Kapitel 8

135 19 0
                                    

Erst beim Abendessen brachte Hitoshi den Mut auf, zu Yagi zu gehen, um endlich mit jemanden ein paar Worte zu sprechen. „Gibt es denn die Möglichkeit, Aizawa-Sensei im Krankenhaus zu besuchen?", wollte er von dem großgewachsenen Mann wissen. Beide standen etwas abseits, weil der Junge nicht wollte, dass irgendjemand zuhörte. Es kam ihm nach wie vor seltsam vor, dass er sich solche Sorgen um einen Lehrer machte und wollte kein dummes Gerede heraufbeschwören. Die Aufmerksamkeit, die ihm seit der Sache immer wieder zuteil wurde, war ihm ohnehin zu viel.

Die Stirn des ehemaligen Profihelden runzelte sich kurz nachdenklich, ehe er ein leichtes Lächeln aufsetzte, weil er spürte, wie sehr sich der Junge sorgte. „Der Schulleiter hat mich zuvor angerufen, dass Midnight als Ersatzaufsichtsperson morgen kommt. Ich nehme an, dass auch sie kurz ins Krankenhaus fahren wird, mit etwas Glück nimmt sie dich mit." Ansonsten würde einfach Toshinori ein Taxi besorgen und mit dem Schüler dorthin fahren, da er spürte wie wichtig ihm die Sache war. Alleine würde er ihn jedoch auf keinen Fall ins Krankenhaus fahren lassen.

Die Antwort genügte Shinsou jedoch fürs erste und er nickte. „Vielen Dank."

„Nicht dafür. Viel eher sollten wir dir danken. Dank dir ist Aizawa durchgekommen", bedankte Toshinori sich und legte dem Jungen, der eigentlich schon hatte gehen wollen, eine Hand auf die Schulter, „du kannst gern mit mir über alles reden, falls du jemanden brauchst. Du bist so still, seit du aus Eraserheads Zimmer gekommen bist. Ich kann gut verstehen, dass du das erst verarbeiten musst, aber darüber reden hilft dabei. Du musst da nicht allein durch." All Might wusste, dass der Klassenneuzugang seit dem Sportfest sehr oft mit Eraser trainiert hatte, um in die Heldenfakultät aufgenommen zu werden. Dabei hatten sie wohl eine sehr gute Beziehung zueinander aufgebaut, weswegen Shinsou sich nun Sorgen um seinen Lehrer machte. Das war vollkommen nachvollziehbar, vor allem für Toshinori. Er konnte verstehen, wie Shinsou sich nach dem Anblick von all dem Blut fühlen musste. Auch er hatte seine Meisterin verloren, vermutlich hatte Hitoshi ein ähnliches Gefühl.

Tatsächlich dachte Hitoshi kurz darüber nach. All Might war einer jener Personen gewesen, die Eraser ihm als gute Ansprechpartner genannt hatte, auch wenn er erst an dritter oder vierter Stelle vorgekommen war. Doch da weder Aizawa, noch Present Mic oder Midnight im Moment anwesend waren, würde er wohl mit ihm vorlieb nehmen müssen. Wenn Eraserhead dem Friedenssymbol, trotz seiner viel zu lauten Art vertraute, konnte er das auch. „Ich kann nicht aufhören darüber nachzudenken", seufzte er und wich Yagis aufmunterndem Blick aus, „er war vollkommen fertig, hat vor sich hingemurmelt, dass er versagt habe und alles seine Schuld wäre. Und er ..." Shinsou brach ab und schluckte. Ein Kloß hatte sich in seinem Hals gebildet.

Da Toshinori ihn zu nichts drängen wollte, hakte er nicht nach. Für ihn war es im Augenblick schon ausreichend, dass der Junge sich nicht komplett verschloss und abnabelte. Er war erst neu in die Klasse hinzugestoßen, da wäre es eher ungünstig, wenn er schon von Beginn an eher ein Außenseiter blieb, weil er sich selbst isolierte. So eine Position wurde man dann selten wieder los. Glücklicherweise waren seine Mitschüler allerdings sehr bemüht, ihn gut zu integrieren, so sehr sich der Junge auch dagegen wehrte. Allerdings war so ein Erlebnis nicht gerade hilfreich dabei, dass Shinsou die Bemühungen der Klasse annahm. Es war jedoch wichtig, nach dieser Angelegenheit Halt und Hilfe bei den anderen zu suchen, schließlich musste er da nicht alleine durch.

Auch ohne ein Zutun von All Might gab sich Hitoshi einen Ruck und sah zu dem Mann auf. „Ich kann nicht mehr. Das hat er gesagt. Ich ...", erneut brach er ab und vergrub sein Gesicht in seinen Händen und unterdrückte einen Schluchzer. Bisher hatte sich der Junge mit den indigofarbenen Haaren zusammengerissen, doch nun war es, als würde ein Damm brechen. Er konnte die Tränen einfach nicht mehr zurückhalten.

Ohne weiter nachzudenken, schloss Yagi den Schüler tröstend in seine Arme. Mit solchen Dingen konfrontiert zu werden, war niemals einfach. Vor allem wenn es um jemanden ging, zu dem man für gewöhnlich aufsah und den man für stark hielt. „Er wurde von dieser Macke getroffen, ich bin mir sicher, dass es ihm nach einer Zeit der Genesung wieder besser geht. Aizawa ist stark", versuchte der Mann ihm zu versichern, doch so wirklich sicher war er sich nicht. Wenn man das normale Verhalten Aizawas genauer betrachtete, war es eindeutig, dass diese Macke eher etwas verstärkt, denn ausgelöst hatte.

„Ich dachte wirklich, er würde mit Absicht wollen, dass er stirbt", schluchzte Hitoshi leise. Doch auch das Wissen darum, dass eine Macke an dem Verhalten seines Lehrers schuld war, ließen weder die Angst, noch die Sorge um den Dunkelhaarigen verschwinden. Wenn er sich für gewöhnlich auch verkroch, wenn er der Meinung war, alles wäre schiefgelaufen, dann war es ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis er so etwas bewusst gemacht hätte, oder es noch selbst herbeiführen wollte. Diese Tatsache machte Shinsou fertig und er konnte einfach nicht aufhören, darüber nachzudenken.

„Ich weiß", murmelte All Might leise und strich sachte über den Rücken des Jungen, der leise weinte. Diesen Gedanken teilte er sowohl mit Toshinori, als auch mit Hizashi. Letzterer hatte sich ziemlich große Vorwürfe gemacht, die er seinem Kollegen am Telefon mitgeteilt hatte. Dass eine Macke daran schuld war, machte es zwar ein wenig einfacher für die beiden Männer, aber nicht erträglicher, da sie wussten, wie es in Aizawa aussah. „In Zukunft werden wir einfach besser auf ihn aufpassen." Diese Worte schienen den Jungen zumindest ein wenig zu trösten.

Demon in his mindWhere stories live. Discover now