechen wollte, doch es machte ihm Angst. Ohne weiter über seine neue Verletzung nachzudenken, krallten sich die blutigen Finger in seinen Haarschopf, während er leicht den Kopf schüttelte. In den letzten Jahren hatte er so viel erlebt und durchgestanden, nur um nun endgültig den Verstand zu verlieren. Wieso musste das dann auch noch direkt vor den Augen seiner Schüler passieren?

Mit solch entwaffnender Ehrlichkeit hätten die beiden Jungen nicht gerechnet. Doch es änderte nichts an dem, was sie gerade gesehen hatten. Wenn Hitoshis Macke nicht gewirkt hätte, wer wusste, was dann passiert wäre. Sie wollten gar nicht erst darüber nachdenken. Der Violetthaarige seufzte und griff nach einem Handtuch, das er kurzerhand befeuchtete, ehe er sachte nach der Hand seines Lehrers griff, um die Wunde zu reinigen. Auch wenn ihn all das Blut an die Szene von vor ein paar Tagen erinnerte, versuchte er diesmal gefasst zu bleiben. Um ehrlich zu sein, hatte er sich die letzten Tage schon gewappnet, erneut so etwas erleben zu müssen, auch wenn er immer gehofft hatte, dass es nie dazu kommen würde. Doch nachdem Present Mic nun davon erzählt hatte, dass es ein länger anhaltender Zustand sein würde, war es abzusehen gewesen. Immerhin schien die Macke nur mit dem Tod wirklich beendet zu sein. Wer wusste da schon, was sie noch alles erleben mussten. Sie hätten ihn einfach nicht aus den Augen lassen dürfen.

Demon in his mindWhere stories live. Discover now