Kapitel 6

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Diese Nacht konnte niemand wirklich schlafen und Ruhe finden. Viel zu groß waren die Sorgen, die sich die Kinder machten. Außerdem hofften sie darauf, dass ihr Englischlehrer sich bald melden würde, um ihnen ein Update zum Zustand ihres Klassenlehrers zu geben. Vielleicht hatte es auch einfach nur schlimmer ausgesehen, als es tatsächlich war, so wie bei den anderen, die verletzt worden waren. Die Hoffnung starb immerhin zuletzt. Daher hofften manche auch darauf, dass das alles vielleicht nur ein sehr fieser Streich der beiden Erwachsenen war, auch wenn sie wussten, dass es wohl eher ein ziemlich abwegiger Gedanke war.

Kaum eines der anwesenden Kindern wagte allerdings, den Gedanken laut auszusprechen, der sie insgeheim quälte: Hatte ihr Lehrer das wegen ihnen getan? Bei dieser düsteren Vorstellung, war es doch einfacher davon zu reden, dass er bestimmt nur die Schwere seiner Verletzung unterschätzt hatte. Beim Einschlafen half diese Täuschung jedoch nicht, weswegen sie alle, zum Teil stumm, im Gemeinschafstraum sitzen blieben und versuchten, einander Trost zu spenden.

Nur Bakugo hatte eine ruhige Nacht, weil er pünktlich zu Bett gegangen war. Erst als er am nächsten Morgen skeptisch in die traurigen Gesichter seiner Mitschüler blickte, erfuhr er was passiert war. „Ich hätte ihn für schlauer gehalten", murrte der Junge mürrisch, „uns hält er immer Vorträge, dass wir auf unsere Gesundheit achten müssen und er selbst hält sich nicht daran. Pah." Dabei hatte er angenommen, dass Aizawa keiner dieser Erwachsenen war, die nur schlau redeten, aber sich selbst kaum um etwas scherten. So etwas konnte er einfach nicht ausstehen.

Für Hitoshi, der immer noch verstört von dem gestrigen Bild war und der eigentlich von seinen neuen Klassenkameraden Abstand gehalten hatte, waren die Aussagen des anderen Jungen zu viel. Ohne groß über irgendwelche Konsequenzen nachzudenken ging er auf ihn zu, holte aus und ohrfeigte Katsuki vor aller Augen. „Halt deine beschissene Klappe!", fuhr er ihn an und ballte seine Hände zu Fäusten, bereit für einen Kampf, falls der andere zurückschlagen würde. Er würde es nur begrüßen in eine Prügelei verwickelt zu werden. Seit gestern herrschte in Hitoshi ein seltsam dumpfes Gefühl, dass er damit hoffte los zu werden. Der Schmerz ein paar neuer blauer Flecken oder gebrochener Knochen wäre im Moment angenehmer, als die Leere, die er fühlte.

Tatsächlich setzte der Blonde sofort eine finstere Miene auf und machte einen Schritt nach vorne, während er die Fäuste ballte, aus denen kleine Rauchwolken aufstiegen. „Wie kannst du ...", knurrte er drauf los, doch Kaminari und Kirishima packten ihn sofort an der Schulter und Izuku quetschte sich zwischen seine Klassenkameraden, um sie mit ausgestreckten Armen auseinander zu halten und davon abzuhalten, sich zu prügeln. Gerade für den Neuen wäre es nicht gut, so auf sich aufmerksam zu machen.

Glücklicherweise war immer noch All Might anwesend, der mit einem Räuspern auf sich aufmerksam machte. „Ihr drei ... helft mir bitte!", er deutete auf Denki, Eijiro und Katsuki, ehe er sich an Midoriya wandte, „und du kümmerst dich um ihn!" Ohne ein weiteres Wort deutete er den dreien, dass sie ihm folgen sollten, und ließ die anderen Schüler stehen.

„Wieso werden wir jetzt bestraft? Wir haben Bakugo nur zurückgehalten, bevor er Shinsou gegrillt hätte", motzte Kaminari und seufzte. Wieso bekam man jetzt schon Strafen, wenn man versuchte jemanden zu retten?

„Das ist keine Strafe", antwortete Yagi und führte sie zu einem Abstellraum, aus dem er ein paar Eimer und Lappen holte, „ich brauche eure Hilfe. Ihr drei erscheint mir als jemand, die damit klarkommen sollten. Aber wenn euch dabei unwohl wird, könnt ihr gern gehen. Ich werde euch keine Vorwürfe machen." Eine kryptische Antwort, die Denki nicht wirklich schlauer machte. Erst als sie bewaffnet mit den Putzutensilien vor Eraserheads Zimmer standen, wurde es ihm klarer.

„Ach du ...", stöhnte Eijiro und schluckte das letzte Wort hinunter, weil er sich vor einem Lehrer nicht fluchen traute, „kein Wunder, dass Shinsou grade so ausgetickt ist." Er starrte auf die Blutlache, die auf dem Bett seines Klassenlehrers zurückgeblieben war. Denki neben ihm nahm eine leicht grünliche Gesichtsfarbe an, ehe er sich abwandte. „Ich glaube nicht, dass wir da irgendwas mit ein bisschen Spülmittel ausrichten können", stellte er fest.

„Dafür habe ich auch ein anderes Wundermittel dabei", erklärte der ehemalige Profiheld. Blut war wirklich schwer zu entfernen, vor allem aus empfindlichen Sachen, das wusste er von den Anwesenden am aller besten. Da seine Hustenanfälle immer wieder damit endeten, dass er Blut spucken musste, hatte er schon lange damit zugebracht, nach Mitteln und Wegen zu suchen, seine Sachen wieder sauber zu bekommen. Vor allem wenn er unterwegs war, und nicht in seinen eigenen vier Wänden schlief, war es immer sehr unangenehm, wenn man für schmutze Laken und Handtücher sorgte. „Zieht bitte das Bett ab, und bringt die Sachen zur Waschmaschine im Keller. Ich werde mich um die Matratze kümmern."

Denki und Eijiro nickten und machten sich ans Werk, während Bakugo damit anfing, den Boden zu wischen. Als die beiden anderen weg waren, wandte sich Toshinori an den immer noch wütend dreinblickenden Jungen. „Du musst lernen, dich besser auszudrücken. Hitoshi ist traumatisiert und redet kaum ein Wort seit gestern. Als Held musst du sensibler reagieren, vor allem wenn Aizawa später wieder zurückkommt", erteilte der Ältere ihm eine kleine Lehrstunde in Sachen Manieren. Doch auch die anderen würde er darauf vorbereiten müssen, wie sie mit dem Undergroundhero umgehen sollten. Es war eine schwierige Situation, auch ohne Katsukis Wutausbrüche.

„Was kann ich dafür, wenn Eraserhead sich versteckt, ohne vorher seine Wunden versorgen zu lassen. Als Held ist es seine Pflicht auf seine Gesundheit zu achten. Lernt man doch schon in der ersten Schulwoche", gab Katsuki unfreundlich von sich und warf die Überreste des blutbefleckten Fangtuchs und des aufgeschnittenen T-Shirts in den Mülleimer. „So eine Nummer ist einfach nur ..."

„Wir wissen nicht, was ihn im vorging, als er sich dazu entschieden hat, sich zurückzuziehen. Laut Present Mic braucht er ab und an Ruhe, wenn etwas aus dem Ruder läuft und das hat er akzeptiert und wir auch. Es wäre unfair vorschnell zu urteilen." Yagi unterdrückt ein Seufzen. Jeder ging anders mit all dem Scheiß um, den man als Held zu ertragen hatte. „Hilf mir mal, bitte!", bat er nach einer Weile in der beide Still geblieben waren. Die Matratze war zu schwer und unförmig, um sie alleine hochzuheben. Er hoffte nur, dass sie diesen riesigen Fleck entfernen konnten, damit Shota nach seiner Rückkehr nicht mehr daran denken musste und friedlich in sein Bett zurückkehren konnte. Nur zu gerne wüsste er, was in seinem Kollegen vorgegangen war, als er sich verkrochen hatte. Hatte er gewusst, was passieren könnte, oder war es vollkommen unbedacht gewesen? Wenn Shinsou doch nur darüber reden würde, ob Aizawa wach gewesen war und etwas zu ihm gesagt hatte, doch er wollte den Jungen nicht drängen. Außerdem wollte er seine eigenen Gedanken und Vermutungen nicht laut aussprechen, aus Angst, etwas davon würde wahr werden.

Grummelnd half Bakugo seinem großen Vorbild dabei, die Matratze hochzuhieven und aufstellen, damit sie diese leichter mit einem Putzmittel behandeln konnten. In diesem Moment fragte er sich, wie viele Scheiße Eraserhead in seinem Leben wohl schon durchgemacht haben musste, um so einen Weg zu wählen. Doch auch wenn es Gründe gegeben hätte, die Katsuki plausibel finden würde, war für ihn diese Sache einfach nur unterste Schublade. Er hätte Besseres von seinem Lehrer erwartet, doch er schwieg, während seine beiden Freunde zurückkehrten, um weiter dabei zu helfen, das Zimmer aufzuräumen.

Demon in his mindWhere stories live. Discover now